OGS Seebach - Beitrag

Geschwister Schlegel
Vereine, Kirchen – Musik – historisch
Die Geschwister Schlegel waren eine Seebacher Musikantengruppe, welche seit den späteren 1930er Jahren und bis etwa 1950 nebenberuflich an den Wochenenden und seltener auch unter der Woche abends in Restaurants zum Tanz aufspielten. Überliefert sind auch Auftritte im Restaurant Landhus Seebach, ferner im März 1945 im Zürcher Kongresshaus zusammen mit Eddie Brunners Original Teddies. Dieses zeigt, dass die Geschwister Schlegel einen gewissen Bekanntheitsgrad hatten. Ferner ist ein Auftritt im thurgauischen Mammern und Steckborn vom 5.11.1946 nachgewiesen sowie die Auftritte vom Juli 1946 an vier Orten im Zurzibiet, zwei Auftritte in Bülach ZH, einer im Hotel Vogel in Klingnau AG vom 7.6.1947 und einer in Wohlen AG.

August Widmer von der Lokalzeitung "Botschaft" in Döttingen übermittelte der OGS-Seebach den nachfolgenden Bericht und wollte wissen, ob man in Zürich-Seebach mehr über diese Geschwister Schlegel wisse. Leider habe ich damals, als ich meine Seebacher Ortsgeschichte zusammenstellte, von dieser Musikgruppe nichst mitbekommen, sodass sie in der OGS-Seebach bis 2021 unerwähnt blieb.

Hier der Bericht von August Widmer:

"Die Geschwister Schlegel aus Zürich-Seebach waren vor 75 Jahren die grosse Attraktion auf den Bühnen. Zumindest auf denen des Zurzibiets. Denn die sechs Geschwister, eine Frau und fünf Männer, traten in der zweiten Juli-Woche gleich an vier Orten in der Region auf. Los ging es in Döttingen im Saal des Rest. Bahnhof. Am Mittwoch, den 10. Juli folgte eine Aufführung im Rest. Löwen in Untersiggenthal. Darbietungen im Sonnensaal in Lengnau und im Gemeindesaal in Rekingen machten den Abschluss. Im Inserateteil der Botschaft wurde mehrmals auf die Auftritte hingewiesen und schlagkräftig dafür geworben. «Prächtiges Gastspiel der in ihrer Vielseitigkeit unübertroffenen sechs Geschwister Schlegel» hiess es im Botschaftsinserat vom 8. Juli 1946. Ein Jahr nach dem Zweiten Weltkrieg nahm man es mit dem Eintrittspreis noch nicht so genau: «Lueged zerscht. G'falls eu recht guet, dann schpendet», hiess es im Inserat dazu. Vorstellungen über die Höhe der Eintrittspreise hatte man allerdings: «Fr. -.95 für Reise- und Transportspesen, kant. Patent, Reklame, usw., Fr. -.55 für Arbeitslohn für alle sechs Geschwister, macht Fr. 1.50». Für «ganz schöni Platz» durfte man auch Fr. 2.00 geben. Das Inserat war teilweise in der Schriftsprache, teilweise in Dialekt geschrieben. Dass der Dialekt kein Zufall war, geht aus der «Botschaft» vom 10. Juli 1946 hervor, wo über den Auftritt in Saal des Restaurant Bahnhof in Döttingen berichtet wird. «Der grosse Saal war schon lange vor Beginn der Aufführung vollständig ausverkauft», heisst es da. Viele Besucher hätten keinen Platz mehr gefunden und hätten abgewiesen werden müssen. Gemäss Botschaft war das Volkstümliche die Domäne der Geschwister Schlegel. Deshalb wohl auch die Abfassung des Inserates zum Teil in Schweizerdeutsch. «Schon mit der ersten Nummer des Programms, Grüezi, Grüezi, ward die ganze Zuhörerschaft in vollen Bann versetzt», berichtet die Lokalzeitung. Vielseitig scheinen die Geschwister tatsächlich gewesen zu sein. Sie spielten nämlich etliche Instrumente wie Klavier, Trompete, Saxophon, Posaune, Klarinette, Handorgel und Xylophon. Auch das «Schwyzerörgeli» fehlte nicht. Die Zeitung ist voll des Lobes über den Auftritt der Geschwister aus Zürich-Seebach: «Alle Darbietungen waren einzigartig und die Szenerie mit dem Jungfraumassiv trug wesentlich zur Verschönerung der Veranstaltung bei». Dass die Darbietung positiv dargestellt wurde, hatte auch damit zu tun, dass nach dem Auftritt in Döttingen noch drei Vorstellungen in den nächsten Tagen im Zurzibiet auf dem Programm standen. Mit dem Bericht wurde ja kräftig noch für diese drei Anlässe geworben. Aber die Geschwister Schlegel trafen den Publikumsgeschmack. Ihre Darbietungen waren ganz im volkstümlichen Stil gehalten. Sie trafen kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges den Stil der heimatverbundenen Schweiz und auch des Zurzibietes, das damals noch landwirtschaftlich geprägt war. Darbietungen und Lieder zum «Chüertanz», zum Sennenball und zur Alpfahrt fehlten ebenso wenig wie Fahnenschwingen und Jodel. Bodenständiger Humor und satirische Witze gehörten gemäss dem Bericht auch zum Programm. «Alle Darbietungen fesselten die Zuhörerschaft», kommentierte die Botschaft. Die Darbietungen im Zurzibiet wurden für die Geschwister Schlegel und für die Wirtefamilien, die hinter den Gastspielen standen und damals die fast in jeder Wirtschaft vorhandenen Säle mit solchen Anlässen füllten, zum Erfolg. Offen ist 75 Jahre später einzig noch die Frage, ob die Geschwister Schlegel so berühmt waren, wie später das Trio Eugster oder die Geschwister Biberstein."

