OGS Seebach - Beitrag

Kümmelbrötchen
Gastronomie – Rezepte – historisch
Am Anfang war das Kümmelbrötchen

Kümmelbrötchen gibt es seit Alters her, also seit man Brot bäckt. Natürlich weiss man nicht so genau, seit wann das Kümmelbrötchen nach unserer heutigen Vorstellung hergestellt wird. Es wird sich im Laufe der Zeit zu dem entwickelt haben, was wir heute darunter verstehen. Kümmel ist aber ein sehr altes Gewürz und es wurde schon sehr früh verwendet. In Europa ist die Verwendung von Kümmel in den Speisen seit 5000 Jahren überliefert. Man konnte den Kümmel in den Speiseresten der Pfahlbauer nachweisen. Kümmel wird seit frühester Zeit auch im gesamten Mittelmeerraum geerntet oder sogar in eigenen Kulturen angepflanzt. Auch den alten Ägyptern, den Griechen und den Römern war er bekannt. Man unterscheidet mehrere Kümmelarten: Die wichtigsten sind der gewöhnliche, auch gemeiner, echter oder Wiesenkümmel genannt, der aus Europa stammt und der Kreuzkümmel aus Asien. Wer mehr darüber wissen will, wende sich an Wikipedia unter Kümmel oder Kreuzkümmel.

In den oben nicht erwähnten Ländern im übrigen Europa war der Kümmel vor allem bei den skandinavischen und den finno-ugrischen, bei den slawischen Völkern und bei den Niederländern sehr populär. Die Verbreitung in den übrigen europäischen Ländern ist unterschiedlich und scheint etwas den zeitlichen Modeströmungen unterworfen gewesen zu sein. Mal mochte man ihn, mal weniger. Heute herrscht gerade wieder eine Phase oder Mode, wo man sich stark an mexikanische und südostasiatische Gewürze klammert. Für Leute, welche diesem Trend folgen, gilt der Kümmel zurzeit als grossmütterlich und muffig.

Kümmelbrötchen waren früher auch deshalb sehr beliebt, weil sie eine willkommene Abwechslung zum normalen Brot bildeten. Manche Bäcker würzten sie zusätzlich noch mit grobem Meersalz. In den 1950er Jahren stand das Kümmelbrötchen in enger Konkurrenz mit dem Mohnbrötchen.

Kümmelbrötchen waren vor 50 Jahren ein Standard-Artikel in fast jeder Schweizer Bäckerei. Selbst vor 30 Jahren bekam man sie bei Coop St. Annahof in Zürich immer noch zuverlässig. Sie waren auch in Basel, in Chur, in Freiburg und bei der Migros Dübendorf usw. immer erhältlich.

Aus rein modischen Gründen sind sie innert recht kurzer Zeit bei fast allen Bäckereien und Grossverteilern aus dem Sortiment verschwunden. Allerdings nicht, weil sie nicht mehr gefragt waren, sondern allein, weil sie zu wenig gefragt waren. Viele Lebensmittelgeschäfte richten ihr Sortiment vor allem nach dem Umsatz ein. Läuft ein Artikel nicht mehr genügend, dann fällt er aus dem Sortiment. So wird die Wirkung der Mode zusätzlich verstärkt.

Kümmel ist gesund

Die augenblickliche Ess- und Kochmode ignoriert kurzerhand fast alle Gewürze, die nicht im Trend sind und meist auch die entsprechenden Gerichte, ganz unabhängig davon, dass der Kümmel eigentlich eine ganz wichtige Verdauungshilfe ist.

Kümmel war eines der ersten von den Menschen verwendete Gewürz und wurde auch als Heilmittel gebraucht, lange bevor Pfarrer Johann Künzle sein grosses Kräuter-Heilbuch schrieb. Er empfahl ihn vor allem gegen Blähungen und Leibschmerzen, doch war das schon seit Jahrtausenden bekannt. Wer mehr über die vielfältigen Heilwirkungen erfahren möchte, besuche die Website: www.zentrum-der-gesundheit.de/kuemmel.html

Die Köche benützten ihn früher, als sie noch eine wichtige Funktion beim Erhalt der Volksgesundheit spielen durften, als Verdauungshilfe vor allem bei Kohlgerichten, im Gulasch, im Kabissalat, auf der Zwiebelwähe, in Kutteln an Tomatensauce, auf Bratkartoffeln und als ganz besondere Delikatesse in der Cremolata zu den Kalbshaxen. Bei der Kümmel-Cremolata ist mir aufgefallen, das das Kümmelaroma unter dem Einfluss von Zitronenzeste und Knoblauch sehr stark in den Hintergrund tritt. Es gibt im Kanton Neuenburg die Weissweinsuppe, zu der man Käse-Kümmelstängel isst. Sie gilt in diesem Kanton als Spezialität.

