OGS Seebach - Beitrag

Iris, Tea Room
Gastronomie – Tea Room – historisch
Der Tea Room wurde 1951 eröffnet und befand sich an der Schaffhauserstrasse 412 (1951, 1954, 1960) und zwar an der Ecke Schaffhauserstrasse / Eisfeldstrasse, nebenan das Zigarrengeschäft Vetter. Es war ein Neubau, welcher anstelle der alten Wartburg errichtet wurde. Inhaber des Tea Romms war 1951 Jacques Kränzlin. Dieser schreibt, dass bereits sein Onkel Hans im Jahre 1920 im Haus zur Wartburg ein Café geführt habe. Jacques Kränzlin wollte wieder an diese alte Seebacher Tradition anknüpfen und plante mit seinem Onkel Dr. Gerhard Kränzlin diesen Neubau, welcher von der Gestaltung im Innern auch neue Massstäbe setzte. Sein Onkel verstand davon etwas, denn er war der Inhaber des Cafés Kränzlin in St. Gallen, welches es heute nicht mehr gibt. Es befand sich beim Restaurant Seeger am Oberen Graben. Es gibt dort aber immer noch ein Restaurant und ein Hotel namens Kränzlin, wobei die OGS natürlich die Zusammenhänge nicht kennt. Seine Torten soll Jacques Kränzlin selber hergestellt haben, das schreibt er ganz ausdrücklich in den Seebacher Nachrichten vom Oktober 1951.

Der Tea Room Iris war seinerzeit bekannt für seine zuckersüssen und schlagrahmreichen Iristorten, welche es aus der Erinnerung der OGS schon seit 1951 gab. Die Iristorte mit Erdbeeraroma war so gut und so weit herum bekannt, dass sie damals als Seebacher Spezialität galt. Die OGS hatte einmal Gelegenheit, wenigstens eine Gabel voll zu probieren. Ferner gab es das Glacé «En Traum», welches im April 1953 angepriesen wurde. Der Tea Room war auch beliebt, weil er schon 1954 einen Fernseher hatte.

Das bekannte Café Kränzlin sowie das Hotel Simplon an der Schützengasse 16 im Zentrum von Zürich sind übrigens ebenfalls eine Gründung von Hans, August und Dr. jur. und phil. Gerhard Kränzlin aus St. Gallen. Sie geht auf die 1920er Jahre zurück. 1939 übernahm Dr. Gerhard Kränzlin beide Betriebe samt Haus zu Alleineigentum. Seine Enkelin Gunilla Tropp, welche die unteren Räumlichkeiten der Liegenschaft für die Familie heute bewirtschaftet, versucht in traditioneller Weise alte Werte neu zu leben. So entstand wieder an der Schützengasse 16, ein Café Restaurant Kränzlin und die Simplon Bar. Heute wird sowohl das Café Kränzlin als auch die Simplon Bar von Annelies Tropp-Kranzlin betrieben. Dies alles nur so nebenbei und um zu zeigen, aus welchem Milieu Jacques Kränzlin entstammte.

Ab 1955 verschwinden die Kränzlin'schen Inserate in den Seebacher Nachrichten und irgendwann in der Zeit zwischen 1955 und 1959 muss Jacques Kränzlin den Pachtvertrag gekündigt haben. Der Grund für seine Aufgabe soll, so hörte die OGS sagen, darin gelegen haben, dass er trotz 12-Stunden Tag und 6-Tage-Woche finanziell auf keinen grünen Zweig kam und das, obwohl der Tea-Room gut lief, oft voll war und eher etwas höhere Preise hatte. Also habe er versucht, mit dem Eigentümer einen etwas besser den Umständen angepassten Pachtzins zu vereinbaren, was aber offenbar nicht gelang. Der genaue Zeitpunkt seines Abtretens konnte noch nicht näher ermittelt werden, dürfte aber um 1955 oder etwas später gewesen sein.

Ab 1959 heisst der Inhaber dann A. Bleisch und die Inserate in den Seebacher Nachrichten erscheinen wieder. In den späten 1960er Jahren kamen dann die Weyeneths als neue Pächter. Diese hatten eine sehr nette und sympathische Serviertochter namens Ursula (Uschi) Disler, siehe nebenan! Der Tea Room Iris wurde vermutlich um 1980 herum aufgelöst und vom neuen Pächter in Café Papillon umbenannt, sodass man sagen kann, dass das Papillon indirekt der Nachfolger des Tea Rooms Iris ist. Siehe auch den Beitrag unter Iristorte mit Erdbeeren!

