Deutung: Furche = *rika und *rikko (keltisch), riga (gallorömisch) oder dann Geländeeinschnitt (alemannisch).
In Seebach ist Ricken die Bezeichnung für eine kleine Randmoräne des Binzmühlebachtallappens des Glatttalarmes des Linth-Rheingletschers, gebildet in der letzten Rückzugsphase des Gletschers vor etwa 20Â?000 Jahren. Diese Randmoräne haben die Bauarbeiter ganz in der Nähe abgegraben, als sie 1876/77 das Bahngleis von Seebach nach Affoltern bauten. So muss angenommen werden, dass dieser Kieshügel schon lange so hiess, auch wenn er nie urkundlich wurde. Es sei denn, man würde die Strassenbenennungsunterlagen der Gemeinde Seebach von 1932/33 im Stadtarchiv gründlich durchforsten und prüfen, ob noch andere Hinweise vorliegen. Das dürfte schwierig sein, denn der Seebacher Gemeinderat war bekannt dafür, dass er Entscheidungen im Zusammenhang mit der bevorstehenden Eingemeindung aus Zeitgründen oft aus der Hüfte heraus im Hau-Ruck-Verfahren traf. Im Zehntenplan von 1820 ist der Ricken als alte Seitenmoräne eingezeichnet, aber nicht beschriftet. Vielleicht sollte man auch noch den Helvetischen Kataster von 1802 konsultieren.
Den Ausdruck im Sinne eines Flurnamens hörte ich in jüngeren Jahren nie. Nur vereinzelt wussten alte Seebacher noch, dass dort nach Angaben ihrer Eltern oder Grosseltern viel Kies abgebaut worden sei und dass genau diese Stelle schon immer Ricken geheissen habe. Mit Ricken war dabei nicht die Strasse gemeint, sondern das Gebiet des Zweigwerkes der Elektrodenfabrik an der Birchstrasse im Bereich Himmeribrücke. Ich habe viel Zeit aufgewendet, bis ich die Befragungen widerspruchsfrei interpretieren konnte. Es war nicht der Einschnitt des Bahngleises, welcher Ricken hiess, sondern der alte Kiesausläufer bzw. die kleine Randmoräne selber. Das lässt sich heute kaum mehr belegen, denn diese Leute sind inzwischen alle längst verstorben.
Vom Ricken ist nicht mehr viel übrig geblieben, wie ein Augenschein zeigt. Nur mit Mühe vermag man noch einen leichten Buhnausläufer zu erkennen, welcher der Neunbrunnenstrasse immer noch einen kleinen Buckel aufzwingt. Auf einer alten Foto von etwa 1920 oder früher (BAZ 32493) ist die verbliebene Wölbung des Rickenrestes noch sehr deutlich zu sehen. Sie wurde nicht etwa vom Gletscher so geformt, sondern von den Bauarbeitern der Nationalbahn und anschliessend von den Bauern. Entstehung und Schicksal des Kieshügels sind vergleichbar mit dem Gugelbogen. Den Namen Ricken hat die alte Flur wahrscheinlich bekommen, weil sie bergseitig gegen die Buhn zwischen Neubrunnenquelle und altem Himmeriweg einen Einschnitt bildete.
Der letzte Ausläufer des Rickens endete beim alten Steiner-Industrie-Anschlussgleis, noch vor der Neubrunnenquelle. Genau durch diesen Einschnitt wurde dann das Bahngleis der Nationalbahn verlegt. Ausser dem Buckel in der Neunbrunnenstrasse findet man noch drei weitere Relikte und zwar erstens in der Stadtkarte von Zürich aus dem Jahre 1934, wo im Bereich des berühmten SteinerÂ?schen Anschlussgleises noch eine Kuppe eingezeichnet ist. Zweitens fällt auf dem Gemeindeplan von 1915 auf, dass der Binzmühlebach im Bereich Himmeri etwas nach Süden versetzt ist, um den Resten des Rickens auszuweichen und drittens machte damals die Birchstrasse nach der Himmeribrücke einen beträchtlichen Bogen nach Osten, indem sie den einen Teil der ehemaligen Hügelkuppe des Rickens geschickt nutzte, um das Gefälle der Strasse zu reduzieren und natürlich, um eine künstliche Aufschüttung für die Strasse zu umgehen.
Alle diese landschaftlichen Belege sind inzwischen beseitigt worden. Das erklärt, warum sich fast niemand mehr an einen Ricken erinnert. Meine Quellen sind verschiedene Hinweise seitens älterer Seebacher aus den Jahren 1964, 1988 und 2003-4, die ich damals noch für uninteressant hielt, da mir der Ricken als Flurname unbekannt war.
Der Ricken gehört zu jenen Seebacher Flurnamen, welchen man auch eine keltische Abkunft zubilligen darf. Darauf weist Bernhard Maier in seinem Buch "Kleines Lexikon der Namen und Wörter mit keltischem Ursprung" hin, der sogar darauf hinweist, dass die gallorömische Variante «riga» schriftlich für das 7. Jahrhundert n. Chr. überliefert ist. Dass der Ricken in den Urbarien nirgends erwähnt wurde lag daran, dass er aus Kies bestand und folglich unbebaubar war, somit gab es auch keinen Grund, ihn speziell zu erwähnen. In den Urbarien, wo die abgeleiferten Zehnten eingetragen wurden, kamen sBrachen daher kaum je vor. Das erklärt, warum der Ricken nie urkundlich wurde. Dass er über die ganz Zeit bis in die neuere Zeit nur mündlich überliefert wurde, ist nicht aussergewöhnlich. Die Kelten haben bekanntlich kaum etwas Schriftliches hinterlassen und für die Römer war er ohne Bedeutung. Die Alemannen haben den Flurnamen übernommen und ihrer Zunge angepasst. Da sie ein Wort mit ähnlicher Bedeutung hatten, wurde aus dem *rikko, *rika ein Ricken. Die keltische Deutung ist eine Annahme der OGS. Da auch die keltischen Bauern ihre Fluren benannten, wäre es denkbar, dass dieser Flurname so weit zurück reichen könnte.
Quellen: - OGS-eigene - Kleines Lexikon der Namen und Wörter keltischen Ursprungs, Bernhard Maier, ISBN 3 406 494706