Man findet ihn überall dort, wo er bei der Verdauung hilfreich sein kann.
Regelmässig eingenommen, vermeidet Kümmel oft den Reizdarm und fördert die Verdauung. Seine Wirkung beginnt schon im Magen. Zusammen mit viel frischem Wasser, regelmässiger Einnahme von Jogurt und Dörrpflaumen haben die meisten Leute für immer Ruhe. Allerdings wirkt Kümmel nicht auf einen Plotz, etwas Zeit muss man der Verdauung schon lassen, bis sie sich umgestellt hat.

- Bei den Bäckern fand man ihn in den Kümmelbrötchen und sogar eingebacken in richtigem Brot, ferner im Kümmelstängel und in der Basler Fastenwähe, einer Art Bretzel, die es bis heute auch im aargauischen Fricktal bei Coop gibt. Kümmelbrötchen waren auch in unseren Nachbarländern noch bis vor Kurzem sehr beliebt. Das richtige Kümmelbrot gibt es bis heute noch in Tschechien, wo man sich intelligenterweise nicht von den modischen, sondern von den gesundheitlichen Kriterien leiten lässt.

- Bei den Metzgern fand man ihn in der Kümmelwurst in Basel und Appenzell sowie als Saucisson au Cumin im Waadtland. Die Würste gibt es bis heute, wenn auch nur noch als Nischenprodukt.

- Beim Käser fand man ihn im Kümmelkäse in vielen Ländern Mitteleuropas, so etwa in Frankreich, den Niederlanden (Cümmeltje = Gouda mit Kreuzkümmel), Deutschland (Allgäuer Kümmelkäse), in Österreich, aber auch in der Schweiz.

- Die Apotheker kannten eine lange Liste von Kümmelprodukten, von denen heute fast nur noch der Kümmeltee eine gewisse Nachfrage aufweist.

- Sogar die Brenner benützten ihm zum aromatisieren des Schnapses oder zur Herstellung eines Likörs. Kümmelschnaps oder kurz Kümmel oder Aquavit genannt, ist besonders in Skandinavien, den Niederlanden und Deutschland sehr beliebt. Hier entfaltet der Kümmel seine Wirkung trotz des Alkohols oder vielleicht sogar gerade wegen ihm.

Das ging gute 350 Jahren lang gut, bis beim Essen und Kochen die internationale, meist kurzlebige Mode einzog. Über die Anwendung von Kümmel in den einheimischen Lebensmitteln findet man viele sehr gut recherchierte Berichte in der 5 Büchern von Paul Imhof, der sie unter dem Titel "Kulinarisches Erbe der Schweiz" publizierte. Dieses Werk ist jedermann zu empfehlen, der sich gerne ein Bild von der historischen Entwicklung der Küche in der Schweiz und im eng angrenzenden Ausland machen möchte. Mehr siehe unter Echtzeit-Verlag, Basel.

Der Koch könnte an sich viel dazu beitragen, dass alle den Kümmel mögen, wenn er ihn in den derzeit schwierigen Zeiten nicht als ganze Samen, sondern fein gemahlen oder kurz geschnitten ins Essen gäbe und zwar vor allem dort, wo auch Knoblauch und Zitrone zur Anwendung kommen. Meist geht sein starker Eigengeschmack dadurch im Gesamtaroma unter ohne aber seine Wirkung zu verfehlen, doch weil die Köche sich heute immer mehr der ständig ändernden Mode anpassen (müssen), bleibt der Kümmel eben meist auf der Strecke. Ich schreibe es zum wiederholten Mal: Offenbar nur in der Schweiz, denn in Deutschland mag man den Kümmel weiterhin, zumindest ein wenig.

Ein schönes Beispiel für die derzeitige Modeströmung ist das ungarische Gulasch. Obwohl alle Schweizer Köche einheitlich mit dem Kochlehrbuch und der Rezeptsammlung von Philip Pauli ausgebildet werden, wo der Kümmel für das Gulasch genau wie beim Original als Gewürz ausdrücklich erwähnt wird, erwartet zum Beispiel das neue Militärkochbuch, dass der solchermassen ausgebildete Koch im Militär den Kümmel weglässt. Erst kürzlich erfuhr ich von einem Koch, dass er nach der klassischen Anwendung von Kümmel in einem Gericht, von einem Restaurantgast deshalb gerügt wurde. Obwohl der Koch eigentlich in Ernährungslehre und Volksgesundheit sehr gut ausgebildet wurde, darf er wider besseres Wissen, keinen Kümmel mehr ins Essen geben, folgte er der Rüge des Gastes. Der erwähnte Koch liess sich aber zum Glück vom Gast nicht beirren.