Jacques Kränzlin ist allerdings nicht nach St. Gallen zurück gekehrt, sondern in die Vereinigten Staaten von Amerika ausgewandert. Anfänglich arbeitete er im Americana Hotel von Miami Beach als Chef-Pâtissier. Er schuf dort ein Dessert, welches als Pecan Squares Americana bezeichnet wurde und im gängigen amerikanischen Dessert-Kochbuch «Maida Heatter's Book of Great Dessert» auf Seite 209 beschrieben ist. Dort wird auch erwähnt, dass Jacques Kränzlin das Dessert erschaffen habe. Auch im RecipeZaar ist sein Dessert aufgeführt, in 34 Einzelschritten notabene! Da das Americana Hotel in Miami Beach vermutlich in den 1970er Jahren den Besitzer und den Namen wechselte, verlieren sich seine Spuren vorerst. Immerhin fand sich noch eine Foto vom Americana Hotel.

Dass Jacques Kränzlin verheiratet war, verrät ein Bericht in einer Zeitung, denn da machte seine Frau einmal bei einem Wettbewerb für den besten Orangendessert auf sich aufmerksam, als sie es in den Final der 12 Besten schaffte. Der Wettbewerb war mit einer Preissumme von US$ 10'000.-- reichlich dotiert. Darüber wurde im Floridaner Wochenblatt «St. Petersburg Times» am 27. April 1965 berichtet. Leider findet sich dann nichts über das Ergebnis des Wettbewerbs vom 6./7. Mai 1965, doch zeigt es immerhin, dass er entweder eine Köchin geheiratet hatte oder dass er sie zu einer solchen ausbildete. Da es in angelsächsischen Ländern üblich ist, dass man die Gattin eines Mannes unter seinem Namen aufführt, also Mrs. Jacques Kranzlin, bleibt ihr Vorname unbekannt. Weitere Hinweise auf ihre Existenz fand die OGS nicht.

Jacques Kränzlin wohnte übrigens in North Miami Beach. Zumindest vom Ort und dem dortigen Klima her, hat er sicher eine gute Wahl getroffen. Den Hinweis auf Kränzlins Auswanderung nach Florida hat die OGS Luise Eisenring-Kuhn zu verdanken, die schräg gegenüber dem Tea Room Iris mit ihrem Mann ein Molkereigeschäft betrieb, und um 2002 erfuhr, dass Jacques Kränzlin in Amerika gesichtet wurde. Jacques Kränzlin lebte vom 22.9.1921 bis zum 13.5.2003. Er starb in Miami Beach. Er schrieb seinen Namen in den USA als Kranzlin. Seine Familie ist nicht ausgestorben. In Florida lebten 2010 noch mehrere Personen dieses Namens. In Frage käme seine Frau oder allenfalls Kinder.

Kränzlins Nachfolger Bleisch und Weyeneth behielten den Namen des Tea Room Iris bei, hingegen führten sie «nur» noch gute Patisserie, welche sie vermutlich bei der Konfiserie Früh bezogen. Bleischs Spezialität war dann das Iris-Plättli, welches er zum Zvieri anbot. Sonntags hatte er besonders feine Menüs auf der Karte.

Quellen:
- OGS-eigene
- Inserat in den Seebacher Nachrichten (SN) Februar 1954, April 1953
- Bericht und Inserat nach der Eröffnung im Oktober 1951 in den SN
- Luise Eisenring-Kuhn (Hinweis auf Kränzlins Auswanderung)
- www.familysearch.org (Suche nach Jacques Kranzlin im Sterberegister)
- Carmen und Peter Strübi (Standort des alten Cafés in St. Gallen)
- www.yasni.de (alle Namensträger Kranzlin in den USA)
- Zufallsfunde unter Google nach den Suchbegriffen: Kranzlin, Florida, Americana etc.

Iris (1951)

Ausser den Iristorten gab es im Tea Room auch die allseits beliebte Schwarzwäldertorte oder dann die Schokoladentorte. Lauter Torten also, die jedermann mochte, sofern er auf Klebriges stand.

Iris (1960)

Ein Inserat um 1960 aus den Seebacher Nachrichten verkündet, dass der Inhaber gewechselt hat.

Iris (1965)

Im Mai 1965 nahm Jacques Kränzlins Frau an einem Wettbewerb für ein Orangendessert teil und schaffte es in den Final. Ihr Rang an der Endausscheidung ist nicht bekannt.

Iris (1968) Uschi Disler

Hier sieht man eine Foto aus der Zeit, als Uschi Disler noch als Serviertochter im Tea Room Iris bei Frau Weyeneth arbeitete.

Iris (2010)

Der Neubau anstelle der früheren Wartburg steht immer noch und wurde vor ein paar Jahren umfassend renoviert. Heute befindet sich hier das Café Papillon.

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