Am Samstag, den 9. Mai 1992 wurde auf dem Bahnhof Seebach eine Doppelstockkomposition der SBB auf den Namen «Seebach» getauft, verbunden mit einem zweitägigen Fest, veranstatete von Quartierverein Seebach (QVS) und organisiert vom Turnverein Seebach (TVS). Mit der Organisation betraut wurde Gerda Gasser.
Technisches
Der Name mit dem Seebacher Wappen prangte am vorderen Teil der Lokomotive des Typs Re 450, ex Re 4/4 V. Die Vorstadt nannte die Lokomotive in ihrem Bericht «Triebkopf», was zwar eine eisenbahntechnisch korrekte Bezeichnung für eine Lokomotive in einer Verbundkomposition ist, im Volksmund aber eher wie die Bezeichnung für ein Ungeheuer klingt. Ein Wortungeheuer ist es allemal. Die technischen Daten der Lok lauten wie folgt: Gewicht 72,7 t, Länge 18,4 m, Leistung 4350 PS, Höchstgeschwindigkeit 130 km/h. Weitere Daten sind: 4 Fahrmotoren, hohe Beschleunigung, 3 Doppelstock-Anhänger, wobei der hinterste als Steuerwagen ausgebildet ist, sodass die Komposition an der Endstation nicht gewendet oder gar die Lok umgespannt werden muss. Dementsprechend besitzt die Lok nur einen Führerstand und könnte nur eingeschränkt andere Aufgaben übernehmen, als S-Bahn-Kompositionen zu ziehen, zumal sie auch über eine moderne automatische Kupplung verfügt, die mit älterem Rollmaterial nicht kompatibel ist. Das ist aber kein Nachteil, denn für die S-Bahn-Loks gibt es mehr als genug Arbeit im vorgesehenen Einsatzbereich.
Betrieb
Bis zu 4 solcher Kompositionen können im Mehrfachbetrieb zusammen gehängt werden. Jede Komposition hat 387 Sitzplätze, doch werden im Alltag noch weitere 150 Stehplätze nicht vermieden werden können, sodass im äussersten Fall in Vierfachtraktion über 2000 Fahrgäste befördert werden können. Die SBB werden aber darauf achten, dass dieser Extremfall nicht die Regel sein wird, indem rechtzeitig die Taktfahrpläne erweitert werden. Eine Komposition hat eine Länge von 100 m. Die Endmontage der Züge erfolgt in Örlikon und die fertigen Kompositionen fahren über das alte Steinergleis zum Bahnhof Seebach, wo sie den SBB übergeben werden. In der Anfangszeit des S-Bahn-Betriebs werden zuerst die Linien S5, S7 und S8 mit den neuen Kompositionen verkehren. Die Linie S6, welche Seebach bedient, folgt erst später.
Taufe
Die Loktaufe fand logischerweise im Bahnhof Seebach statt und war mit einem zweitägigen Bahnhoffest begleitet, welches von zahlreichen Vereinen mitgefeiert wurde. Die Seebacher Kinder Cornelia Jud und Thomas Bollag, die beiden schnellsten Seebacher Zürihegel des Jahres 1991 hatten die Ehre, das Schild an der Lokomotive zu enthüllen, ohne Champagner, wie der neue QVS-Präsident Hansruedi Gasser verschmitzt bemerkte.
Offizielles
Anlässlich der Loktaufe wurde auch der scheidende QVS-Präsident und neue Gemeinderatspräsident Kurt Wirth geehrt, wobei der bekannte Seebacher Prof. Robert Kübler eine Dankesrede in Versform hielt, welche nicht weniger als 11 Verse enthielt und das erst noch im Zürcher Dialekt. Für den neuen Quartiervereinspräsidenten Hansruedi Gasser war es zugleich sein erster öffentlicher Auftritt. Dass Bahnhofvorstand Bruno Nyffenegger es sich nicht nehmen liess, beim Fest anwesend zu sein, gab dem Fest einen besonders offiziellen Anstrich. Dieser wurde durch die Rede von Fritz Kühni, Chef Bauabteilung SBB-Kreisdirektion, noch verstärkt. Dieser berichtete über die Geschichte der Eisenbahnlinie Baden-Seebach-Winterthur, aber auch über die Zukunft und was diese Seebach alles noch bringen wird. Anwesend waren auch eine Fahnendelegation der Schützengesellschaft, die Wanderfreunde St. Georg und die Damenriege Seebach des TVS. Der Musikverein Seebach sorgte mit rassigen Stücken für eine angemessene musikalische Begleitung des Festanlasses.
Fahrt ins Blaue
Anschliessend kamen die zahlreichen Freunde des öffentlichen Verkehrs in den Genuss einer Fahrt ins Blaue, welche über den Zürcher Hauptbahnhof und Dübendorf nach Uster, Wetzikon und zurück über Effretikon nach Kloten und Seebach führte. Da die 387 Sitzplätz innert weniger Stunden vergeben waren, mussten die SBB die Ausfahrt am Nachmittag wiederholen. Die SBB waren vom beträchtlichen Ansturm des Publikums nicht überrascht, denn schon bei der Einführung des S-Bahn-Betriebs zwei Jahre zuvor lernten sie die Begeisterung der Seebacher für einen guten ÖV kennen.
Epilog
Der Einsatz der Doppelstockzüge auf der S6 war dann tatsächlich nur eine Frage der Zeit und auch der Halbstundentakt liess nicht lange auf sich warten. Die Passagierzahlen stiegen stärker, als man anfänglich dachte und zeigen sehr schön auf, dass eine gute Planung, abgestimmt auf die Bedürfnisse der Kunden, den Erfolg garantiert.
Quellen: - Tages-Anzeiger 11. Mai 1992 - Tagblatt der Stadt Zürich 11. Mai 1992 - Vorstadt 12. Mai 1992 - Beat Czybik schenkte der OGS die alten Zeitungsberichte