OGS Seebach - Beitrag

Wirz AW-4 (Fesselflugmodell)
Luftfahrt – Modellflug – historisch
Der rote AW-4 war ursprünglich gedacht, die Mängel meines mit Batterien angetriebenen AW-3 zu beseitigen. Da ich gerade am Testen von Elektro-Antrieben war, hatte ich vorgesehen, den AW-4 erneut elektrisch zu betreiben, jedoch nicht mehr mit den zu schweren Alkali-Batterien, sondern mit einem 240 Watt-Motor aus einem Migros-Mixer. Das war um 1971. An welcher Steckdose ich das Flugzeug auf der Wiese draussen anschliessen wollte, interessierte mich am Anfang weniger.

Ursprung der Idee war der Umstand, dass ich meinen Küchenmixer fallen liess und dabei das Gehäuse zerbrach. Bei der Migros riet man mir von einer Reparatur ab, da zu teuer und verwies auf die preisgünstigen Mixer im Sortiment. Statt den alten Mixer fortzuwerfen, baute ich den 240 Watt starken Elektromotor aus, erstellte im Handumdrehen ein einfaches Fesselflugmodell mit 1.25 Metern Spannweite und einem Leergewicht von nur 600 g ohne Motor. In dieses Flugzeug baute ich nun den Mixermotor ein, versah in mit einem anständigen Verlängerungskabel mit Schutzleiter und einer Propellernabe mit dem altbewährten Aeronaut 2-Blatt-Propeller mit den Abmessungen 22.5 x 12 cm, der von einem der noch vorhandenen PR-Modelle stammte. Angeschlossen am 220 V-Netz ergab das eine ganz satte Leistung von rund 1/3 PS. Um den Schub zu prüfen, versah ich das Modell vorübergehend mit Graupners Alu-Fahrgestell vom Bücker Jungmeister und schaltete den Strom ein. Das Modell hielt ich wohlweislich, denn es entwickelte einen sehr starken Vorwärtsdrang. Ich war überzeugt, die Lösung für den Elektroantrieb beim Fesselflug gefunden zu haben.

Wie aber besorge ich mir 220 V-Strom auf der Wiese draussen? Spätestens jetzt musste ich mich diesem Problem widmen, wollte ich nicht, dass der AW-4 ein Stubentiger bleibt. Bald stiess ich auf einen Wohnwägeler, welcher mich darüber aufklärte, wie man 220 V-Wechselstrom auch auf der Wiese draussen beschafft: Kleine 12 V-44 Ah-Autobatterie, Wechselrichter (Inverter) für 300 bis 500 Watt und schon ist die Stromversorgung mit sinusförmigem Wechselstrom für 1 Stunde Laufzeit gesichert, also mehr als genug. Was wollte ich mehr. Nach meinen damaligen Erkundigungen wog ein Wechselrichter aber gegen 2 Kilo. Dazu kam noch die Autobatterie mit ihren 14 kg.

Nachdem ich dann zusammengezählt hatte, was die Autobatterie, der Wechselrichter (Inverter) und das sonstige Zubehör insgesamt kostete, erschrak ich etwas. Es waren über Fr. 600.--. Zudem gab es noch das Problem, dass sich das Stromkabel von Handgriff zur Batterie mit jeder geflogenen Runde immer mehr verdrillte. Ich hätte also die 14 kg schwere Batterie und den 2 kg schweren Wechselrichter als Rucksackgestell umschnallen müssen, um das Verdrillen zu vermeiden.

Zuletzt besprach ich die Idee noch mit einem mir gut bekannten Elektriker, der dann meinte, es wäre zu gefährlich, den 220 V-Strom vom Wechselrichter zum Flugzeug zu übertragen. Da die Strom führenden Kabel ständig in Bewegung seien, wäre es sehr schwierig, den Strom sicher zum Flugzeug zu übertragen. Selbst bei professioneller Ausführung wären Kurzschlüsse und Stromschläge vorprogrammiert und sehr lebensgefährlich. Er riet mir, meine alten Mabuchi M2-Motoren in grösserer Stückzahl an den Flügeln der AW-4 zu montieren und den 12 V-Batteriestrom direkt über ein separates, gut isoliertes, dickes Kabel zum Flugzeug zu führen. Um Kurzschlüsse zu vermeiden, sollte ich das Kabel mit In-Line-Sicherungen versehen. Allfällige Stromschläge in diesem Spannungsbereich wären ungefährlich.

