Es ist bis heute nicht bekannt, wie die Siedlung von den Kelten genannt wurde. Da der heutige Name Seebach ganz offensichtlich alemannisch klingt und hinter beiden Wortteilen keine keltischen Synonyme stecken, scheint es müssig darüber zu spekulieren, wie Seebach geheissen haben könnte. Da der mutmassliche gallorömische Gutshof in Seebach nie eine strategische Bedeutung hatte, ging er auch nicht in die römischen Annalen ein. Somit gibt es nichts Schriftliches über Seebach während der römischen Besatzungszeit. Aufgrund alter römischer Namen könnte man sonst den keltischen Namen rekonstruieren. Man weiss also bis heute nicht, wie Seebach zur Gründungszeit hiess.
Es ist bekannt, dass in unseren Nachbarorten ebenfalls keltische Grabhügel festgestellt wurden, wie etwa in Kloten, Wallisellen, Rümlang, Affoltern, Höngg, Ã?rlikon, Oberstrass und Schwamendingen. Auch dort war es nur in einem Teil der Fälle möglich, den genauen Standort der keltischen Gehöfte oder Siedlungen auszumachen und aus dem gleichen Grund sind auch deren Namen nur vereinzelt bekannt. Die beiden Ausnahmen sind Kloten, welches ziemlich sicher auf ein römisches *Clavodunum zurück geht und dieses möglicherweise auf einem keltischen *Klidunon = Absperrung, Wall + Umzäunung fussen könnte. Beim zweiten Ort ist Oberstrass gemeint, welches auf ein Mur zurück geht. Mur bedeutete sowohl im Lateinischen, im Keltischen wie auch im Althochdeutschen Mauer. Vieles deutet hier aber darauf hin, dass *Mur eine erst viel später gebildete, althochdeutsche Bezeichnug ist und sich auf die zerfallenen Mauern bezieht.
Die Häuser, welche die Kelten in Seebach bauten, waren aus Holz und verrotteten nach ihrer Aufgabe innert weniger hundert Jahre vollständig. Von da her ist es also fast unmöglich, Ã?berreste einer Siedlung in Seebach zu finden, allein schon deshalb nicht, weil heute fast alles überbaut ist. Im Gegensatz etwa zum Holzbau der Römer in Ã?rlikon, scheint der Gutshof in Seebach ganz in keltischen Händen geblieben zu sein, denn hätte ein römischer Gutsbesitzer residiert, dann hätte man sicher Ã?berbleibsel einer Hypokaustenheizung gefunden. Nachdem hier alles überbaut ist, ist es unwahrscheinlich, hier noch Küchenabfälle, Feuerstellen, Ziegel und dergleichen zu entdecken. Man muss sich also damit abfinden, dass nur noch indirekt etwas über die ursprünglichen Dorfbegründer zu erfahren ist.
Eine indirekte Art, den keltischen Namen unseres Dorfes zur Gründungszeit zu eruieren, ist derjenige einer Reihe von Schlussfolgerungen. Dazu gehört sicher die allgemeine Feststellung von Orts- und Flurnamenforschern, dass manche dieser Namen viel älter sind, als man ursprünglich dachte. Insbesondere der Umstand, dass die meisten keltischen Namen spätestens ab 600 bis 800 n. Chr. alemannisiert wurden, erlaubt es, nach solchen Flurnamen zu suchen, deren Ursprung keltisch sein könnte. Eine Ã?berprüfung der älteren, echten Flurnamen Seebachs ergibt, dass es in Seebach mindestens 45 solcher Namen gibt. Auch lässt sich feststellen, dass sich diese 45 Namen an vier Stellen in Seebach verdichtet vorfinden: Zum ersten um das westliche Bühl, zweitens im weiteren Bereich Ausserdorf, drittens im Bereich Lengg/Schwandenholz und viertens im Bereich Mattacker/Lindenbühl.
Das lässt den Schluss zu, dass hier Keltenhöfe gestanden haben könnten. Da jedoch im Gebiet Lengg, Ausserdorf und Mattacker/Lindenbühl keine Hügelgräber aufgefunden wurden, kann man davon ausgehen, dass diese möglichen Siedlungen einer späteren Kulturstufe der Kelten zugeordnet werden müssten. Vom Keltenhof am Bühl war bereits die Rede, vom Ausserdorf, Mattacker/Lindenbühl und Lengg/Schwandenholz noch nicht. Ob diese Keltenhöfe vorrömisch, römisch oder nachrömisch zu datieren sind, ist offen, wie überhaupt diese drei weiteren Höfe vorerst nur eine Vermutung sind.
