Mein Riz Casimir-Rezept stammt aus der Zeit um 1963 und wurde von meinem Dienstkameraden Rolf Springer aus Kilchberg stark mitgeprägt als wir zusammen versuchten, das Rezept von Mövenpick nachzukochen. Daher erscheint auch die Entstehungsgeschichte des Riz Casimirs in der OGS-Seebach.
Ueli Pragers Gastro-Imperium
Ueli Prager lebte vom 15.8.1916 bis zum 15.10.2011. Er wurde in Wiesbaden, Deutschland, geboren und war der Sohn eines Hoteliers. Er besuchte von 1929 bis 1935 das Realgymnasium Trogen. Danach studierte er Ökonomie an der Universität Zürich. Am 19. Juli 1948 eröffnete Ueli Prager das erste Mövenpick-Restaurant «Claridenhof» an der Dreikönigsstrasse 21 in Zürich. Nach und nach wurden unter seiner Leitung in Zürich, Luzern, Genf und Lugano neue Filialen gegründet und zwar in so grosser Zahl, dass man ihn bald nicht mehr als Wirt, sondern als Unternehmer bezeichnen musste. Ueli Prager zeichnete sich als Unternehmer durch seinen guten Geschäftssinn und auch durch eine gewisse Risikofreudigkeit aus.
Dank schlanken Führungsstrukturen, einer kostengünstigen Infrastruktur und durch die vielen Restaurants konnte er wegen den grösseren Mengen günstiger einkaufen. Er machte es so möglich, dass auch der kleine Mann sich Hummer, Lachs und Meeresfrüchte leisten konnte. Man ass exotisch und dennoch waren die Preise sehr moderat. Ausserdem gab es in seinen Restaurants den ganzen Tag warmes Essen, das Ambiente war frisch, aber nicht zu vornehm. Und es gab auch kleine Häppchen für zwischendurch und der Offenausschank gestattete es, dass man sogar ein einzelnes Glas Champagner bestellen konnte. Der Besuch der Mövenpick-Restaurants erzeugte bei den Gästen eine Art Aufbruchstimmung.
Mövenpick entwickelte sich später zu einem grossen Konzern. 1962 wurde die Fastfood-Restaurantkette Silberkugel nach amerikanischem Vorbild eröffnet. Die ersten beiden Mövenpick-Hotels entstanden 1972. 1970 gründete er unter dem Namen «Caves Mövenpick» die ersten eigenen Weinkeller in der Schweiz und Deutschland, 1972 wurde die Produktion von Glacés aufgenommen. 1989 zog sich Ueli Prager aus dem aktiven Geschäft zurück und weil keines seiner 6 Kinder seine Nachfolge antreten wollte, führte seine Frau Jutta den Konzern noch drei Jahre weiter. 1992 verkauften Ueli und Jutta Prager ihre Aktienmehrheit der 61 Mövenpicks, 38 Hotels, 10 Silberkugeln, 7 Cindys, 24 Marchées, 16 Caves und 12 Autobahnraststätten mit insgesamt rund 10'000 Angestellten an den Münchner Baron August von Finck. Zu ergänzen wäre noch, dass der neue Besitzer die Silberkugeln weiter verkaufte und die Rechte für die Glacés-Produktion 2003 an Nestlé weitergab. 2018 verkaufte er auch die Hotels weiter an Accor.
Ueli Prager verbrachte einen grossen Teil seines eher spät eingeleiteten Lebensabends im Nordosten Londons, wo er ein sehr behagliches Häuschen hatte und sich äusserst wohl fühlte. Dennoch war er regelmässig in der Schweiz anzutreffen, nicht nur an Ferienorten. Um 2006 gibt es nämlich Fotos, die ihn in einem Heim in Mettmenstetten ZH zeigen. Seine Ferien verbrachte er gerne in Silvaplana GR.
Die Eigenkreation des Riz Casimirs
1952 führte die «Mövenpick-Kette» ein Gericht in ihren Restaurants ein, welches sich «Riz Casimir» nannte und langsam aber stetig immer mehr Bekanntheit erlangte. Der Riz Casimir ist eine Eigenkreation von Mövenpick, der damals noch jungen Gastrokette und er gehört zu den ganz grossen Ideen des legendären Ueli Pragers. Ob dieser das Rezept auch selber kreierte oder ob er 'nur' den Denkanstoss an seine Köche gab, konnte ich noch nicht mit Sicherheit ermitteln, doch ist bekannt, dass er vor allem grosse Ideen hatte und die Details delegierte. Da der Riz Casimir seinerzeit ein grosser Wurf war, liegt es nahe zu vermuten, dass einiges von ihm stammte. Gelegentlich liest man auch, dass es eine dem Schweizer Gaumen angepasste Variante eines indisch/pakistanischen Gerichtes aus dem Gebiet von Kaschmir sei. Das würde den Begriff «Riz Casimir» irgendwie erklären, doch ob die Geschichte stimmt?