Der nächste gute Tipp kam dann von einem Töfffahrer, der meinte, dass für so kleine Flugmodelle eine schwere Autobatterie völlig unnötig sei und eine Töffbatterie genügen würde. Er schlug nun vor, mit einer auf den Rücken geschnallten Töffbatterie zu fliegen. Diese Idee gefiel mir, doch ergab sich nun, dass der Wegfall des schweren Motors an der Rumpfspitze und der Ersatz durch 8 Mabuchi-Motoren an die Flügelvorderkanten den Schwerpunkt des Modells sehr stark verschieben würde. Ein grösserer Umbau wäre nötig geworden. So erschien mir das Ganze doch etwas zu umständlich und vor allem zu aufwändig. Da ich bereits einen Termin für den Erstflug in Brugg verabredet hatte, reichte die Zeit nicht mehr für den Umbau. Also beschloss ich kurzerhand, an gleicher Stelle statt des 220 V-Motors einen bisher noch nicht genutzten Cox Medallion 2.5 cm³-Glühzünder-Motor und einen kleinen Tank einzubauen. Dafür war es nötig, den Motor etwas weiter vorne zu platzieren, damit sich am Schwerpunkt nichts änderte.

Der provisorische Umbau war an einem Abend erledigt und auf die Verschalung des Rumpfvorderteils verzichtete ich vorerst. Der Erstflug gelang tags darauf ohne Probleme. Einer meiner Freunde warf die Maschine sauber in die Luft und mit dem 30-cm³-Tank flog sie gute 3 Minuten. Wegen des grossen Clark-Y-Flügels lag sie sehr satt aber auch sehr träge in der Luft und war bestens dazu geeignet, schön brav im Kreise und ein bisschen auf und ab zu fliegen. Von der Flächenbelastung her kam sie einem Motorsegler nahe, nur das tolle Motorengeräusch erinnerte eher an ein Rennflugzeug. Das grosse Modell war im Flug aber eindrücklich. Noch eindrücklicher war der Sound des Cox Medallion, denn damals flog man noch ganz ungeniert ohne Schalldämpfer. Immerhin flog die Maschine von Anfang an sehr schön und reagierte auch gut auf die Steuerausschläge.

Ausser dem einen Flug hat das recht grosse Modell dann keine Flugluft mehr geschnuppert. Ich betrachtete den AW-4 schon als Grossmodell und mich nicht als der geeignete Pilot dafür, ganz abgesehen davon, dass das Modell nur sehr schwer in einen Sportsack passte, denn mein Transportmittel war damals ein Töff. Das hinderte mich aber nicht, das Modell mit dem Cox-Motor noch vollständig zu verschalen, nur geflogen wurde es danach nicht mehr.

Woran ich aber nicht dachte war, dass ich die Erkenntnisse aus der Exkursion in die Elektrotechnik für das Fesselflugmodell AW-3 Rambler, welches infolge Übergewicht durch die schweren Alkalibatterien nicht abhob, hätte weiter verwenden können. Mehr siehe dort!

Schicksal des Modells

Den Flügel des Modells habe ich aufbewahrt, da ich vermutete, ihn irgendwann anderweitig verwenden zu können. Das dauerte dann bis Juli 1993, als ich mein Elektro-Fesselflugmodell PR-6 entwarf und einen entsprechend grossen Flügel brauchte. Nach 18 Jahren in der Grümpelkiste hat die Bespannung trotz Japanseide etwas gelitten, indem er allzuviele Kratzer und Löcher aufwies. Ich habe den Flügel daher um 25 cm verkürzt und neu mit blauer Oracover-Folie bespannt.

