OGS Seebach - Beitrag

Thurgauer Zwiebelwähe
Gastronomie – Rezepte – historisch
Vorgeschichte

Das Rezept stammt von meiner Grossmutter Pauline Wirz-Büchi. Sie lernte es kennen während ihrem Haushaltjahr in einem Privathaushalt in Obersommeri TG um 1902. Ich habe es ganz leicht an die heutige Zeit angepasst. Ich nenne es provisorisch mal Thurgauer Zwiebelwähe, obwohl ich auf die Schnelle weder in meinen Kochbüchern noch im Internet eine solche Wähe fand. Vielleicht liegt es ja nur daran, dass ich 50 Jahre zu spät danach suche. Da sie aber von meiner Grossmutter stammte, die aus dem Thurgau herkam und auch dort ihr Haushaltjahr absolvierte, dürfte ich kaum falsch liegen.

Im Thurgau sagt man nicht Wähe, sondern mehrheitlich Tünnele oder Tülle. In einigen Gegenden gegen den Kanton Schaffhausen hin auch Tünne. In den dem Kanton St. Gallen näher gelegenen Gebieten heisst sie auch Fladen und es würde mich nicht wundern, wenn man sie nahe der Grenze zum Kanton Zürich auch Wähe nennt. Leider erlebt die reine Zwiebelwähe zurzeit eine kleine Phase der Abneigung. Mehrheitlich wird heute in unterschiedlicher Zusammensetzung die gemischte Käse-Zwiebelwähe bevorzugt. Ich halte allerdings an der guten alten reinen Zwiebelwähe fest, denn ich bin dies altersbedingt so gewohnt und ich mag den feinen Zwiebelduft, der schon beim Backen durch die Küche zieht, ganz besonders. Ich kenne diesen Duft seit über 70 Jahren, das bringt man nicht mehr weg.

Zutaten für 4 Personen:

- 300 g fertiger Kuchenteig (meine Grossmutter machte ihn noch selbst)
- 3 grosse oder 6 mittelgrosse Zwiebeln
- 25 g Bratbutter (Butterschmalz)
- 40 g Speckwürfeli (ersatzweise eignet sich auch Kümmel)
- 1 EL Mehl
- 2.5 dl Rahm
- 0.5 dl Weisswein
- ein kleines Büschel Küchenkräuter
- 2 Eier
- Salz
- Muskat
- weisser Pfeffer

Vorbereitung

Backofen rechtzeitig auf 200° C vorheizen.

Zubereitung

- Ein geeignetes Wähenblech oder eine Pyrexform mit dem ausgewallten Teig und der Backfolie belegen und mit einer Gabel einige Male einstechen.
- Die geschälten Zwiebeln in feine Würfelchen (nicht in Streifen) schneiden und in etwas mässig erhitzter Bratbutter goldgelb andämpfen. Dazu soll man den Zwiebeln ruhig 20 Minuten Zeit geben.
- Mehl, Rahm, Eier und Salz gut miteinander zu einem zähflüssigen Brei verrühren.
- Die angedämpften Zwiebeln darunter mischen und nochmals gut verrühren und angemessen würzen. Nichts ist ärgerlicher als eine fade Zwiebelwähe!
- Die Masse auf dem ausgelegten Teig gleichmässig verteilen.
- Die Speckwürfeli ebenfalls schön gleichmässig auf der Masse verteilen.
- Ersatzweise mit Kümmel und/oder mit weissem Pfeffer bestreuen.
- In den Ofen schieben und 40 Minuten bei 180° ausbacken. Am Anfang mehr Unterhitze geben. Ganz am Schluss die Oberhitze zuschalten, damit die Wähe goldfarben wird und nicht hellgelb bleibt. Die Wähe etwas auskühlen lassen und warm servieren.