Nicht ganz, aber vielleicht doch ein wenig. Gemäss Petra Foede, einer deutschen Buchautorin, soll Ueli Prager schon in den späten 1940er Jahren in London ähnliche Gerichte kennen gelernt haben, welche in den dortigen Restaurants den Zusatz 'Kaschmir' trugen. Von einem dieser Gerichte habe er dann den Riz Casimir abgeleitet. Aus der Sicht des Gourmets jedoch war der Riz Casimir jedenfalls eine wohl gelungene Kreation. Er blieb nicht die einzige Mövenpick-Kreation, die Schule machte, wohl aber die erfolgreichste!
Noch einiges mehr zum Riz Casimir findet man unter http://www.saison.ch/de/archiv/schweizer-klassiker/riz-casimir/. Es ist ein ziemlich aktueller und gut recherchierten Beitrag zum Rezept des Riz Casimirs.
Ist der Riz Casimir ein Schweizer Gericht?
Die Antwort lautet ja, sofern man damit die Zubereitungsweise von Mövenpick meint, denn das Gericht entstand auf Veranlassung von Ueli Prager in seinem Restaurant Claridenhof in Zürich. Wie viele Schweizer Gerichte ist es aber nicht ein exklusiv in der Schweiz erfundenes, sondern ein stark dem Schweizer Gaumen angepasstes Gericht aus dem Ausland. Man erhält es vor allem in der Schweiz und in Deutschland, gelegentlich auch noch in den anderen umliegenden Ländern, wo Mövenpick seine Filialen hatte. Und nicht zuletzt in ziemlich anderer Form natürlich auch an seinem Ursprungsort im Grenzgebiet von Indien und Pakistan.
Weitere Kreationen aus dem Küchenrepertoire von Mövenick
Fast den gleichen Bekanntheitsgrad wie der Riz Casimir erlangte der Riz Colonial, der Riz Créole, der Bananensplit, die Thousand-Islands-Sauce, die Roquefort-Sauce, das Poulet im Chörbli und der Eisbergsalat, um nur jene zu nennen, an welche ich mich noch erinnern kann und die typisch waren für Mövenpick.
Hausfrauen-Varianten des Riz Casimirs
Erste Hausfrauen versuchten den Riz Casimir schon kurz nach seiner Einführung im Mövenpick zuhause nachzukochen, doch erst in den 1960er Jahren erreichte er in der Beliebtheitsskala schweizweit seinen Höhepunkt. Sogar erst zwanzig Jahre nach dem Mövenpick publizierte Betty Bossi in einem ihrer ersten Kochbücher «Fleisch für Sonntag und Alltag» im Jahre 1968 ein ähnliches Gericht, welches sich «Geschnetzeltes Florida» nannte. 1976 folgte eine abgeänderte Variante im Büchlein «100 Wunderrezepte» und mit dem neuen Namen «Gschnätzlets Kasimir». Das Gericht erfreute sich inzwischen so grosser Beliebtheit, dass fast jede Hausfrau es ihren Gästen gerne vorsetzte. Vor allem, weil es dank den Betty-Bossi-Rezepten auch leicht nachzukochen war und fast immer gelang.
Militär-Variante
Sogar das Schweizer Militär übernahm es und führte es in ihrem grünen Büchlein «Kochrezepte für die Militärküche» ein. 1963 fehlte es noch, doch in der Ausgabe 1986 und wohl auch in der vorangehenden Ausgabe in den 1970er Jahren findet man es unter der Nummer 52 mit der schlichten Bezeichnung «Curry». Natürlich war das Militärrezept auf Sparen und Einfachheit getrimmt, doch es schmeckte sehr wohl. Allerdings lag das nicht nur am Militärrezept, sondern auch am strengen Dienst, der den Rekruten, Soldaten und Kader körperlich einiges abverlangte. Entsprechend hungrig waren diese dann, wenn es ans Essen ging. Bekanntlich heisst der beste Koch Hunger und genau dies vermag zu erklären, warum auch die Militärversion des Riz Casimir so beliebt war und wohl immer noch ist.