Neben der Tatsache, dass Flurnamen oft älter sind als gemeinhin vermutet wird, gibt es auch die Feststellung, dass solche Namen oft hartnäckig lange leben oder überleben. So könnte man sich die Frage stellen: Könnte nicht auch der Name Seebach dazu gehören? Vorerst spricht dagegen, dass dies auf den ersten Blick ein Schemaname ist, wie er oft in der Zeit der alemannischen Innenkolonisation auftrat, also in der dritten Ausbauphase ab etwa 800 n. Chr. Ã?berprüft man die uns von anderen Orten im Schweizer Mittelland bekannten eindeutig keltischen Flur- und Lokalnamen, stellt man fest, dass diese meist landschaftsbeschreibenden Charakter haben und nur selten auf einen Besitzer hinweisen. Da auch der Name Seebach ein Schemaname ist, könnte er also durchaus auch keltischer Abkunft sein. Schon die ersten keltischen Siedler könnten ihre Höfe an der Stoffelstrasse oder auch spätere Höfe als «Seebach» bezeichnet haben. Natürlich in ihrer eigenen Sprache, also keltisch.
Nun kann man sich auch fragen, wieso haben die Alemannen bei ihrer Landnahme in Seebach den Ort so genannt? Haben sie den Ort selber so genannt oder haben sie den Namen von den schon hier ansässigen Ureinwohnern übernommen? Solches ist in unserer Gegend mancherorts geschehen. Da die Alemannen ihre Siedlung an der höchsten Stelle der Seebacherstrasse errichteten, dürften sie mit der nahen Keltensiedlung irgendwann in Kontakt gekommen sein und den Namen dieser Siedlung ins damalige Deutsch übertragen haben. So könnte das alemannische Seebach zu seinem heutigen Namen gekommen sein. Seebach wäre demnach ein uralter Ortsname. Wohl doppelt oder dreimal so alt wie bisher vermutet.
Ein anderer Ansatz für die Namensuche könnte von der wörtlichen Ã?bersetzung von Seebach ins damalige Keltisch hergeleitet werden. Für «See» ist uns das keltische «lind» oder «lint» überliefert. Für Bach wird es bereits schwierig. Die Kleinheit oder Bedeutungslosigkeit der Objekte liess die alten keltischen Bachnamen in unserer Gegend fast durchwegs untergehen, nur die Namen grösserer Flüsse haben überlebt. Einige wenige Funde in der spärlichen Literatur nennen «bioran» als kleines Wasser, also Bach, altirisch ist «bua» überliefert, auch «bul» und «bal» und «bial» ist anzutreffen. Als in der Schweiz gut belegt gilt auch «sura». Für grössere Bäche findet sich «ap», «aw», «aa»Â? «au», «af» und «ol», die keltisch oder sogar vorkeltisch sein könnten.
Dass diese Suche nach einem keltischen Hintergrund nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt ein Blick in das Idiotikon. Dort steht in Band III auf Seite 1317, dass man noch vor nicht langer Zeit einem Tümpel auch Lind sagte, was ganz eindeutig darauf hinweist, dass keltische Worte in die alemannische Sprache Eingang fanden und dass vor allem Lind dazu gehört. Lind bedeutet in Zürcher Mundart weich und beschreibt indirekt, wie das obige Lind zu interpretieren war: Als Morast, Sumpf, Ried, was Spielraum für allerlei Spekulationen eröffnet.
Gegen solch spekulative Deutungen spricht allerdings, dass Seebach bis heute als Dorfgründung der Zeit um 800 n. Chr. betrachtet wird und zur 3. Ausbaustufe gezählt wird, wo es eher üblich war, den Dorfgründungen Schemanamen zu geben. Germanisten gehen aber davon aus, dass Schemanamen erst verwendet wurden, als die Gallorömer in den Alemannen aufgegangen seien. Dem möchte die OGS entgegen halten, dass eben genau deshalb bei der Innenkolonisation erstmals die früher rein gallorömischen Bewohner begannen, mit den Alemannen zusammen zu leben. Dabei ist es sicher immer wieder vorgekommen, dass die alten Dorfnamen der Gallorömer die Basis für den neuen, deutschen Ortsnamen gebildet haben oder die Bildung zumindest mit beeinflusst haben könnten.
Die Zahl der Grabhügel, früher Leberen oder Leeberen genannt, von mittelhochdeutsch hlev = Hügelchen, gibt Aufschluss über die Grösse einer Siedlung oder über den Zeitpunkt der Siedlungsgründung. In Kloten gibt bzw. gab es über 20 solcher Grabhügel, was den Schluss zulässt, dass es dort eine grössere Siedlung gab oder dass Kloten schon früher besiedelt wurde als Seebach. Die Hügel zeigen auch an, dass es sich um eine Siedlung der Hallstatt-Kultur handelte.