Katzenwähe

Die Grossmutter hat ein klein wenig mehr Teig und Füllung zubereitet und zwar deshalb, damit die Kinder etwas beschäftigt waren, wenn sie die Wähe vorbereitete. Dies deshalb, weil Grossmutter zugleich auch Kinder hütete. Sie gab den Kindern dann ein kleines Wähenblech, welches sie normalerweise für Käseküchlein benützte. Dann haben die Kinder den restlichen Teig ausgewallt, in die kleine Form gelegt und mit etwas Füllung versehen und auf dem Gitter neben der grossen Wähe mitgebacken. Diese kleine Wähe der Kinder nannte die Grossmutter Katzenwähe. 'Katzen' hatte damals die Bedeutung von klein, gering, unbedeutend. Die Kinder hatten fast mehr Freude an ihrer kleinen eigenen Wähe. Es war dann der Hunger, der sie doch noch veranlasste, auch von der grossen Wähe zu essen.

Ergänzende Bemerkungen:

1. Zusammen mit einem grünen Salat servieren.

2. Am besten passt dazu ein weisser Schweizer Landwein oder Süssmost.

3. Dient die Zwiebelwähe nur als Vorspeise, kann man die Speckwürfeli und den Salat auch weglassen und/oder die Menge der Füllung etwas reduzieren.

4. Dient sie als Hauptspeise, muss man die Menge entsprechend erhöhen und allenfalls ein grösseres Wähenblech benützen und/oder einen grösseren Salat servieren.

5. Die Erfahrung der Grossmutter hat gezeigt, dass ihre Enkel nicht mehr alle die traditionellen «Böleschlängge» mochten, daher begann sie, die Zwiebeln nicht mehr in Halbringe oder Streifen, sondern in ganz feine Würfelchen zu schneiden, welche die Enkel nicht mehr so leicht spüren konnten. Durch das lange Dünsten und das anschliessende Backen der Zwiebeln werden diese so weich, dass man sie auch Kindern zumuten kann, welche die «Böllen» sonst nicht mögen.

6. Ab und zu traf ich auch Freunde der Thurgauer Zwiebelwähe und lernte bei ihnen, dass man sie mit den verschiedensten Küchenkräutern wie Liebstöckel noch würziger machen konnte.

En Guete!

Quellen:
- OGS-eigene Rekonstruktion
- Pauline Wirz-Büchi (6.3.1887-21.12.1976)
- Alice Berger-Wirz, Seebach (23.12.1922-21.2.1986)

Thurgauer Zwiebelwähe (2016-A)

Der fertig ausgewallte Teig wird mit Backpapier in die Wähenform gelegt. Überhängende Teigresten werden abgeschnitten und dienen der Katzenwähe als Grundlage.

Thurgauer Zwiebelwähe (2016-B)

Die Teigresten werden zusammengeknetet und zu einem kleinen Katzenteig ausgewallt.

Thurgauer Zwiebelwähe (2016-C)

Hier sieht man in der Bildmitte den Kochwein. Der wird nicht nur für die Wähe gebraucht, sondern auch für den Koch, darum heisst er ja Kochwein. Daneben sieht man auch die kleine Katzenwähe und darüber die eigentliche Wähe in Vorbereitung.

Thurgauer Zwiebelwähe (2016-D)

Die feingeschnittenen Zwiebeln werden in wenig Olivenöl glasig gegedünstet. Hier kam auch noch eine rote Zwiebel dazu.

Thurgauer Zwiebelwähe (2016-E)

Die Zwiebeln und der Guss werden auf den Teig verteilt.

Thurgauer Zwiebelwähe (2016-F)

Auch die 12 cm grosse Katzenwähe der Kinder erhält etwas Füllung.

Thurgauer Zwiebelwähe (2016-G)

Die fertig gebackene Zwiebelwähe nach 40 Minuten. Die auffällig goldbraune Farbe ist zum Teil auch eine Folge der speziellen Herdbeleuchtung hinter dem Dampfabzug.

Thurgauer Zwiebelwähe (2016-H)

Die kleine Katzenwähe ist bei meinen Enkelkindern heiss begehrt, reicht aber nirgends hin, sodass sie dann auch von der grossen Zwiebelwähe essen müssen.

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