OGS Seebach - Beitrag

Berger Saturn (Fesselflugmodell)
Luftfahrt – Modellflug – aktuell
Vorgeschichte

Hans Berger beschritt mit dem Bau eines Fesselflugmodells für seine Tochter Heidi im Jahr 1944 zumindest in der Schweiz Neuland, denn es ist nicht anzunehmen, dass er ihr ein freifliegendes dieselmotorgetriebenes Modellfugzeug baute. Solche Flugmodelle entflogen damals sehr oft und sehr weit entfernt vom Startort oder landeten an unzweckmässigen Orten, wo sie fast nicht mehr aufzufinden waren. Für ein so kleines Mädchen wäre das eine Zumutung gewesen. Doch ausser einem Wurfgleiter waren im Prinzip alle Flugmodelle in diesem Alter ungegeignet. Den Fesselflieger hat er wohl eher für sich gebaut mit dem Nebeneffekt, dass die kleine Heidi immerhin fasziniert zuschauen konnte, während er das Modell bediente.

Fesselflug garantierte immerhin, dass man sein Flugmodell immer in seiner Nähe hatte, doch Fesselflug war in der Schweiz um 1944 noch ein Hobby, wo es erst ein paar ganz wenige Pioniere gab. Der Fesselflug wurde damals durch den Amerikaner Neville Jim Walker ab etwa 1940 von den USA aus propagiert, doch wurde er wegen des 2. Welkrieges in Europa nur sehr schwach wahrgenommen. Der hier beschriebene 'Berger Saturn' ist der Versuch, Heidi Bergers erstes Fesselflugmodell von 1944 zu rekonstruieren. Heidi Berger wurde später bekannt als erste Schweizer Helikopterpilotin. Mehr dazu siehe unter Berger, Heidi, erste Schweizer Helikopterpilotin! Ihr Vater hat das Modell in der Aero-Revue von November 1991 kurz erwähnt, doch leider keine weiteren Angaben gemacht.

Um nun den interessierten Lesern aufzuzeigen, wie die Fesselflugmodelle in den 1940er Jahren aussahen, beschloss ich, ein solches Modell nachzubauen. Dabei habe ich mich stark an die Bauweise meines früheren, inzwischen leider verstorbenen Modellflugkollegen Jürgen Rüsch gehalten, der noch ein paar Jahre älter war als ich und dessen Modelle auch noch mehr jenen aus den 1940er Jahren glichen, als die meinen. Es waren meist aus Sperrholz aufgebaute Silhouetten-Modelle mit Kleinstdieselmotoren, meist solchen aus England.

Bezeichnung des Modells

Das Original hatte sicher einen Namen, da Hans Berger vermutlich einen Bausatz erwarb. Sollte es aber ein Eigenbau gewesen sein, ist es schlicht unmöglich, herauszufinden, wie sein Modell damals aussah. Daher stellt mein Nachbau lediglich ein Versuch dar, sich dem unbekannten Original einigermassen anzunähern. Obwohl das nun vorliegende Modell im Prinzip meiner Fantasie entsprang, ursprünglich aber Hans Bergers Idee war, habe ich es nach ihm benannt und dem Modell den Zusatz 'Saturn' gegeben, da Hans Berger für seine Erzeugnisse gerne auf attraktive Namen aus der Sternkunde zurückgriff. Ich stehe da nicht im Vordergrund.

Die Besonderheiten eines Fesselflugmodells

Das schräg angeordnete Seitenleitwerk ist neben der Zentrifugalkraft eine zusätzliche aerodynamische Hilfe, damit auch leichtgebaute, kreisende Modelle immer nach aussen drängen. Das sorgt dafür, dass die Steuerdrähte immer schön gespannt bleiben. Nur so bleibt das Modell steuerbar. Um sauber fliegen zu können, sollte das Modell weder kopf- noch schwanzlastig sein und das bedeutet, dass vor dem Start geprüft werden muss, ob es sauber im Schwerpunkt liegt. Beim vorliegenden Modell kann der Motor bis zu 1 cm weiter vorne oder weiter hinten festgeschraubt werden. Da der Motor immerhin 40 g wiegt, kann damit der Schwerpunkt leicht angepasst werden. Der Drehpunkt des Steuerdreiecks muss immer im Schwerpunkt des Modells liegen und dieser liegt in aller Regel bei einem Drittel der Flügeltiefe, dann ergibt sich ein neutrales Flugverhalten. Damit das Modell rasch auf Steuerausschläge reagieren kann, muss die Fläche des Höhensteuers genügend gross sein und das Ruder muss nach oben oder unten steil gestellt werden können. Der Treibstofftank sollte etwa so gross sein, dass der Treibstoff für 3 Minuten Flug reicht. Bei einem 1-ccm-Motor sind das etwa 10 ml. Wer länger fliegen will tankt mehr. Für einfachen Fesselflug nur mit etwas Steigen und Sinken und für langsamen Flug für Anfänger oder zum Üben ist ein Clark Y-Flügelprofil zweckmässig. Für Loopings eignet sich ein symmetrisches Profil besser.

