Eigenes Familienrezept. Es stammt von meiner Mutter, die es während ihres Haushaltjahres in Obersommeri TG um 1942 im Kinderheim Heimetli kennen lernte. Doch das war natürlich nur eine Variante des vermutlich aus Frankreich stammenden Rezeptes.
Ab 1962 war es dann der Koch des Restaurants Au in Zürich-Wiedikon, der sich mit seiner Variante des Gerichts einen Namen machte. Vermittler der verfeinerten Variante aber ist Rolf Springer von Kilchberg ZH um 1964. Rolf Springers Rezept scheint weitgehend mit jenem überein gestimmt zu haben, welches seine Schlummermutter und Kostgeberin Madeleine Dubois in Paris im Jahre 1961 für ihn kochte. Diese hatte einen Kochlehrer, der aus der Provence stammte, sodass Rolfs Kutteln wohl eine Abkunft von dort hatten, denn das Gericht hat seinen Ursprung in der Gegend von Nizza, also gleich östlich neben der Provence.
Rolf Springer hat stets betont, dass die Variante des Restaurants Au ihn sehr stark an jene in Paris erinnere. Ich habe das Rezept meiner Mutter mit den Tipps vom Restaurant Au und jenen von Rolf Springer optimiert. Das Gericht gehört in die Gruppe der Gemütlichkeitsküche. Planen Sie genügend Zeit ein. Hier die Zubereitungsweise, welche Rolf Springer am liebsten mochte:
Kutteln hatten im letzten Jahrhundert noch einen ganz anderen Stellenwert. Von 1934-35 gab es in Seebach sogar eine Metzgerei Frehner, welche sich fast ausschliess auf die Herstellung von Kutteln spezialisiert hatte. Sie war gut sichtbar mit "Kuttlerei Frehner" angeschrieben und befand sich am Felsbergweg. Und im Kanton Neuenburg sind die Tripes à la neuchâterloise bis heute ein Traditionsgericht geblieben. Aber auch in Zürich, Schaffhausen, Thurgau und im Tessin gibt es bis heute spezielle Kuttelrezepte.
Die Kutteln an Tomatensauce habe ich mit Rolf Springer zusammen recht oft zwischen 1963 und 1965 im Restaurant Au gegessen. Das Restaurant Au war allerdings eine Ausnahme. Kutteln an Tomatensauce sind eher eine Schaffhauser Spezialität, während die klassischen Kutteln auf Zürcher Art mit Weisswein und Kümmel zubereitet werden. Im Tessin ist es die Busecca/Büseca = Kuttelsuppe.
Zutaten für 4 Personen
- 500 g Kutteln, gekocht, in Streifen geschnitten - 30 g Kochbutter - 1 grosse Zwiebel, fein geschnitten, nicht gehackt - 3 EL Tomatenpüree - 2 EL Mehl - 1 dl Weisswein - 5 dl Bouillon - 2 TL gehackter Kümmel - 50 g Grana padano, frisch gerieben - wenig Cayennepfeffer - Salz - Pfeffer aus der Mühle - Peterli als Garnitur - reichlich Pariserbrot
Zubereitung
- Die Kochbutter sehr massvoll erhitzen und die fein geschnittenen Zwiebeln auf kleinstem Feuer während 20 Minuten goldgelb andünsten. Es soll ein butterig-zwiebeliges Röstaroma entstehen.
- Das Tomatenpüree und das Mehl zugeben und kurz mit dünsten.
- Mit dem Wein ablöschen. Bouillon zugeben. Die Kutteln, den Kümmel und den Cayennepfeffer beigeben und gut mischen. Die Kutteln müssen mit der Bouillon bedeckt sein.
- Auf kleinster Flamme 45 Minuten köcheln lassen. Wenn nötig noch etwas Wein oder Bouillon nachgiessen, aber bitte nicht zu viel, denn die Sauce sollte zum Schluss schön sämig und keinesfalls zu dünn sein.
- Abschmecken mit Salz und Pfeffer aus der Mühle und mit einem kleinen Büschel Peterli garnieren.
- Den Grana padano in einem Schälchen separat servieren.
Beilagen
- Zu diesem Gericht gab es im Restaurant Au in Wiedikon um 1960-65 stets nur weisses Brot, genau gleich wie bei Madeleine Dubois in Paris. Diese grosse Ähnlichkeit der Zubereitung hat Rolf stets verblüfft und veranlasst, öfter Kutteln zu essen, als das hierorts üblich war.
Ergänzende Bemerkungen
1. Rolf Springer hat immer wieder betont, dass Kutteln eine Delikatesse seien, wenn sie von einem sehr erfahrenen Koch zubereitet werden. Der Koch im Restaurant Au in Zürich-Wiedikon gehörte zu dieser Gruppe, obwohl das Restaurant Au nicht als Feinschmecker-Restaurant galt. Es wurde fast ausschliesslich von Arbeitern besucht. Dies lässt die Vermutung zu, dass die Arbeiter der Wiediker Fabriken Gourmets gewesen sein müssen, denn ich erinnere mich, dass die Kutteln napolitaine von den Arbeitern sehr fleissig bestellt wurden. Man kann aber auch fragen: Warum sollen Arbeiter nicht auch gerne gut essen? Auch Jacky Stapfer von «Jacky's Buurestube» und später im Restaurant «La Fourchette» bot die Kutteln als Spezialität an. Sein Restaurant gehörte aber zur gehobenen Klasse.
2. Das Gericht eignet sich in dieser Form am besten als ein leichteres Abendessen. Will man es als vollwertiges Gericht servieren, dann passen am besten Salzkartoffeln und ein grüner Endiviensalat dazu. Dann braucht es entsprechend weniger Pariserbrot.
3. Rohe Kutteln brauchen viele Stunden Kochzeit, doch die Metzgereien verkaufen praktisch nur vorgekochte Kutteln, bei denen die weiter oben genannte Kochzeit ausreicht.
4. Es gibt auch ein altes Zürcher Rezept für die Kutteln, welches man unter dem Suchbegriff 'Zürcher Kutteln' bei 'guteküche.ch' findet. Mehr siehe dort! Auch im Tessin und in der Lombardei gibt es ein beliebtes Kuttelnrezept: Die Busecca, im dortigen Dialekt Büseca genannt, eine Kuttelnsuppe.
5. Kutteln werden in grossen Teilen Europas seit Jahrhunderten zubereitet. Sie sind lediglich etwas aus der Mode gekommen und daher gibt es immer weniger Köchinnen und Köche, welche sie noch schmackhaft zubereiten können. Dennoch kommt der Liebhaber auch heute noch fast überall auf seine Rechnung, wenn er genügend lange nach einem entsprechenden Restaurant sucht. Zudem gehören Kutteln zu den Innereien und da hat jeder so seine Grenzen, was er noch verzehren mag und was ihm zu weit geht. Auch Nieren, Milz, Lungen, Herz, Lebern usw. sind bekannt dafür, dass es nicht alle mögen.