Die Erforschung der Geschichte des Fondues wäre nicht primär eine Aufgabe der OGS-Seebach gewesen. Da aber Zürich-Seebach in der deutschen Schweiz doch eher zu jenen Orten gehört, die recht früh und auf erstaunlich breiter Front für die lokale Popularität dieses Gerichtes sorgten, war es naheliegend, der Sache auf den Grund zu gehen. Daher erscheint die Geschichte des Fondues auch in der OGS-Seebach.
Es geht hier nicht darum, einfach einen kurzen Abriss über die Entstehungsgeschichte des Fondues zu liefern, sondern möglichst viel Informationen zur Entstehungsgeschichte zusammen zu tragen, damit jedermann die ihn besonders interessierenden Themen in aller Ausführlichkeit nachlesen kann. Damit aber auch eilige Leser sich rasch durch das Thema lesen können, habe ich die Entstehungsgeschichte in einzelne Titel unterteilt. So kann jedermann rasch von Titel zu Titel springen und braucht nicht alles zu lesen.
Das Fondue und Zürich-Seebach
Es besteht nicht die Absicht, beim Fondue das Quartier Zürich-Seebach in den Vordergrund zu stellen, sondern lediglich, das Käsegericht kurz aus der Seebacher Optik zu betrachten. Das ist rasch geschehen: In besonderem Masse zur frühen Popularität des Fondues im Quartier Zürich-Seebach beigetragen haben folgende Seebacher Fondue-Pioniere:
- Lina Gossweiler-Holdener (ab 1945) - Ferdinand Buchmann (ab 1949) - Familie Eisenring-Kuhn + evt. Vorgänger (ab 1950) - Josef Koller (ab 1951) - Lanz, VéGé-Lädeli, Leimgrübelstrasse 14 (ab 1959) - Willy Meyer, Organisator von Fondue-Anlässen (ab 1961)
Alle waren Inhaber von Milch-, Käse- und Butter-Läden. Noch ältere Spuren als jene von Lina Gossweiler (1945) konnte die OGS in Seebach bis heute nicht entdecken. Um aber dem Thema Fondue gerecht zu werden, soll hier auch noch
- das Wirtepaar Th. + R. Evéquoz, Restaurant Staudenbühl,
erwähnt werden. Sie waren auf Fondues und Raclettes spezialisiert. Er selbst war ein nach Seebach ausgewanderter Unterwalliser, stammte aus der Gegend von Sitten und wurde in unserem Quartier in den 1960er und 1970er Jahren bekannt für seine guten Fondues, die er mit Freude auch im Sommer anbot. Es freute den recht lebensfrohen Wirt ganz besonders, wenn ein Gast seine Lust auf ein Fondue nicht von der Jahreszeit abhängig machte.
Das Fondue war ursprünglich ein Sommergericht
Das weiter oben bereits erwähnte Wirtepaar Evéquoz hatte allen Grund, das Fondue auch im Sommer anzubieten, denn im Welschland war es seit langem üblich, Fondue auch im Sommer auf offenem Feuer und draussen im Freien zu geniessen. Das hatte seinen tieferen Grund darin, dass das Fondue ursprünglich vor allem bei den Alphirten gepflegt wurde, während sie ihre Herden auf den Maiensässen sömmerten. Der Alphirte hat sein Fondue also vor allem im Sommer genossen. Natürlich war es auf den Alpweiden abends und bei schlechtem Wetter deutlich kühler, doch das trifft in abgeschwächter Form auch im Mittelland zu. Es müssen also andere Gründe gewesen sein, dass das Fondue heute als Wintergericht bezeichnet wird. Im älteren Zürich der 1950er und 1960er Jahre gab es an der Löwenstrasse das Restaurant "Chässtube" und da bekam man das Fondue das ganze Jahr über.
Der Ursprung des Fondues ganz allgemein
Eine umfassende Geschichte zur Entstehung des Fondues fand sich nirgends so auf die Schnelle, wohl aber viele kleine Geschichten, welche die OGS nun zu einem Ganzen zusammen gefügt hat. Ganz am Ende des Beitrags finden sie die meisten meiner schriftlichen Quellen.
