Eine ganz andere Art der Erschliessung hätte dem Leutschenbachgebiet gedroht, wenn die Pläne eines Projektes aus den Jahren 1915-1918 realisiert worden wären, welches sich «Hochrheinschifffahrt Glatt-Linth» nannte. Vorgesehen war, dass die Schiffe über den Rhein bis nach Klingnau und von dort über Baden nach Altstetten und Wollishofen in den Zürich- und über die Linth bis zum Walensee hätten gelangen können. Von Altstetten hätte es eine Abzweigung nach Wipkingen mit einem Hebewerk und einem Tunnel nach Örlikon gegeben, von wo aus verschiedene Hafenbecken in Wallisellen, Dübendorf, Opfikon, Schwamendingen, ÖRlikon und Seebach erreichbar gewesen wären. Um die Limmat, den Tunnel und das Hebewerk zu entlasten, wären die Schiffe ab Glatttal in Richtung Basel direkt über die Glatt nach Glattfelden in den Rhein geleitet worden. Dazu hätte es entlang der Glatt einige Schleusenwerke gebraucht.
Verbindung zum Limmattal
Der Verbindungskanal vom Glatttal ins Limmattal wäre neben dem Hafenbecken auf Seebacher Boden am Kleinbühl vorbei unter der Bühlwiesenstrasse sowie unter der Schaffhauserstrasse ins Eggbühl zu den Jungwiesen und dann bereits auf Örliker Gebiet hinter der Werkzeug-Maschinenfabrik Bührle in einem Tunnel (!) nach Wipkingen geführt worden. Von dort wäre über ein paar Schleusen oder ein Hebewerk ein weiterer Hafen in Altstetten erreichbar gewesen, mit einem Anschlusskanal nach Wollishofen. So hätten die Lastkähne über den Zürichsee und die Linth bis zum Walensee fahren können!! Wer mehr Details wissen will, findet diese im Jahrheft 2002 von Schlieren, Seite 43-44! Informationen darüber findet man auch im Walliseller Ortsmuseum.
Die Geschichte mit den Silos
Bei diesem Projekt soll der Seebacher Sekundarlehrer Fritz Fischer irgendwie involviert gewesen sein, sodass er voller Begeisterung seinen Schülern Zeichnungen und Pläne zeigte, in welchen man Seebach, den Hafen und zahlreiche Silos gesehen habe. Wegen diesen Getreidesilos soll Fritz Fischer zu seinem Übernamen «Silo» gekommen sein und nicht etwa wegen seiner stattlichen Körperlänge! Das wusste noch Hans Rathgeb zu berichten. Den Übernamen «Silo» wurde er sein Leben lang nicht mehr los.
Seltsame Hafenbezeichnung
Dass die Projektverantwortlichen vielleicht etwas von Schiffen verstanden, muss angenommen werden. Für die bestehenden Gemeindegrenzen interessierten sie sich aber nicht, denn sie nannten das Ganze «Hafenanlage Zürich-Örlikon». Zumindest die Hafenbecken wären alle auf Opfiker, Schwammendinger, Örliker, Seebacher und Walliseller Boden gelegen, wenn man alle Projektvarianten zugrunde legt. Örlikon wäre nur am Rande betroffen gewesen. Vertieft man sich aber ein bisschen in die Seebacher Geschichte, dann wird rasch klar, dass Zürich und Örlikon seinerzeit einen exzellenten Weltruf als bekannte Industriestädte hatten, während Seebach, Opfikon, Schwamendingen, Dübendorf und Wallisellen wegen ihres geringeren Bekanntheitsgrades keinen attraktiven Namen hergegeben hätten. So operierte man mit dem zugkräftigeren Namen und sprach von der bereits erwähnten «Hafenanlage Zürich-Örlikon», die richtigerweise eher «Hafenanlage Zürich-Glatttal» hätte heissen sollen.
Walliseller Hafen
Dass das Hirngespinst damals offenbar in der ganzen Gegend herum schwirrte, belegt ein Artikel im «Tages-Anzeiger on line» vom 31. Januar 2009 und in der «Züri-Rundschau» vom 30. Januar 2009. Albert Grimm vom Ortsmuseum Wallisellen berichtete detailliert über das Projekt, wobei er als Walliseller speziell jene Projekte beschrieb, welche Wallisellen tangierten. Dennoch konnte man auf seinen Plänen sehen, dass eigentlich stets alle fünf Gemeinden betroffen waren. Da vernahm man, dass die Hafenanlage Zürich-Örlikon auch einen Walliseller Ableger hätte erhalten sollten, welcher sogar noch 3 Jahre früher geplant war, als das Seebacher Projekt.
Im «Tages-Anzeiger on line» war dazu folgendes zu Lesen: «Dazu zählt auch ein Vorschlag aus dem Jahr 1915. Im mittleren Glatttal, wo heute das Glattzentrum steht, sollte ein grosser Schifffahrtshafen gebaut werden. Ein Wassertunnel zwischen Höngg und Seebach hätte die schiffbaren Abschnitte der Glatt und der Limmat verbunden. Albert Grimm spricht von einer «Horrorvision», angesichts der Kohlenberge und der rauchenden Schlote der Schwerindustrie vor den Toren Wallisellens. Der Standort sei damit begründet worden, dass man der Stadt Zürich im Gegensatz zum Glatttal nicht so viele Abgase hätte zumuten können. Wechselausstellung im Ortsmuseum Wallisellen, Vernissage, 1. Februar 2009, 14.30 Uhr. Museum von 13.30 bis 16.30 Uhr geöffnet. Broschüre zur Ausstellung, 62 Seiten, 20 Fr.»
