Den ganz einfachen Auberginenkaviar, rumänisch und moldawisch Caviar de vinete, aber auch Salata de vinete genannt, lernte ich 1972 bei der Familie Cherestes in Dübendorf ZH kennen, wo wir uns stets am Freitagabend zum Nachtessen trafen. Anfänglich fand ich diesen Caviar de vinete etwas abenteuerlich, doch schon bald fand ich Gefallen an diesem Brotaufstrich, den man auf leicht geröstete Toastbrotscheiben oder besser auf frische, knusprige mit wenig Butter bestrichene Parisettebrötchen oder auf bebutterte Flûtes (ganz dünne Pariserbrote) streicht. Bei den Cherestes lernte ich die Klausenburger Variante kennen, da diese von dort zugewandert waren. Der rumänische Auberginenkaviar wird aber auch mit den spitzigeren Peperoni (Spitzpaprika) sowie mit Tomaten zubereitet und heisst dann Zacusca. Als Zacusca gleicht er dann mehr der russischen Variante, welche Baklaschannaja Ikra genannt wird.
Bei meiner ersten Reise nach Rumänien im Jahre 1973 gelangte ich auch nach Konstanza am schwarzen Meer, wo sich der Kellner eines Restaurants in der Nähe des Hotels "Turturea" darüber freute, dass ich den Auberginenkaviar als Vorspeise kannte und mit Begeisterung bestellte. Er erzählte mir in gebrochenem Französisch, dass man den Auberginenkaviar nicht nur in Rumänien, sondern in ganz Osteuropa von Nordfinnland (Munakoisokaviaari) über Murmansk (Baklaschannaja Ikra) bis nach Odessa am Schwarzen Meer erhalte und auch auf der persischen und türkischen Seite dieses Meeres von Ostanatolien bis zum Mittelmeer als Hajvar oder Kavyar kenne. Sogar in Griechenland bin ich ihm ein Jahr später (1974) als Melitzanosalata begegnet. In Nordmazedonien, Serbien, Bosnien, Slowenien und Kroatien als Ajvar und in Albanien und Kosovo als Ajvari und in Ungarn als Letscho (Lecsó) bezeichnet. Etwas entferntere verwandte Zubereitungen begegenete ich auch in Katalonien, Italien und Südfrankreich.
Es ist sozusagen ein Ersatzkaviar für den "armen Mann", denn "Ikra bednjagi" ist in Russland seine 2. Bezeichnung. Doch von einem Armeleutegericht spürte ich beim Essen dann gar nichts. Der Auberginenkaviar war für mich eine der besten Vorspeisen seit langer Zeit und ist es bis heute geblieben. Der ganz einfache aus Rumänien, nämlich der Caviar de vinete, hat mir bisher am besten geschmeckt, weil er ganz ausdrücklich nach geräucherter Aubergine schmeckt.
Für den Auberginenkaviar gibt es Dutzende von Rezepten, die teils ganz erheblich voneinander abweichen können. Meine Feststellung war die, dass er mir am besten schmeckt, wenn man mit nur wenigen Zutaten arbeitet, denn mir schien wichtig, dass das Auberginenaroma nicht übertönt werden sollte. Doch ist das mein ganz persönliches Empfinden, zumal man nicht in allen Ländern Auberginen benützt.
Man unterscheidet vier Grundzubereitungen: 1. nur aus roten Paprika (Peperoni), 2. aus Paprika und Auberginen und 3. nur aus Auberginen und 4. aus Auberginen und Tomaten.
Sowohl der rote Paprika als auch die Aubergine wird geröstet und enthäutet und solange unter ständigem Rühren mit wenig Öl geschmort, bis er sich nach einigen Stunden in eine gleichmässige Masse auflöst. Diese Masse wird gesalzt und gepfeffert.
Bei den heutigen, modernen Varianten werden häufig weitere Zutaten verwendet und wesentlich kürzer gegart. Dafür kommen noch Zitronensaft oder Essig, Zwiebeln und Knoblauch zur Anwendung. Russische Rezepte enthalten auch Tomaten und Essig, dafür keinen Knoblauch und Zitronensaft. Griechische Rezepte enthalten fast immer Peterli, und wenn Knoblauch, dann aber richtig viel. Dort werden sie als "Salata" bezeichnet, wobei man wissen muss, dass in Griechenland "Salata" nicht immer mit den schweizerischen Vorstellungen übereinstimmt, denn dort hat Salata noch die ganz ursprüngliche Bedeutung 'Gesalzenes'.
