Offizielle Deutungen des Zürichdeutschen Wörterbuchs und des Schweizerischen Idiotikons
Das Zürichdeutsche Wörterbuch von Albert Weber und Jacques M. Bächtold, Ausgabe 1968, schreibt dazu kurz und bündig:
"In Zürich beliebtes Taschenmesser, Übername der Zürcher mit dem Nebensinn des Groben, Derben."
Das Schweizerische Idiotikon kennt mehrere Bedeutungen für Hegel ganz allgemein:
"1. grobes Taschenmesser, wie es Bauern verwendeten, 2. Grobian, Bauernlümmel, 3. Zuchtstier, 4. scherzhaft für Penis, 5. beschönigend für Hagel mit der Bedeutung eines durchtriebenen Burschen, 6. Hanswurst, Fasnachtsnarr, einer, der sich komisch benimmt, 7. Familienname, Ortsname, hergeleitet vom alten deutschen Rufnamen hagilo, hegilo."
Zum Zürihegel im Besonderen sagt auch das Idiotikon exakt das Gleiche wie das Zürichdeutsche Wörterbuch.
Zuerst zum Zürihegel
Ergänzende Bemerkungen der OGS: Grundsätzlich muss man bei der Suche nach der Bedeutung unterscheiden zwischen dem Zürihegel und dem Hegel ganz allgemein.
Zum erwähnten Nebensinn des Groben und Derben muss für den Zürihegel noch folgendes ergänzt werden: Die Wortbildung Zürihegel ist gar nicht so alt. Sie entstand erst vor vielleicht 200 bis 250 Jahren. Der Hinweis auf das Grobe und Derbe galt schon damals nicht dem Zürihegel, sondern nur dem Hegel. Daher spielte um 1775, als die Wortverbindung Zürihegel entstand, nur noch der Ortsname und das kleine Taschenmesser eine Rolle. Der Zürihegel wurde in zahlreichen Quellen stets als kleines Messer oder als Messerli bezeichnet. Da der Name Zürihegel für das kleine Taschenmesser danach vor allem auf die Kinder übertragen wurde, die ein solches Taschenmesser besassen, ging der ursprüngliche Zusammenhang zum Derben und Groben verloren.
Zürihegel ist eine rein schweizerische Namensgebung, welche wohl eher in den Nachbarkantonen entstand und die man sowohl dem Zürcher als auch dem Taschenmesser zudachte. Vermutlich kam das Taschenmesser zuerst zu seinem Namen, der sich danach auch auf die Träger solcher Messer übertrug. Die Träger dieser kleinen Messer waren meist Kinder ab etwa 8 bis 10 Jahren. Der Zürihegel als Taschenmesser bekam seinen Namen, weil er in dieser Gegend entweder zuerst in Mode kam oder weil er hier besonders häufig anzutrefffen war.
Als die Bezeichnung Zürihegel auf die Zürcher übertragen wurde, waren nicht nur die Städter gemeint, sondern alle Leute im Züribiet, speziell aber die Kinder. Der Begriff Zürihegel findet sich auch heute noch in der Bezeichnung des Zürcher Sportanlasses De schnällscht Zürihegel, mehr siehe dort! Mit den Zürihegeln sind auch dort speziell die Kinder im Schulalter gemeint.
Zum Zürihegel als Taschenmesser ist noch zu ergänzen: Ich erinnere mich sehr genau: Um 1950 und etwas danach war damit speziell in Schülerkreisen nicht etwa das alte Schweizer Militärtaschenmesser, welches in verschiedenen Ausführungen seit 1891 von Wester, Elsener (ab 1921 Victoria, ab 1931 Victorinox), Röthlisberger und Wenger bis etwa 1965 an die Rekruten abgegeben wurde und auch nicht das etwas feinere Messser der späteren Jahre gemeint. Es war auch nicht das schöne rote Taschenmesser mit dem Schweizer Kreuz und den vielen Funktionen gemeint, sondern es war jenes einfache und preiswerte und eher dünne Taschenmesser gemeint, welches sich die Buben in und um Zürich leisten konnten, als man noch sehr wenig Taschengeld zur Verfügung hatte. Wir Buben nannten unser Taschenmesser aber nicht Zürihegel, sondern Hegeli. Sprach man hingegen von einem Hegel, dann waren etwas grössere Kaliber gemeint.
