OGS Seebach - Beitrag

Wirz PR-1B (Fesselflugmodell)
Luftfahrt – Modellflug – historisch
Vorgeschichte

Nach dem ungebremsten Absturz in die Wiese im Jahre 1972, nur etwa 5 Meter von mir entfernt, ergab sich bald, dass das grüne Modell PR-1A gerettet werden konnte. Der Rumpf und der Motor überlebten den Absturz nämlich schadlos, der Tank bekam zwar eine kleine Delle, nur der Flügel erlitt aussen rechts einen Bruch.

Ich rettete das Flugzeug, indem ich den Flügel bei der Bruchstelle abtrennte und statt mit 80 cm Flügelspannweite nun mit den verbliebenen 55 cm flog. Auch den Flügelrandbogen konnte ich noch retten. Mit der nunmehr recht grossen Flügeltiefe und den Stummelflügeln gab ich dem Modell den neuen Namen PR-1B. Der Übername lautete Longitudinalschwarte. Und ich hatte mit ihm viel Neues vor.

Längere Flugdauer

Von einem Hobbykoch in St. Gallen namens Armando Sartori konnte ich 1972 ein paar Modellmotoren sehr günstig erwerben, unter anderem auch einen Webra Bully mit 3.5 cm³, welcher zwar schon viele Stunden Flugzeit hinter sich hatte, aber immer noch lief, wenn auch etwas stotternd. Er dürfte damals schon über 10 Jahre alt gewesen sein. Mit diesem starken Motor wollte ich Erfahrungen sammeln im Langzeitkreisfliegen und baute statt des Taifun Tornados nun den Webra Bully sowie den immer noch vorhandenen 70 cm³-Tank ein. Schon bald erfolgten die ersten Flüge über rund 7 Minuten Dauer. Man musste sich gut konzentrieren, um Schwindelgefühle zu vermeiden. Es erwies sich dann allerdings als ziemlich langweilig, immer nur im Kreis herum zu fliegen, denn für Loopings war das Modell mit der kleinen Tragfläche und dem Clark-Y-Profil nicht geeignet.

Startsystem ohne Helfer

So ergab es sich, dass das Modell PR-1B vor allem der Entwicklung eines Selbststartsystems diente, damit ich in Zukunft auch ohne Starthelfer Fesselflug betreiben konnte. Das war notwendig, weil in der Gegend von Schwerzenbach, wo ich inzwischen wohnte, keiner meiner Modellflugkollegen zu Hause war. Das Selbststartsystem bestand aus einem ehemaligen Teleskop-Stativ des Marimo-Refraktors, auf welches ich eine Halterung für das Modellflugzeug aufsetzte. Diese besass eine Lochung ebenso wie das Flugmodell, durch welche ich einen Metallstift steckte. Dieser Metallstecker wieder war an einer Schnur befestigt.

Zum Starten steckte ich das Stativ fest in den Boden, legte den Handgriff samt dem Schnurende bereit und steckte den Metallstift in die Bohrung, sodass das Modell fest auf dem Stativ fixiert war. Nun liess ich den Motor an. Sobald dieser sauber lieb, begab ich mit zum Handgriff, spannte die Steuerdrähte, kontrollierte die ordentliche Funktion des Höhenruders und dann zog ich an der Schnur den Haltestab aus der Flugzeughalterung. Sofort setzte sich das Flugzeug in Bewegung, verlor anfänglich ein paar Dezimeter an Höhe, fing sich dann auf und flog seine Runden. Nun musste ich noch etwa 10 Meter rückwärts gehen, damit ich mit dem Flugzeug nicht in das Startgestell flog. Nach wenigen Tests funktionierte das System einwandfrei und erlaubte mir ohne fremde Hilfe zu fliegen. Manchmal kam es aber vor, dass das Modell zu stark sank und dann im tiefen Schnee oder im Boden stecken blieb, wie die Fotos nebenan zeigen.

Das Ende

Erst 1978, als ich heiratete, verkaufte ich den Webra Bully an einen Sammler in Glattbrugg. Das Fesselflugmodell selber war bereits derart abgewetzt, dass ich es zerlegte und nur noch die wiederverwendbaren Teile behielt.