Die Hallstätter Kelten hatten die Gewohnheit, ihre Toten in Grabhügeln zu bestatten. Diese Kulturform beherrschte unsere Gegend etwa von 800 v. Chr. bis 500 oder 450 v. Chr. Danach gab man diese Bestattungsform auf und erstellte nur noch Flachgräber. Wo also keine Grabhügel gefunden werden oder nur sehr wenige, wie etwa in Seebach, kann man davon ausgehen, dass die Siedlung erst gegen Ende der Hallstatt-Zeit gegründet wurde oder aber, dass sie nur kurzzeitig bewohnt war oder dass es nur ein kleiner Hof war. Welche Variante jeweils zutrifft, müsste von Fall zu Fall abgeklärt werden, was heute kaum mehr möglich ist. Einziger Hinweis liefern die Grabbeigaben, aus denen die ungefähre Jahreszahl hervorgeht.
Im Falle von Seebach sieht es so aus, dass aufgrund der Grabfunde die Grabhügel einerseits erst gegen Ende der Hallstattzeit erstellt wurden und andererseits, dass die Siedlung nicht sehr gross war. Dies lässt sich allein von der Landschaftsform her, wie sie vor 2'500 Jahren ausgesehen hat, herleiten: 65% dichter Laubwald, 30% Sumpf, Moor, Riedland mit lockerem Baum- und Buschbewuchs und 5% offene Wasserflächen. Eine solche Landschaft liess keine grössere Besiedlung zu. Jeder Meter Ackerland musste erst dem Wald oder dem Ried abgerungen werden. Da die Grabhügel von Seebach alle um den Felsenrainplatz herum angeordnet waren, dürfte die Siedlung in der Nähe dieses Platzes zu suchen sein.
Da die Kelten ihre Siedlungen nicht in Ã?berschwemmungsgebieten, sondern in sicherer Höhe errichteten, kann es der Felsenrainplatz nicht gewesen sein, auch wenn er ziemlich genau in der Mitte der drei Grabhügel liegt. Mit der sicheren Anhöhe kämen also nur noch das Bühl oder die Buhn in Frage. Für ein kleineres Gehöft, wie es für Seebach angenommen werden muss, wäre die Buhn zu hoch und auch etwas weit weg. Somit bleibt als einziger Hügel in der Nähe nur noch die südwestliche Halde am Bühl.
Ein weiterer Punkt, worauf die Kelten achteten, war das Vorhandensein von sauberem Fliesswasser, von Fischen und Krebsen, von Bauholz und von gutem Boden. Für das Fliesswasser steht der Binzmühlebach. Für die Fische der damals noch viel grössere Binzmühleweiher und für die Krebse der Schürbach. Die Neubrunnenquelle gab es noch nicht mit der heutigen Wasserleistung, aber es gab zahlreiche kleinere Grundwasseraufstösse am östlichen Ende der Buhn, wie etwa die Tannenquelle und die Rebstockquelle, sodass wirklich nur noch das Bühl als Siedlungsplatz in Frage kommt, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Kuppe des Bühls auch einen strategischen Wert hatte.
Man konnte von da aus einen grossen Teil der Gegend überwachen, sobald man das Holz auf der Kuppe gerodet hatte. Dieses Holz diente zugleich dem Bau der Siedlung und der notwendigen Umzäunung wegen den Wildtieren. Bei einem Rundgang um das Bühl wird man sehr rasch zum Schluss kommen, dass der ideale Standort für die Siedlung der besonnte Südwesthang war, wo man sehr schnell auf der Wacht und ebenso schnell am Bach war. Rund um die Siedlung konnte man Weideland einrichten, indem man laufend weitere Bäume rodete usw. Damit lag der Standort der Siedlung ganz offensichtlich an der heutigen Stoffelstrasse im mittleren Abschnitt. Nun wissen wir also, wann die Kelten hier gesiedelt haben und auch wo, zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit.
Das Leben der Kelten an der Stoffelstrasse
Die Kelten erstellten in der Zeit von ca. 540 bis 525 v. Chr. vermutlich eine kleine Holzsiedlung mit etwa 10 Gebäuden, wovon etwa 3 als Wohnhäuser dienten. Es kann davon ausgegangen werden, dass die 3 Familien zusammen 20 Personen umfassten. Die Familie bestand damals aus einer ganzen Sippe, keltisch «klan» genannt. Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug damals bestenfalls 35 Jahre, wobei man bei dieser Zahl sehr vorsichtig sein muss. Aussagekräftiger ist da die Angabe der Lebenserwartung bei der Geburt, mit 20 und mit 40 Jahren. Damals starben ¾ der Kinder bevor sie das 20. Altersjahr erreichten. Die Todesrate blieb aber auch später hoch, sei es durch die sehr strengen Gesetze von damals, durch Opferung aus religiösen Gründen, durch Krankheit und durch die allgemeinen Gefahren in der Natur, bei der Jagd und bei Streitigkeiten.