Kümmelstängel

Das Aperogebäck Kümmelstängel wird bei der Bäckerei Kiefer in Lotzwil SO weiterhin hergestellt und gilt in dieser Gegend als Spezialität. Für Kümmelstängel, die in Deutschland weiterhin weit verbreitet erhältlich sind, finden sich im Internet viele Rezepte zum Selbermachen. Man kann sich also gegen die heutige Mode wehren. Kümmelstängel wurden bis etwa 2012, Irrtum vorbehalten, auch von Kambly angeboten. Heute gibt es diese nur noch als Salzstängel. Mit einem einfachen Trick kann man Kamblys Kümmelstängel weiterhin geniessen: Man kaufe eine Packung Kambly Flûtes mit Salz, fülle ein kleines Schälchen mit Kümmel, befeuchte den Zeigefinger mit der Zunge und nehme abwechselnd einen Bissen Salzstängel und lecke dann den Kümmel vom Finger. So schmeckt der Salzstängel wie ein Kümmelstängel.

Kümmel mögen die Leute nicht, meinte eine Filialleiterin

Spätestens um 2011 verschwanden auch die Kümmelstängel nach und nach fast überall aus dem Sortiment. Fragte man bei den Verkäuferinnen oder den Filialleiterinnen nach, so bekam man bestenfalls zur Antwort: Kümmel sei ein Gewürz, das viele Leute heute nicht mehr mögen und offenbar allein deshalb verbannte man das Brötchen und die Stängel aus dem Sortiment, ganz so als ob "viele Leute" alle Leute wären. Das ist doch das dümmste mögliche Argument. Ich mag die Steuern nicht, aber das Steueramt schafft man deshalb doch auch nicht ab.

Das Nachsehen hatten dann vor allem die älteren Menschen, welche sich von Jugend an an die Kümmelbrötchen und -stängel gewöhnt hatten und sie mochten oder die sich gesund ernähren wollten. So handelten offenbar noch viele andere Lebensmittelgeschäfte und leider auch Bäckereien, Käsereien, Metzgereien. Einzig der Apotheker kann noch mit einigen Produkten aufwarten, denn bei ihm glaubte man das Argument, wonach Kümmel gesund sei, wohl eher. Viele Geschäfte unterliessen es aber, für die Kümmelprodukte auch ein bisschen zu werben und Gegensteuer zu geben, denn in der gegenwärtigen Kochmode ist der Kümmel fast völlig tabu. Tröstlich immerhin: In den meisten Lebensmittelgeschäften erhält man den Kümmel wenigstens noch als Gewürz in den üblichen Döschen, bei Coop gibt es sogar noch eine grosse Dose. Bravo! Damit kann man die heutige Mode ausbremsen.

Um einiges intelligenter als der modische Mensch scheint der frei lebende Bär zu sein. Ihm ist unsere gegenwärtige Mode völlig egal. Er frisst die Kümmelpflanzen mit ganz besonderer Freude, vermutlich weil sie im Gegensatz zu seinem anderen Futter nach etwas schmecken.

Wo bekommt man heute noch Kümmelbrötchen?

In Zürich soll es noch mehrere Bäckereien geben, welche das Kümmelbrötchen führen. Fündig wurde ich vor vielen Jahren bei der Bäckerei Kern am Berninaplatz in Zürich-Örlikon. Für Seebacher, die das Brötchen lieben, ist der Weg zum Berninaplatz noch zumutbar. Wer etwas weiter weg wohnt, dem bleibt wirklich nur noch das Suchen nach einer näher gelegenen Bäckerei.

Die Bäckerei Amman in Unterstammheim ZH führt zudem einen eigenen Laden in der Dorfmitte von Unterstammheim ZH, wo man die Brötchen noch bekommt.

Alternativen

1. Wer keine Kümmelbrötchen auftreiben kann, hat folgende Möglichkeit: Man kaufe Tessinerbrot oder Silser Brötli, bestreiche die Scheiben oder die halbierten Brötchen mit etwas Butter und bestreue sie mit Kümmel. Siehe Foto nebenan.

2. Wer in einem Land wohnt, wo man noch richtiges Griebenschmalz bekommt (z.B. Deutschland, Österreich, Ungarn, Slowakei, Tschechien), kann sich die klassischen Schmalzbrötchen statt mit Paprika auch mit Kümmel bestreuen.

3. Bereiten Sie Ihre Gerichte mit Kümmel zu, so wie Sie das früher gelernt haben. Zum Beispiel Kümmelkartoffeln, Gulasch, Kabissalat, Zwiebelwähe usw.

4. Geniessen Sie fleissig Ihren Kümmel und kaufen Sie ihn immer am gleichen Ort. Dadurch sorgen Sie zumindest punktuell für steigenden Umsatz. Darauf reagieren die Lebensmittelgeschäfte wie der Bär auf den Honig.