Wo das Fondue tatsächlich erfunden wurde ist heute nur mit viel historischen Grundlagenkenntnissen zu ermitteln, denn die rasch verfügbaren Bücher zur Lebensmittelgeschichte schweigen sich darüber aus oder kolportieren mehr als ein Dutzend sogenannte Sagen. Die ältesten Sagen reichen bis ins Altertum zurück und stammen aus Griechenland, doch danach blieb es über 2000 Jahre lang ruhig. Erst im Mittelalter häufen sich dann die Hinweise auf dieses Gericht wieder, nun aber ausnahmslos in Mitteleuropa. Es gibt vier Regionen in den Westalpen, welche im Alpenraum als sehr ursprüngliche Gebiete in Frage kommen. Dazu gehören Savoyen, das Wallis, das Aostatal und das Piemont. Sie grenzen alle aneinander und bilden ein lückenloses Gebiet, welches heute auf drei Länder verteilt ist. Für diese Gebiete gibt es ausreichend Hinweise, welche auf eine Jahrhunderte alte Tradition schliessen lassen.
In allen vier Gegenden wurde damals eine Eigelb-Käse-Speise mit wenig Mehl und Butter zusammen mit Brot verspiesen, wobei sich im Piemont gelegentlich noch die unvermeidliche Trüffel dazu gesellte. Die Piemonteser nannten und nennen ihr Gericht Fonduta. Ebenso bekannt ist auch die Fonduta valdostana, französisch Fondue valdostane, deutsch Aostataler Fondue, älter Augstertaler Fondue, welche aus Fontina hergestellt wird. Beide italienischen Regionen standen über die Pässe des Grossen St. Bernhards und des Simplons seit langem in einem regen Kontakt mit den Wallisern, welcher durch die Auswanderung der Walser in diese Regionen noch verstärkt wurde. Die Rezepte der Piemonteser, der Aostataler und der Gommer gleichen sich ausserordentlich: Man benützt den regionalen Käse, etwas Butter, Eidotter, Milch, Pfeffer und das einheimische Ruch- oder Roggenbrot. In allen drei Regionen, wird üblicherweise kein Wein oder Kirsch ins Fondue gegossen, wohl aber welcher dazu getrunken. Dieses verrät, dass sie näher beim Ur-Rezept geblieben sind.
Somit bleibt noch Savoyen, welches ebenso als älteste Region für den Ursprung des Fondues in Frage kommt. Da die Savoyer für ihr Fondue seit je den Emmentaler und/oder den Greyerzer Käse mit benützten, ist auch hier auf rege Kontakte zwischen den Eidgenossen und Savoyern zu schliessen, was weiter nicht verwunderlich ist, denn das Wallis gehörte bis 1815 ja zu Frankreich! Somit ist das heutige moderne Fondue in seinem Ursprung eigentlich ein savoyisches Gericht. Die Savoyer haben es dann wie schon die alten Griechen, wieder mit Weisswein verdünnt und auf die Beigabe von Eigelb, Butter und Milch nach und nach verzichtet.
Damit kommen wir zu einem ganz wichtigen Punkt in der Geschichte des Fondues: Im früheren Savoyen schieden sich zu einem noch nicht bekannten Zeitpunkt das alte Älpler-Fondue vom Fondue savoyarde: Die Älpler im Goms, im Aostatal und im Piemont benützten weiterhin Eigelb, Butter und Milch und die Savoyer begannen, ihr Fondue nur noch mit Käse und Wein zuzubereiten. Dazu kamen dann noch die aromatischen Beigaben. Das Fondue savoyarde fand seinen Weg rasch ins Flachland in Richtung Schweiz. Noch weitgehend offen ist, wann das geschah und vor allem, wann und wie diese savoyische Art des Fondues in die Schweiz gelangte. Die alten kantonalen Rezepte der Schweiz verraten aber doch ein wenig darüber, nur leider nicht alles. Einen Hinweis, wann das war, liefert Betty Bossi mit ihren Entstehunggeschichten, wo ein Rezept einer Margarita Gessner aus Zürich aus dem Jahre 1699 erwähnt wird, bei welchem erstmals wieder Wein in die Käsemasse gegeben wird.