Dass in Richtung Wallisellen weitere Hafenanlagen geplant waren, kann man auf der Planzeichnung des «Jahrhefts Schlieren 2002» auf den Seiten 44-45 indirekt entnehmen, indem dort bei Oberhausen eine weitere Abzweigung gerade noch erkennbar ist. Die OGS hat sich erlaubt, der Fantasie etwas freien Lauf zu lassen und hat auf einer alten Landkarte aus jener Zeit die Fortsetzung nach Wallisellen mit zwei Hafenbecken so eingezeichnet, wie es aus Platzgründen vermutlich möglich gewesen wäre. Auf den Plänen aus Wallisellen sieht man dann aber noch weitere Hafenbecken in Örlikon, Schwamendingen und sogar im Neugut.
Woher mit dem Wasser?
Nachzutragen wäre noch, dass die Planer ihre Fantasien offenbar ohne Berechnung des Wasserbedarfs gemacht haben, denn für die Schleusen von Wipkingen zum Hafen Altstetten hinunter sowie vom Rhein bei Eglisau bis Oberhausen hinauf wäre ein Mehrfaches an Wasser nötig gewesen, als die Glatt im Oberhauser Ried zur Verfügung hätte stellen können. Man wäre also gezwungen gewesen, zusätzliches Wasser von der Limmat her in die Hafenanlage zu pumpen, was der Rentabilität der Hafenanlage sicher nicht förderlich gewesen wäre. Ins Auge gefasst wurde auch, den Greifensee um einen Meter aufzustauen, um so im Bedarfsfall eine Notwasserreserve zu haben, dies erwähnte Sekundarlehrer Fritz Fischer seinerzeit gegenüber seiner Schulklasse. Dieser Aufstau hätte zur Folge gehabt, dass der Greifensee fast einen km² grösser geworden wäre.
Eine vertiefte Überprüfung der verschiedenen Projekte lässt dann folgenden Schluss zu: Der zusätzliche Wasserbedarf für die Hafenanlagen wäre wohl über die Schleusenanlage bzw. das Hebewerk in Wipkingen aus der Limmat bezogen worden, indem mit jedem hoch gehobenen Schiff zugleich eine grössere Wassermenge 'mitgeliefert' hätte werden müssen. Daher war für die Glattschifffahrt die Verbindung nach Wipkingen so wichtig. Dabei wären die Schiffe von Basel nach dem Glatttal grundsätzlich über die Limmat und das Hebewerk Wipkingen geleitet worden, während die Schiffe vom Glatttal nach Basel den Weg über die Glatt genommen hätten. Diese Projektvariante kam ohne Greifensee-Aufstauung und auch ohne ein Pumpwerk aus und hätte für die Glatt den Einbahnverkehr gebracht, bei dem es kein Kreuzen von Schiffen gegeben hätte.
Epilog
Das Projekt in der oben beschriebenen Form wurde nach 1936 nicht mehr weiter verfolgt. Der jüngste Hinweis zu diesem Projekt ist datiert mit 25. Juni 1936. 1950 kippte der Bundesrat die Limmat, die Linth und die Glatt aus dem Projekt der Hochrheinschiffahrt. Weiter verfolgt wurde nun nur noch die Schiffbarmachung des Rheins bis zum Bodensee. Auch dieses Projekt wurde dann im späteren letzten Jahrhundert auf Eis gelegt.
Am Donnerstag, den 27. Mai 2010 hielt anlässlich der GV des Ortsgeschichtlichen Vereins Örlikon Albert Grimm einen Vortrag über das Projekt «Flussschifffahrtshafen bei Wallisellen 1915», in welchem er vertieft auch auf die Details zu diesem Projekt einging.
Quellen: - Jahrheft von Schlieren 2002, 43-44 - Hans Rathgeb - OGS-eigene - Tages-Anzeiger on line 31.1.2009 (mit obiger Foto von Wallisellen) - Züri Rundschau, 30.1.2009 (ebenfalls mit obiger Foto von Wallisellen) - Dissertation von Rudolf Steiner aus Rheinfelden zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophie, Juli 2005 (Hinweis zu Limmat, Linth und Glatt)
So ungefähr müsste man sich die geplanten Hafenanlagen in Örlikon/Seebach und Wallisellen vorstellen. Die Seebacher Anlage fusst auf Plänen, die Walliseller Anlage ist eine Annahme der OGS. Viel Platz für eine andere Anordnung hätte es kaum gegeben.
Bis die Originalzeichnungen von Sekundarlehrer Fritz Fischer aufgefunden sind, hat die OGS stellvertretend eine eigene zeichnerische Darstellung des geplanten Seebacher Hafens angefertigt.
Diese Skizze des Ortsmuseums Wallisellen zeigt eine Projektvariante mit der Lage des Walliseller Hafens. Ferner ist auch hier ein Hafenbecken auf dem Grund von Opfikon, Seebach und Örlikon eingezeichnet.
Auf dieser Projektvariante sieht man für Örlikon, Schwamendingen und Dübendorf ein Hafenbecken und für Wallisellen, Opfikon und Seebach gleich mehrere Becken. Ferner ist auch der Bahnanschluss durch eine Rundstrecke sichergestellt.