5. Machen Sie es wie ich und fragen Sie immer wieder nach Kümmelprodukten! Steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein.

6. Erzählen Sie es allen Ihren Bekannten, wie gesund der Kümmel für die Verdauung sei. Viele Leute leiden heute an einer schlechten Verdauung. Etwas Kümmel täte ihnen also gut. So sorgen sie für steigende Nachfrage. Darauf reagieren die Lebensmittelgeschäfte wie der Bär . . . . . . . .

7. Die beste Lösung ist aber, wenn Sie lernen, Brot selber zu backen. Je nach Talent braucht das ein bisschen Geduld, doch es ist lernbar. Dann backen Sie die Kümmelbrötchen selber. In absehbarer Zeit, werde ich hier ein Rezept publizieren, wie Sie ein ganz normales Kümmelbrötchen selber backen können. Es folgt allerdings erst, wenn ich mit meinem Resultat 100%ig zufrieden bin.

8. Inzwischen liegt das Resultat vor: Semmeln nach Ihrem ganz persönlichen Rezept zubereiten. Man findet im Internet viele Varianten. Vor dem Backen die Semmeln mit einer Mischung von Eigelb und Kaffeerahm bepinseln und mit Kümmel bestreuen und eine halbe Stunde in den Kühlschrank stellen. Danach die Semmeln im Backofen bei 210° C ausbacken, gemäss ihrem eigenen Rezept.

Der Beitrag wurde letztmals am: 11.2.2023 nachgeführt.

Quellen:
- OGS-eigene
- Wikipedia, unter Kümmel
- www.zentrum-der-Gesundheit.de/kuemmel.html
- Kulinarisches Erbe der Schweiz, Band 1 bis 5
- Alimondi-Kochstudio, Coop-Zeitung, 8.2.2023, Fastenwähe

Kümmelarten (2016)

Die beiden wichtigsten Kümmelarten finden sich auch in meinem Gewürzgestell: Der Kreuzkümmel und der gewöhnliche oder Wiesenkümmel. Der Kreuzkümmel findet Anwendung beim Chili con Carne und in vielen Gerichten der Cajun-Küche.

Kümmelbrötchen (2016-A)

Hier sieht man das Ergebnis bei einem Versuch, mit einem gekauften Semmeli, Eigelb und Kümmelsamen ein Kümmelbrötchen herzustellen. Es war immerhin essbar und schmeckte nach Kümmel. Doch die Oberfläche wirkte auf der Zunge gummig.

Kümmelbrötchen (2016-B)

Das Kümmelbrötchen des Rösslibecks in Amriswil TG. Die Bäckerei liefert die gewünschten Brötchen auf Vorbestellung recht speditiv. Sie erfüllt natürlich auch andere Sonderwünsche.

Kümmelbrötchen (2016-C))

Auch das Silser Brötchen eignet sich zum Bestreichen mit Butter und Bestreuen mit Kümmel. Die drei Aromen harmonieren gut.

Kümmelbrötchen (2016-D)

Dies ist meine heutige Alternative zum Kümmelbrötchen: Eine Scheibe Tessinerbrot mit Butter bestrichen und mit Kümmel bestreut.

Kümmelkartoffeln (2016)

Rohe Katoffelscheiben (5 mm dick), gesalzen und mit Kümmel bestreut und auf niedriger Stufe in der Teflonpfanne in Bratbutter (Butterschmalz) gebraten.

Kümmelkäse (2016)

Ausser Kümmelbrötchen gibt es auch Kümmelkäse, nicht nur in Frankreich, Holland und Deutschland, sondern auch in der Schweiz. Es gibt Appenzeller Kümmelkäse, Solothurner Kümmelschmelzkäse (Foto) und viele weitere mehr.

Kümmelstängel (2017)

So sieht die Packung mit den Kambly-Salzstängeln aus. Ich habe sie bei Coop gefunden, doch gibt es diese sicher auch noch anderswo, nur die gleich verpackten Kümmelstängel findet man seit etwa 2016 nirgends mehr.

Kümmelstängel (2017)

Das Schälchen zum Auftupfen des Kümmels mit den angefeuchteten Zeigefinger.

Kümmelwurst (1977)

Diese Basler Kümmelwürste gibt es auch heute noch bei einigen Metzgereien. Sie gleichen äusserlich dem Cervelat, schmecken auch sehr ähnlich, aber eben zusätzlich noch nach Kümmel.

Kümmelwurst (2016)

So sieht die Appenzeller Kümmelwurst aus.

Kümmelwurst (2016)

Dies ist die Etikette einer Appenzeller Kümmelwurst, erhältlich bei Coop Ostschweiz.

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