Vollendung des Modells

Da dieses Modell sehr einfach aufgebaut ist, benötigte ich nur ein paar Stunden Arbeit, um es noch im Februar 2023 fertigzustellen. Von alten ausgemusterten Fesselflugmodellen habe ich stets die weiter brauchbaren Teile aufbewahrt, sodass ich einige Teile nun wiederverwenden konnte. Das hat den Bau erheblich beschleunigt. Weil ich aber in meiner kleinen Sammlung von alten Dieselmotoren keinen Motor mit 0.5 bis 1 ccm Hubraum fand, benütze ich als Antrieb vorerst einen Glühzünder Cox 049 mit 0.83 ccm Hubraum, welcher nur geringfügig zu gross ist und leistungsmässig wenigstens einigermassen dem Dieselmotor von Hans Berger entsprach. Das nun entstandene Modell ist nicht primär zum Fliegen gedacht, sondern dient ausschliesslich der Anschauung, da ich mit meinem Alter von rund 80 Jahren besser keinen Fesselflug mehr betreibe und weil der Motor zuerst noch eine Auffrischung bräuchte, denn das rote Plastikteil mit dem Vergaser, wie es von Cox damals verwendet wurde, war nicht für die Ewigkeit gedacht und ist inzwischen spröde geworden. Dieses werde ich aber noch irgendwo auftreiben, da es nachproduziert wurde. Im Moment habe ich das Teil mit "Uhu plus" etwas 'gestärkt'. Für später hoffe ich, noch einen kleineren und leichteren Dieselmotor aus den 1940er Jahren mit 0.5 ccm Hubraum zu finden. Schon in den nächsten Tagen werde ich die passenden Steuerdrähte einabuen, sodass das Modell damit vorerst vollendet ist.

Änderungen gegenüber dem Original von Hans Berger

Da ich sein Modell nie sah, aber davon ausgehe, dass er einen Bausatz kaufte, konnte ich mich immerhin an der Bauweise der 1940er Fesselflugmodelle orientieren. Damals verwendete man oft die Variante 'Silhouettenmodell', das heisst, man benützte ein gewöhnliches Sperrholzbrettli als Rumpf, dem man von der Seite her gesehen die Form eines bekannten Flugzeugtyps gab. Trotz antiker Bauweise mit Flugzeugsperrholz ist ein ziemlich leichter Nachbau entstanden, da ich am schweren Rumpf ein paar Aussparungen ausgesägt habe, welche das Gewicht um 20 g reduzierten. Diese Methode hat auch noch Jürgen Rüsch in den frühen 1950er Jahren angewendet. Welchen Motor Hans Berger seinerzeit benützte, kann heute nicht mehr rekonstruiert werden, da es schon damals zahlreiche Hersteller solcher Motoren gab, oft waren es britische Firmen wie Frog, PAW usw. Ob Frog schon 1944 seinen Frog 50 anbot, konnte ich bis jetzt noch nicht ermitteln. Meine ältesten Unterlagen stammen von 1952. Nebst Frog und PAW gab es auch Kleinstdiesel aus Deutschland.

Hans Berger baute das Modell für Heidi im Jahre 1944, also noch während des Krieges. Sein Modellbausatz muss folglich trotz Krieg den Weg in die Schweiz gefunden haben, ebenso wie der Motor.

Technische Daten des 'Berger Saturn' mit Cox-Motor

Spannweite: 44.5 cm
Flügeltiefe: 12.5 cm
Länge: 50 cm
Flügelfläche: 5.56 m²
Leitwerkfläche: 1.87 dm²
Gesamtfläche: 7.43 dm²
Gewicht, trocken: 190 g
Flächenbelastung: 25.58 g/dm²
Antrieb: 0.83 cm³ Cox 049 Glühzünder mit 0.125 PS Leistung
Propeller: Top Flite Nylon 2-Blatt 14.8 x 6 cm
Drehzahl: bis 18'000 U/min
Flugzeit: gute 3 min
Tankinhalt: 22 ml
Treibstoff: Cox Thimble Drome/Graupner Titan G/oder aktuelle Mischung aus Methanol, Rizinusöl und Nitromethan

Die Fotos zum Berger Saturn

Die ersten paar Fotos vom Modell sind inzwischen erfasst. Weitere Bilder folgen, sobald ich am Modell weitere Verbesserungen eingebaut habe. Als nächstes folgen eine Foto vom Tank und die Montage der Steuerdrähte. Wohl noch eine Weile wird es dauern, bis ich einen 0.5 ccm-Kleinstdiesel aus der Zeit um 1944 gefunden habe.

Der Beitrag wurde am 27.2.2023 letztmals nachgeführt.

Quellen:
- eigene

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