Im letzten Jahrhundert hat der Schweizerische Bankverein bei Victorinox ein Taschenmesserchen in den Farben blau-weiss herstellen lassen, welches auf der Oberseite die Bezeichnung "Der echte Zürihegel" trug. Auf der Rückseite prangte der Name des Auftraggebers "Schweizerischer Bankverein", ebenfalls in blau-weiss. Da dieses Messerchen noch den alten Namen der UBS AG trug, muss das sicher vor 1998 gewesen sein. Das Messerchen dürfte an den Schaltern des Schweizerischen Bankvereins vermutlich als Geschenk an junge Buben abgegeben worden sein, wenn diese mit ihrem Mami am Schalter vorbei kamen, um den Inhalt des Sparsäulis auf das Jugendsparheft zu übertragen. Das ist aber nur meine ganz persönliche Vermutung. Wenn es jemand genauer weiss, möge er es doch der OGS melden. Vielen Dank.
Im Weiteren gab es in den 1940er Jahren auch ein kleines Modellflugzeug für den Hangflug, konstruiert von Arnold Degen, welches Freiflug-Segler Zürihegel hiess. Mehr siehe dort! Auch dieses Modell hatte nichts Grobes oder Derbes an sich, doch es war klein, eben wie das Taschenmesser und es wurde auch für die Jugend konstruiert und an den Zürcher Schulen in Ferienkursen gebaut. Dies alles zum Zürihegel.
Und nun zum Hegel ganz allgemein
Der Hegel, nicht aber der Zürihegel, war ein grobes, derbes Messer und hatte vor 1775 mit Zürich im Besonderen nichts zu tun, es war ein oberdeutscher Begriff und er wurde hauptsächlich im allemannischen Sprachgebiet verwendet, seltener im fränkischen und bayerischen. Die früheste Herkunft des Wortes im germanischen Sprachraum geht auf Althochdeutsch hag, hac zurück. Gemeint war hier nicht ein Lattenzaun, sondern eher eine Hecke. Es ist auch im Altsächsischen als hag, hago nachgewiesen, ebenso im Altenglischen als haga und im Altnordischen als hagi und bedeutete Umzäunung, Hag, Hecke, aber auch Haken. Jene Personen, welche damals Zäune bauten, flickten und pflegten wurden Hagilo oder Hegilo genannt, also: Einer der Zäune baut, ein Zaun-, Hagmacher oder Hagmann. In der Form Hagmann ist der Familienname auch in der Schweiz erhalten geblieben.
Aus dem Hagilo und Hegilo entstanden im Niederdeutschen die Rufnamen Hacco, Haak, Hagers, Hagel, Hagen sowie Nebenformen wie Hagbald, Hagebols, Hagebout usw. usf. Im Holländischen ist der Rufname Hagilo bis heute erhaltern geblieben. In Deutschland hat er sich hauptsächlich im niederdeutschen Sprachgebiet als Hagen gehalten. Hagen nannte man die Arbeit des Hagmachers. Der Begriff Hegel für Taschenmesser ist heute ausserhalb des allemannischen Sprachgebiets weitgehend unbekannt. Im Grimm'schen Wörterbuch wurde er noch erwähnt.
Der Hegel war ganz ursprünglich ein sehr derbes Messer und die Hagmacher waren Bauern. Diese waren aber nicht grob an sich, sondern es war in jener Zeit einfach nicht möglich, ein eleganteres Messer herzustellen. Es musste so grob und derb sein, damit es eine Zeit lang hielt. Es war auch nur die Arbeit an sich, die grob und derb war, nicht unbedingt der Bauer.
Die Deutung mit Grobian und Bauernlümmel war nur vereinzelten Menschen zugedacht. Sie galt nicht den Bauern schlechthin. Einzelne Grobiane und Lümmel hat es schon immer und überall gegeben, nicht nur bei den Bauern.
Im deutschen Bundesland Baden-Württemberg, wo häufig noch Allemannisch geschwätzt wird, ist der Familienname Hegel durchaus geläufig. Bekanntheit erlangt hat unter anderem der Philosoph Georg Wilhelm Hegel, 1770 - 1831.
Quellen: - Kluge, 24. Auflage, 2002, Seite 383 unter Hag - OGS-eigene - Brockhaus Lexikon, Band 9, 2001 - Zürichdeutsches Wörterbuch, 1968 - Schweizerisches Idiotikon, Band 2, Seite 1080 + 1081