Der Webra Bully Diesel 3.5 cm³

Die Firma Webra wurde um 1946 herum in Berlin gegründet durch Werner Bragenitz. Webra ist somit ein Kürzel aus seinem Namen. Der Bully kam schon 1958 auf den Markt und war eine Konstruktion von Günther Bodemann. Die blaue Farbe des Zylinderkopfs hatte eine wohltuende Wirkung auf den Betrachter. Man mochte den kleinen Triebling einfach. Er war von der Form her wohlgelungen und wirkte etwas rundlich und bullig, wie schon der Name sagte. Leider neigte der Zylinderkopf immer wieder dazu, sich vom Zylinder zu lösen. Er musste daher wiederholt neu festgezogen werden. Da half nur eine Zange und natürlich etwas Stoff zwischen Zange und Rippen, damit man die Kühlrippen nicht beschädigte. Mein 1972 erworbenes Exemplar hatte offenbar schon ziemlich viele Flugstunden hinter sich und war mit keiner Kompression und auch mit keiner Vergaserstellung mehr zu einem runden und gleichmässigen Lauf zu bewegen, doch er lief immerhin schubweise mit einer Frequenz von etwa 1 Sekunde, setzte kurz aus und lief dann wieder eine Sekunde lang weiter. Ich flog mit dem Modell noch etliche Stunden in dieser Art und Weise und irritierte zahlreiche Modellflieger damit, die meinten, ich könnte den Motor nicht richtig einstellen.

Mein Bully gehörte zur 1. Version mit einem Frontvergaser und einem symmetrischen runden Kühlrippenkopf. Sein Nachfolger unterschied sich durch einen hinten angeordneten Vergaser und eine verstärkte Kurbelwelle. Der Kühlrippenkopf war nun nicht mehr rund, sondern tropfenförmig und die Rippen etwas dünner. Die Farbe blau blieb aber erhalten. Der hinten angeordnete Vergaser hatte den Vorteil, dass man beim Einstellen mit den Fingern nicht mehr so nahe an den laufenden Propeller kam. Diese Version kam 1960/61 auf den Markt. Irgendwann in den späten 1960er Jahren wurde seine Produktion dann eingestellt, da mit dem Aufkommen der RC-Steuerungen und ihrer Empfindlichkeit auf die Erschütterungen des Dieselmotors die meisten Hersteller auf Glühzündermotoren umstellten. Für den Fesselflug war das hingegen kein Problem, doch die Nachfrage ging zusätzlich noch zurück, weil auch viele Anhänger des Fesselflugs auf die immer günstiger werdenden Fernsteuerungen umstellten. So fiel die Nachfrage nach dem klassischen Modelldiesel in den Keller.

Der Motor war insgesamt sehr beliebt. Er hatte viel Kraft und sein Startverhalten hatte etwas Plötzliches an sich.

Technische Daten:

Spannweite: 55 cm
Flügeltiefe: 15 cm
Flügelfläche: 8.25 dm²
Flächenbelastung: 78.79 g/dm²
Profil: Clark Y
Länge: 60 cm
Antrieb: Webra Bully 3.4 cm³, 162 g schwer
Leistung: 0.28 PS
Propeller: Top Flite Nylon 22.5 x 18 cm
Drehzahl: 10'000 U/min (wegen geringerer Kompression, als neues Treibwerk schaffte er 14'000 U/min)
Flugzeit mit Motor: 3 Min. mit 30 cm³-Tank, 7 Min. mit 70 cm³-Tank
Gewicht: 650 g

Quellen:
- eigene

Fesselflugmodell PR-1B (1972-A)

Das Modell im Flug, aufgenommen von einem zufällig vorbeigehenden Spaziergänger, welcher sehr fasziniert war vom Fesselflug.

Fesselflugmodell PR-1B (1972-B

Vorbereitung zum Versuch, das Modell ohne Helfer in die Luft zu bringen. Gut sichtbar ist die helle Schnur und der Metallstift. Die Versuche fanden bei Regen statt. Hier sieht man, dass der Propeller ein Top Flite Nylon war.

Fesselflugmodell PR-1B (1972-C)

Hier sieht man das Teleskop-Stativ mit der Montage des Modells und darunter die Einspritzflasche von Migros 'Do it yourself'.

Fesselflugmodell PR-1B (1972-D)

Hier sieht man die Spuren im Schnee nach einem Fehlstart im Winter.

Fesselflugmodell PR-1B (1972-E)

So sah mein Meister-Handgriff damals aus. Er stammte von Rolf Springer. Es war der Vorläufer des späteren Meister-B-Handgriffs.

Fesselflugmodell PR-1B (1972-F)

Diesen Kraftstoff gab es für den PR-1B erst ab 1973, als ich ihn mir endlich leisten konnte.

Fesselflugmodell PR-1B (1972-G)

Auf dieser Nahaufnahme sieht man den Webra Bully Motor mit 3.5 cm³ Hubraum. Deutlich ist zu erkennen, dass es jene Version ist, welche den Vergaser vorne hatte.

Fesselflugmodell PR-1B (1972-H)

Hier sieht man meinen 2017 neu erworbenen Webra Bully II aus dem Jahre 1961. Bis auf die Vergaseranordnung entspricht er meinem Bully I aus dem Jahre 1961. Er trägt die Nr. 4366.

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