Bei der Eroberung der Waadt durch die Eidgenossen im Jahre 1536 kamen auch Teile Savoyens zur Schweiz, nämlich das Chablais, doch ging dieses Gebiet schon 1567 wieder an Savoyen zurück, sodass dieser kurzen Zugehörigkeit zur Schweiz kaum viel Bedeutung beizumessen ist. Dass die Savoyer aber Greyerzer und Emmentaler für ihr Fondue verwenden zeigt, dass diese Ländereien zu jener Zeit nicht nur politisch verbandelt waren. Die Savoyer benützten damals importierten Schweizer Käse, denn die Auswanderung der Schweizer Käser in die Nachbarländer begann erst später.
Was bedeutet Fondue?
Der Begriff Fondue bedeutet «geschmolzen» und stammt aus dem Französischen, von fondre = schmelzen. Der Begriff Fonduta bedeutet ebenfalls «geschmolzen» und stammt aus dem Italienischen, von fondere = schmelzen. Ursprünglich galten die Begriffe Fondue und Fonduta nur für das Käse-Fondue. Heute wird fast alles, wo etwas getunkt wird, als Fondue bezeichnet, ist aber für diesen Beitrag unerheblich. Gemeint sind Fondue chinoise, Fondue bourguignonne, Toblerone Fondue, Tomaten-Fondue, usw., welche durch die Mitbenützung des populären Begriffs Fondue auf der Erfolgswelle des Käse-Fondues mitreiten wollen.
Fazit zur Frage, wo das Fondue erfunden wurde: Das Fondue ist keine rein schweizerische Erfindung, sondern ist in mindestens vier verschiedenen Regionen in heute drei verschiedenen Ländern zu ähnlichen Zeiten entstanden, weil diese Regionen damals in einem regem Kontakt zueinander standen und nahe beieinander lagen. Durch den ständigen Wandel bei den Landesgrenzen des ehemaligen Königreiches Savoyen gehörten eben genau diese vier Regionen immer mal wieder zu Savoyen oder Frankreich, was erklären dürfte, wieso das Älpler-Fondue ausgerechnet in allen vier Gegenden zeitgleich verbreitet war.
Tatsache ist aber, dass es nur in der Schweiz ein Nationalgericht geworden ist, während es in Italien und Frankreich 'lediglich' ein Regionalgericht ist. Wie dies zu werten ist, muss offen bleiben, denn die Schweiz hatte den Vorteil der Kleinheit, wo es etwas leichter ist, ein Nationalgericht bis in die hintersten Winkel des Landes zu etablieren.
Verbreitete Sagen über das Fondue
Wie es zur Erfindung des Fondues kam, nachfolgend Älpler-Fondue genannt, ist noch offen, denn ich fand bis jetzt 15 Sagen dazu:
1. Den ältesten Hinweis findet man in der Ilias von Homer, die auf etwa 700 v. Chr. datiert wird. Homer erwähnt dort ein Käsegericht, wo auf einem Blech aus Bronze Geissenkäse gerieben, Wein und Weissmehl dazugegeben und alles auf einem offenen Feuer geschmolzen wurde. Dieser doch bedeutende Hinweis fand sich in der Coop-Zeitung Nr. 39 vom 26.9.2017. Dazu ist noch zu ergänzen, dass die Person Homers ebenso wie die Zuordnung der Ilias zum Teil auch bestritten wird. Unbestritten ist aber die Erwähnung des Käsegerichtes, ganz gleichgültig, wer die Ilias geschrieben hat. Dieses altgriechische Fondue wurde später allerdings nie mehr erwähnt, was andeutet, dass es nur ein kurzes Strohfeuer gewesen sein könnte. Mehr dazu im Abschnitt "Die grosse Fondue-Lücke in der Geschichte".