Allerdings waren diejenigen, die die Jugend überlebten, ziemlich zäh gegen Infektionskrankheiten und andere Ã?bel. Unter diesen Umständen ist es weiter nicht verwunderlich, wenn angesichts dieses strengen Lebens die Bevölkerungszahl nicht nennenswert anwuchs. Das mag anderswo so nicht stimmen, aber in Seebach war das zutreffend. Die Bevölkerungszahl von Seebach lag um 550 v. Chr. bei schätzungsweise 15 Personen und stieg bis 800 n. Chr. kaum über 40 Personen.
Der Grund warum die Kelten gleich mehrere Höfe beisammen bauten bzw. Einzelhöfe stets in der Nähe grösserer Höfe erstellten, bestand in der gegenseitigen Abhängigkeit im Alltag, der beträchtlichen Aufwandminderung bei der Verteidigung (nur ein Palisadenzaun für mehrere Höfe) und in der ersten Spezialisierung. Einer der Hauptgründe, warum die Hallstätter Kultur so erfolgreich war, war die Fähigkeit, Eisen zu verhütten und zu verarbeiten, womit man damals Waffen herstellen konnte, mit denen man dem Gegner überlegen war. Es dauerte Jahrhunderte, bis diese das auch nachahmen konnten und diesen Vorteil nutzten die Kelten konsequent aus.
Allerdings gab es nicht bei jedem Weiler eine Eisenhütte, wohl aber eine Schmiede bei allen grösseren Siedlungen. Mit Tauschhandel gelangten die Waffen zu den Einzelhöfen oder zu den Siedlungen. Daneben gab es auch Kunsthandwerk, welches schon etwas dezentraler betrieben werden konnte. Gewoben wurde ebenfalls ziemlich dezentral. Kleider genäht wurde von fast allen Frauen. Alle Männer waren zuerst einmal Bauern, daneben aber auch Holzfäller, Schmied, Köhler usw. Die Landwirtschaft war Haupterwerb und Viehwirtschaft Nebenerwerb. Zusammen mit dem Holzen, Roden, Ausstocken usw. nahm das 80 % der Arbeitskraft einer Sippe in Anspruch. Der Rest der Zeit diente der Jagd, dem Fischen, dem Beeren und Pilze suchen und dem Tauschhandel.
In der Freizeit ass man, feierte mal ein Fest und widmete sich dem Flicken der Geräte. Die Frauen suchten Beeren, bestellten den Pflanzgarten, nähten und flickten Kleider, zogen die Kinder auf, kochten, putzten usw. Da auch Viehwirtschaft betrieben wurde, gab es eine Arbeitsteilung. Bei den kleineren Höfen wurde nicht alles selber gemacht. Es gab solche, die schwergewichtig Ackerbau und solche, die Viehwirtschaft betrieben. Hier ist zu präzisieren, dass die Viehwirtschaft der Kelten nicht mit heute verglichen werden kann, denn die Kelten betrieben die Viehwirtschaft ausschliesslich als Nutztierhaltung und nicht, um sich mit Fleisch zu versorgen. Fleisch wurde über die Jagd beschafft. Nur ganz grosse Höfe machten alles, da hierfür viele Arbeitskräfte benötigt wurden. So war es auch Aufgabe der Frau, den täglichen Tausch mit den Nachbarhöfen abzuwickeln. Die Kinder wurden in alle diese Arbeiten von frühen Kindesbeinen an mit einbezogen.
Die Sippe im ersten Seebacher Hof an der Stoffelstrasse stellte einen kleinen Betrieb dar und sie betrieben vermutlich nur Gemüsebau und etwas Viehwirtschaft. Für den Ackerbau fehlte es an Grösse und an geeignetem Land. Das Getreide dürfte im Abtausch mit anderen Höfen erworben worden sein. Es ist klar, dass die gegenseitige Abhängigkeit der Höfe den Bau von gangbaren Wegen voraussetzte, was zur Annahme berechtigt, dass es von der Stoffelstrasse aus einen solchen Wege sowohl nach Schwamendingen, Ã?rlikon, Affoltern, Opfikon und nach Rümlang gab.