Nachfolger des AW-4

Im Jahre 1992 baute ich ein Modell, welches ein wenig dem AW-4 nachempfunden war. Es war der AW-9. Mehr siehe dort!

Technische Daten des AW-4:

Spannweite: 125 cm
Flügeltiefe: 21.2 cm
Länge: 118 cm
Flügelfläche: 26.5 dm²
Flächenbelastung: 31.32 g/dm²
Gewicht: 830 g
Flügelprofil: Clark Y
Antrieb: Cox Medallion 15, 2.5 cm³, Glühzünder
Leistung: 0.32 PS
Propeller: Aeronaut 2-Blatt 27.5 x 15 cm
Drehzahl: über 15'000 U/min
Flugzeit: 3 Minuten

Quellen:
- OGS-eigene

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Fesselflugmodell AW-4 (1971-A)

Hier sieht man gut, dass die Spannweite 1.5 m betrug.

Fesselflugmodell AW-4 (1971-B)

Mein Modellflugkamerad demonstriert, wie leicht das Modell ist, indem er es auf den Fingerspitzen trägt.

Fesselflugmodell AW-4 (1971-C)

Der AW-4 war eher ein grosses Modell, dennoch wog er weniger als 1 kg.

Fesselflugmodell AW-4 (1971-D)

Die Maschine kurz vor dem Anlassen des Motors. Die Kabel für die Glühkerze sind bereits angeschlossen.

Fesselflugmodell AW-4 (1971-E)

Dies ist der Cox Medallion 15 mit 2.5 cm³ Hubraum und guten 0.32 PS Leistung. Ihn habe ich im letzten Moment in den AW-4 eingebaut, nachdem ich mein Elektroflugmodell nicht rechtzeitig auf den Flugtag fertigstellen konnte.

Fesselflugmodell AW-4 (1971-G)

Hier sieht man meinen neu erworbenen Cox Medallion 15 mit 2.5 cm³ Hubraum. Das Modell befindet sich in beneidenswert guter Verfassung. Einzig der originale Alu-Spinner fehlt, da dieser nie nach Europa exportiert wurde. Doch: Wer sucht, der findet!

Fesselflugmodell AW-4 (1971-G)

Dies ist der Dreiseitenriss des AW-4 in der letzten Konfiguration.

Fesselflugmodell AW-4 (1971-H)

Dieses Bild zeigt einen aktuellen Sinus-Wechselrichter von Effekta mit 350 W Leistung. Einen solchen Wechselrichter (Inverter) hätte es gebraucht, um den 12 V-Gleichstrom aus der Töffbatterie in 220 V-Wechselstrom umzuwandeln.

Fesselflugmodell AW-4 (1971-I)

Mit einer solchen, damals noch etwa 14 kg schweren 44 Ah-Autobatterie auf dem Rücken, hatte ich den AW-4 in die Luft bringen wollen, bevor dann jemand meinte, dass eine kleinere Töffbatterie auch reichte.

Fesselflugmodell AW-4 (1971-K)

Hier sieht man den originalen Spinner für den Cox Medallion 15, der allerdings nur ganz selten zu finden war, da der Motor in Europa stets ohne diesen Spinner ausgeliefert wurde. Leider habe ich das rare Stück samt Motor 1978 verkauft.

Fesselflugmodell AW-4 (1971-L)

So sah einer der zahlreichen Werkzeugschlüssel von Cox aus, welchen man vor allem brauchte, um die Glühkerze zu wechseln. Diese war mit dem Zylinderkopf fest verbunden.

Fesselflugmodell AW-4 (1971-M)

Hier sieht man einen alten Cox-Schlüssel, welcher schon eine recht starke Patina aufweist. Es gab verschiedene Modelle dieses Schlüssels.

Fesselflugmodell AW-9 (1992-A)

Hier sieht man den kleinen AW-9, welcher dem viel grösseren AW-4 ziemlich stark glich und zwar einfach deshalb, weil mir der AW-4 letztlich zu gross war.

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