Kochschul-Varianten
Im Jahre 1967 wurde es in der Neuauflage des Kochbuchs der Haushaltungsschule Zürich aufgenommen, zeitgleich nahmen es auch die meisten übrigen kantonalen Hauswirtschaftsschulen in ihre Kochbücher auf. Das Rezept gilt als schweizerisch, auch wenn die Zutaten sehr international sind, denn als offizieller 'Erfinder' gilt ja eben die Gastrokette Mövenpick und als Jahr der Ersteinführung nannte Betty Bossi 1952! 1986 findet man gut versteckt und nicht als Riz Casimir bezeichnet, sondern schlicht als Curry-Sauce, das Gericht indirekt auch im Pauli, sodass es nun auch alle Schweizer Kochlehrlinge lernen mussten. Auch im Kochbuch von Elisabeth Fülscher wird es seit etwa 1960 erwähnt.
Curry-Geschnetzeltes
Inzwischen gibt es viele weitere Dutzend von verschiedenen Riz-Casimir-Varianten. Ein recht frühes Rezept habe ich glücklicherweise aufbewahrt. Es stammt von Rolf Springer aus Kilchberg ZH. Er mochte dieses Gericht ganz besonders und ass es fast ausschliesslich in den Mövenpick-Restaurants. Dabei war ich zwischen 1963 und 1968 mindestens ein Dutzend Mal mit dabei. 1969 kochte es dann meine damalige Frau, als Rolf zu Gast war und da sie nur ein sehr provisorisches Rezept von meiner Schwester zur Verfügung hatte, gab er ihr am Herd zahlreiche Tipps. Dabei griff er auch ein wenig in die Kellen, hielt sich nicht an das vom Mövenpick her bekannte Rezept, sondern änderte es so ab, dass es ganz auf seinen Geschmack abgestimmt war. Und so habe ich das Rezept dann belassen.
Vor allem gab es nun mehr Sauce, denn gerade bei der Curry-Sauce schwalg er gerne im Überfluss. Statt Korinthen nahm er Herzkirschen und die Peperoni liess er weg. Ferner nahm er mehr gebratene Bananen und es war auch einen Tick schärfer und enthielt deutlich mehr Currypulver. Ausserdem waren die Ananas und die Bananen nicht Garnitur, sondern wurden als Stückli in die Sauce gegeben. Das Rezept konnte alle überzeugen und wurde in der Folge ein Familienrezept der Wirz'. Man findet es in der OGS unter Curry-Geschnetzeltes. Mehr siehe dort!
Gibt es heute noch Riz Casimir in den Mövenpick-Restaurants?
Diese Frage habe ich mir letztmals vor 10 Jahre gestellt und folgendes erfahren: Dass der Riz Casimir bzw. das Curry-Geschnetzelte langsam veraltet sei, hat um 2002 auch der Chefkoch der Gastrokette Mövenpick gemeint und es kurzerhand aus der Speisekarte genommen. Doch hat dieser Mann die Rechnung ohne die Kundschaft gemacht. Diese reklamierte so lange, bis der Riz Casimir wieder angeboten wurde. Er freute sich danach weiterhin einer gewissen Beliebtheit und wurde allein bei Mövenpick jährlich immer noch über 80'000 mal bestellt und das, obwohl er doch angeblich veraltet war! Dieses zeigt: Was veraltet ist, entscheidet nicht so sehr der Chefkoch, sondern doch eher der Kunde! Ob er heute immer noch im Angebot ist, weiss ich im Augenblick nicht, doch werde ich das bei Gelegenheit klären. Sicher ist aber, dass das Gericht in der Schweiz weiterhin beliebt ist, aber meist nur noch privat zu Hause zur Anwendung kommt. Wie es in den Nachbarländern aussieht, weiss ich nicht, doch scheint es auch in Deutschland mindestens ebenso beliebt zu sein.
Quellen: - Wikipedia (Teile der Mövenpick-Firmengeschichte) - Blick (Teile der Mövenpick-Firmengeschichte) - NZZ (Teile der Mövenpick-Firmengeschichte) - weitere Tagespresse und im Text genannte Quelllen - Mövenpick-Restaurants - Carmen Strübi Wirz (Rezept) - Rosmarie Kläy (Rezept) - Rolf Springer (Rezept-Variante) - OGS-eigene - Betty-Bossi-Kochbuch, 1973 und 1976