August Widmer erwähnte weiter noch, dass es bei den Suchmaschinen im Internet zu den «Geschwistern Schlegel» heute nichts mehr zu finden gibt.

Durch Zufall habe ich inzwischen mehr in Erfahrung bringen können, indem ich ohne es zu ahnen mit einer früheren Schulkameradin namens Elsbeth Schlegel vom Schulhaus Kolbenacker aus der Zeit um 1955 ein Telefongespräch führte und dabei erfuhr, dass sie eine Tochter eines der oben genannten Geschwister ist. Sie wusste noch folgendes zu erzählen:

Die Familie Schlegel stammt aus dem Thurgau. Ihr Grossvater Hans Schlegel betrieb in Etzwilen TG ein Restaurant mit Kegelbahn und zwar direkt beim Bahnhof, welcher damals noch ein wichtiger Umsteigeplatz für SBB-Fahrgäste war. Es kreuzten sich dort die Bahnlinien von Schaffhausen nach Kreuzlingen/Konstanz sowie jene von Singen D nach Winterthur. Die Fahrgäste mussten in Etzwilen also umsteigen, wenn sie nach Winterthur, Schaffhausen oder Kreuzlingen/Konstanz weiterfahren wollten. Das bescherte dem Bahnhof ein reges Treiben und manch einer, der es nicht so eilig hatte, besuchte das Bahnhofrestaurent des Hans Schlegel. Die dort heute noch vorhandenen 6 Gleise verraten den früher einmal regen Verkehr. Leider liess später der Umsteigeverkehr nach und der Betrieb des Restaurants rechnete sich nicht mehr. Das Restaurant existierte aber 2020 immer noch, samt der Kegelbahn.

Daher zog Hans Schlegel damals weg und kam dann über Kloten und Glattbrugg nach Seebach an die Oberhausenstrasse 34 + 36, wo er im Jahre 1911 ein grosses Mehrfamilienhaus errichtete, siehe Foto nebenan! Hans Schlegel hatte vier Söhne namens Albert, Erwin, Otto und Ernst. Gemäss Frau Alice Schlegel, der Witwe von Ernst Schlegel, heirateten alle vier Kinder und lebten mit ihren Familien in dem Doppelhaus. Dies bestätigte auch seine Enkelin Elsbeth Schlegel, spätere Schwarz. Es waren dann diese vier Kinder, die dann in den späten 1930er Jahren die Musikantengruppe "Die 6 Geschwister Schlegel" bildeten. Welche Verwandschaftverhältnisse der 5. Musiker hatte und wie er hiess, muss ich noch abklären, denn es gab da noch einen Hermann Schlegel, Drogist sowie einen weiteren Hermann Schlegel-Fuchs, Metzger. Die 6. und einzige weibliche Musikerin der Gruppe hiess Elsa. Diese wurde von Alice Schlegel nicht erwähnt, wohnte aber gemäss Adressbuch im Doppelhaus. Auch das werde ich noch genauer abklären.

Ganz offensichtlich hat der Vater dafür gesorgt, dass alle Kinder ein Musikinstrument beherrschten, teils sogar mehr als eines. Die Musikentengruppe wurde organisatorisch von Tibor Kasic unterstützt, welcher bei der Organisation der Auftritte behilflich war. Tibor Kasic, geboren in Budapest am 28. Dezember 1904, kam in den frühen 1930er Jahren nach Zürich und amtete beim Kabarett Cornichon, war Kapellmeister am Stadttheater Zürich, musikalischer Leiter am Schauspielhaus Zürich sowie Programmgestalter, Komponist, Pianist und Bandleader beim Schweizer Radio und beim Fernsehen und so ganz nebenbei half er auch den Geschwistern Schlegel, die Auftritte zu organisieren.

Es ist ferner noch bekannt, dass die Geschwister Schlegel auch in die USA hätten reisen sollen, wo man Interesse an einem Auftritt hatte. Die Vorbereitungen wurden 1938 in Angriff genommen, doch vereitelte der Ausbruch des 2. Weltkriegs im darauf folgenden Jahr diesen Plan. Es sei nochmals betont: Die Geschwister Schlegel traten meist nur an Wochenenden auf und waren unter der Woche berufstätig. Bald nach 1950 wurden ihre Auftritte seltener. Die Frage von August Widmer, ob die Geschwister Schlegel so bekannt waren wie das Trio Eugster kann man so beantworten: Dass sie heute nur noch ganz vereinzelt bekannt sind lag einfach daran, dass sie nicht professionell musizierten. An der Qualität ihrer Musik und an ihren Auftritten tut das keinen Abbruch.

Dieser Beitrag wird nun von Elsbeth Schwarz-Schlegel noch durchgelesen und erfährt vermutlich noch die eine oder andere Ergänzung und Korrektur.

Quellen:
- August Widmer (2021)
- Herbert Schwitter (fand einige Inserate und einen Zeitungsbericht aus jener Zeit)
- Elsbeth Schwarz-Schlegel (2021)
- Alice Schlegel (2002), überliess mir die Luftaufnahme des Hauses
- Historisches Lexikon der Schweiz (Angaben zu Tibor Kasic)

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