Hier das einfachste bisher von mir entdeckte Rezept, doch Vorsicht: Es ist meine ganz persönliche Meinung und sie repräsentiert nicht unbedingt den gerade vorherrschenden Trend, der ja bekanntlich ständig wechselt.
Zutaten für 4 Personen
- 4 grosse, knusprige Parisette-Brötchen, längs halbiert (die ähnlichen, aber gummiweichen Sandwichbrötchen eignen sich nicht besonders) - 2 mittelgrosse Auberginen - 1 mittelgrosse Zwiebel - 2 Knoblauchzehen (fakultativ) - 2 EL Olivenöl, für Liebhaber geht es auch mit Butter - 2 EL Zitronensaft - Pfeffer - Salz - schwarze Oliven als Garnitur
und wem dies zu mild ist, schärft nach eigener Lust.
Zubereitung
- Auberginen längs halbieren und die beiden Hälften mit der Schnittfläche nach unten auf ein leicht geöltes Wähenblech legen, mit der Gable mehrmals einstechen und 30 Minuten im Backofen bei 200° C garen lassen.
- Statt im Backofen kann man die Auberginen auch auf einen Holzkohlengrill legen. Das hat den Vorteil, dass dabei ein Raucharoma entsteht.
- Unterdessen die Zwiebel und die Knoblauchzehen schälen, fein schneiden und in einer schweren, beschichteten Bratpfanne in wenig Olivenöl ganz sanft goldbraun dünsten.
- Inzwischen sollten die Auberginenhälften weich sein. Das Fruchtfleisch mit einem Löffel aus der Schale nehmen und in einen genügend grossen metallenen Messbecher geben und mit dem Stabmixer pürieren.
- Nun nach und nach die Zwiebeln und die fein geschnittenen oder durchgepressten Knoblauchzehen, den Zitronensaft und wenig Olivenöl dazugeben und noch etwas weiter pürieren. Wichtig ist, dass die Paste nicht flüssig wird, sie muss stockig bleiben, also etwa so wie Kartoffelstock. Mit Salz und Pfeffer abschmecken und für eine halbe Stunde ins Gefrierfach stellen. Auberginenkaviar wird meist sehr kalt serviert und mit schwarzen Oliven ganiert.
- Mit Toastbrot und frischer Butter anrichten. Manche mögen die Scheiben getoastet, andere lieber nicht. Statt Toastbrot eignen sich auch längs halbierte, knusprige Parisette-Brötchen. Achten Sie unbedingt darauf, dass sie knusprig und frisch sind. Gummige Brötchen oder zu dünn geratener Auberginenkaviar vergällen die Freude. Und noch etwas: Die getoasteten Brote sollten ausgekühlt sein, wenn sie mit dem Auberginenkaviar bestrichen werden.
In Rumänien trank man damals Tuica (Pflümli) oder gekühlten Weisswein zu dieser Vorspeise, auf Samos in Griechenland gab es entweder eiskalten Kourtaki-Likörwein oder gut gekühlten Retsina oder Ouzo dazu.
Ergänzende Bemerkungen
1. Falls Sie Knoblauch verwenden, ist zu bedenken, dass solcher Auberginenkaviar nicht lange im Kühlschrank gelagert werden kann. Der Knoblauch entwickelt nämlich schon nach einem Tag einen eigentümlichen Geruch, den nicht alle Leute mögen. Geniessen Sie den Auberginenkaviar also besser, wenn er ganz frisch ist.
2. Luiza Cherestes hat ihren Auberginenkaviar immer ohne Zwiebeln und Knoblauch zubereitet und dafür etwas mehr Gewürze verwendet. Dadurch konnte sie ihn zwei bis drei Tage im Kühlschrank lagern.
Der Beitrag wurde am 23. Januar 2022 aktualisiert.
Quellen: - Familie Joan und Luiza Cherestes von Dübendorf ZH (1972-1977) - Reisen nach Rumänien im August 1973, nach Athen im Mai 1974, nach Samos im Dezember 2001