Die Entstehungsgeschichte des Klausenburger Gulaschs
Gastronomie – Geschichte – historisch
Vorgeschichte
Das Klausenburger Gulasch ist eine Variante des in der Schweiz als Szegediner Gulasch bezeichneten Gerichtes. Leider gibt es bei der Bezeichnung dieses Gerichtes keine saubere Trennung vom Szegediner Gulasch, da es für diese Gerichte selbst bei den Grundrezepten viele Varianten gibt. Was man jedoch sagen kann ist, dass das Klausenburger Gulasch im Gegensatz zum Szegediner Gulasch anstelle von Sauerkraut frischen Weisskohl und dafür keine Kartoffeln enthält. Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass ich dieses Gericht 1973 in Klausenburg (Cluj) bei Munie Cherestes nach einem älteren, seit langer Zeit bewährten Rezept vorgesetzt bekam, welches sie perfekt beherrschte. Trotz ihren über 70 Jahren hat sie sich fürs Kochen fast den ganzen Tag Zeit genommen und dafür wurde sie von allen sehr gemocht, die sie bekochte.
Die Entstehungsgeschichte dieses Gerichts wird in der OGS-Seebach erwähnt, weil ich es in der Variante mit Weisskohl anstelle von Sauerkraut, seit 1973 immer wieder koche und demzufolge längst auch ein Rezept der Familie Wirz geworden ist. Aber auch, weil die Familie Cherestes es bis mindestens 1995 so gepflegt hat, ursprünglich in Klausenburg, dann in Dübendorf und später in Zürich-Affoltern.
Verschiedene Bezeichnungen
Das Klausenburger Gulasch hat verschiedene Namen, die aber nur darauf zurück zu führen sind, dass in Siebenbürgen eben drei Sprachen gesprochen werden: Rumänisch, Ungarisch und Deutsch. Ungarisch wird es Koloszvári Gulyás und auf Rumänisch Gulas din Cluj oder Tocana a la Cluj genannt. Dieses Rezept wird heute in Rumänien nur noch selten als Klausenburger Gulasch bezeichnet. So ist es nicht weiter erstaunlich, dass man es in einem Restaurant in Ungarn leichter bekommt als in Klausenburg selber. So war jedenfalls mein Eindruck. Es scheint in Ungarn populärer zu sein als in Rumänien. Károly Gundel, der wohl bekannteste ungarische Koch des letzten Jahrhunderts, nannte dieses Gericht ebenfalls Koloszvári Gulyás, also Klausenburger Gulasch. Damit ist auch klar, warum es Munie Cherestes so oft kochte, denn sie wohnte ja in Klausenburg.
Andere Köche meinten, dass Szekler Gulasch eigentlich die korrekte Bezeichnung für das Szegediner Gulasch und dass das Klausenburger Gulasch lediglich eine Variante des gleichen Gerichtes sei. Joan Cherestea glaubte aber, dass es ein sehr altes, eigenständiges Gericht sei. Die Ur-Variante soll mit wilden Gemüsen, Wurzelwerk und viel Küchenkräutern zubereitetet worden sein. Dass Wurzelwerk in der ungarischen Küche früher sehr üblich war, stellt man beim Studium der Gundel'schen Rezepte fest, wo das Wurzelwerk mehrmals erscheint. Damit man sich nicht falsch vorstellt: Gemeint siend hier Knollensellerie, Rüebli usw.
Aus diesem Grund sei klar festgehalten, dass hier nur vom ganz uralten Koloszvári Gulyás bzw. dem Klausenburger Gulasch, wie es Munie Cherestes zubereitete, die Rede ist. Für das Szegediner Gulasch mit Sauerkraut gibt es in der OGS eine eigene Entwicklungsgeschichte. Mehr dazu siehe unter Die Entwicklungsgeschichte des Szegediner Gulaschs!
Ursprung
Das Klausenburger Gulasch ist somit ein sehr altes Gericht, welches von den Szeklern nach Siebenbürgen gebracht wurde und in seiner frühesten Urform auf eine Zeit vor 1220 zurück geht. All zu viel älter kann es aber auch nicht sein, denn der Anbau von Weisskohl war für Nomaden wohl kaum möglich, da sie ja mit ihren Herden herum zogen und keinen Gemüseanbau betreiben konnten.
Entwicklung der Gulaschgerichte im Laufe der Jahrhunderte
Nach der Einwanderung der Szekler in das Gebiet des heutigen Siebenbürgens, rumänisch Ardeal, ungarisch Erdély, erfolgte die Umstellung vom Nomadenleben zur Sesshaftigkeit.
Die Szekler waren ein eigenständiger Zweig der Ungarn. Ob sie ihr Siedlungsgebiet zeitgleich mit den Ungarn oder zeitversetzt erreichten, konnte ich bis jetzt nicht ermitteln. Jedenfalls änderte ab etwa dem Jahre 1000 die Beigabe von Wildpflanzen und Wurzelwerk ganz langsam in Richtung Weisskohl und Rüebli (Karotten).
Ab etwa 1100 gab es nun vermehrt Rind-, Schweine- und Schaffleisch, während der Wildanteil zurück ging.
Ab 1200 kam der für das Gericht übliche Sauerrahm von den neuen Haustieren dazu. Hierbei dürften Einflüsse von slawischen Zuwanderern mitgewirkt haben.
Ab etwa 1700 kamen die Kartoffeln dazu.
Ab etwa 1800 kamen das Tomatenpüree, die Peperoni, Peperoncini und der Paprika dazu und gaben dem Gericht die neue rötliche Farbe. Hier dürfte etwa der Zeitpunkt liegen, als die Urform des Klausenburger Gulaschs entstand und sich vom Szekler Gulasch zu unterscheiden begann.
Seit 1850 erfuhr das Gericht keine nennenswerten Änderungen mehr.
Somit ist das Klausenburger Gulasch in der heute üblichen Zubereitungsweise erst etwa 150-200 Jahre alt. Dort wo das Gericht in Westeuropa gekocht wird, benützt man seit etwa 1960 vermehrt Fett und Öl anstatt Schmalz.
Quellen: - OGS-eigene - Joan Cherestes, 1973 - Luiza Cherestes, 1973 - Munie Cherestes, 1973, 1975 - Herr Leheneanu, Kronstadt (Brasov), 1973 - Lajos Kardos, 1975 - István Varga, 1975 - «Kleines ungarischen Kochbuch», Károly Gundel, 27. Auflage, ISBN 963 13 5287 0