2. Das Älpler-Fondue wurde durch die Sennen in der Gegend des ehemaligen Savoyens, wozu auch mal das Piemont, das Aostatal und das Wallis gehörten, auf ihren Alpen entwickelt, wo sie die Tiere sömmerten und nur wenig Abwechslung auf dem Speisezettel hatten. Daher haben sie mit dem Fondue für etwas Abwechslung gesorgt. Dieses Älpler-Fondue wurde über einem offenen Feuer in einem Kessel mit etwas Milch, Butter, Eigelben und ganz wenig Mehl sämig gemacht und mit dem auf ihren Alpen üblichen Brot verspeist. Das muss anfänglich noch ohne Gabel geschehen sein, denn diese kam erst nach 1700 auf. Sie haben entweder Brotspiesse in der Käsemasse geschwenkt, oder es mit Kellen auf die Teller gegeben und dann mit Brot aufgestupft. Möglich ist auch die Einnahme mit einem Löffel. Man denke dabei an die Kappeler Milchsuppe! Dabei ist noch nicht bekannt, wie die Entstehung im Einzelnen ablief oder anders gesagt, wie es sich aus den frühesten Anfängen entwickelte. Vor allem ist nicht bekannt, wann das war. Es heisst stets: Seit Jahrhunderten, womit man wohl etwa 1500 annehmen könnte. Diese Sage kommt der Wirklichkeit vermutlich recht nahe.
3. Auch vom Waadtland wird berichtet, dass es die Heimat des Fondues sei, das belegt das älteste in der Schweiz urkundlich überlieferte Fondue-Rezept aus Milden im Waldgau. Milden nennt sich heute Moudon und aus dem Waldgau wurde die Waadt. Das war im Jahre 1794, wo man als Zutaten ebenfalls Greyerzer Käse, Butter, Eigelb und Pfeffer in einen Topf gab, diesen über dem Feuer erhitzte, die Masse gut vermischte und dann auf vorgewärmte Teller verteilte, vermutlich mit Brot aufstupfte und zu Munde führte. Dazu trank man den besten Weisswein aus dem Keller.
Die obige Schilderung ist allerdings keine blosse Sage, sondern sie ist durch den Bericht des bekannten französischen Feinschmeckers Jean Brillat-Savarin, der damals in Lausanne lebte, urkundlich belegt. In einem Punkt war Jean Brillat-Savarin etwas ungenau: Man benützte damals nicht Eier, wie er berichtete, sondern nur die Eidotter! Dieses Fondue entspricht noch haargenau dem uralten Älpler-Fondue. Eine Sage ist es hingegen, wenn die Waadtländer aufgrund dieses Berichts die Erfindung des Fondues für sich allein in Anspruch nehmen. Aber sie erheben sich damit in punkto Rezept auf eine gleiche Stufe wie die Piemonteser, die Aostataler und die Gommer, was doch schon allerhand ist.
Das bis heute älteste Fondue-Rezept in deutscher Sprache ist aber nochmals rund 100 Jahre älter und wurde wurde 1699 von Anna Margaretha Gessner notiert: «Käss mit Wein kochen. Thu ein halb glässlin voll wein in ein blaten auf die glutpfann und thu gschabnen oder zerribnen feissen alten käss darein und lass ihn im wein kochen, biss er gantz zergangen und man den wein im kusten nit mehr gespürt.» Diesen Hinweis fand die OGS bei Betty Bossis Entstehungsgeschichten. Mehr siehe unter www.bettybossi.ch/de/schwerpunkt/3089_iwb_spkt_tdsu.aspx. Dieses Rezept findet sich auch im Band 5 von "Das kulinarische Erbe der Schweiz" von Paul Imhof auf Seite 40.
4. Es gibt aber auch die Sage, dass Mönche es in der Fastenzeit entwickelt haben sollen, da sie während des Fastens keine feste Nahrung zu sich nehmen durften. Mit dem Fondue hätten sie die Fastenregeln nicht gebrochen. Daran kann etwas Wahres sein, denn es ist vielfach durch historische Belege gesichert, dass die Klöster das Käsen seit ihrer Gründung betrieben haben, vor allem deshalb, weil sie immer wieder auch Bauernfamilien in kriegerischen Zeiten Schutz gewähren und diese auch durchfüttern mussten. Während des Fastens hätten sie dann das Fondue allerdings nur mit dem Suppenlöffel essen dürfen, da Brot nicht gestattet war. Wenn diese Sage etwas an sich hat, dann entsprach diese Art des Fondues noch nicht so ganz dem, was man heute darunter versteht. Ganz ausschliessen kann man diesen Erklärungsansatz allerdings nicht. Es ist zu vermuten, dass die Mönche sich auf die Zubereitung einer Art Älpler-Fondue spezialisiert haben und es als erste auch im Flachland assen.
5. In der deutschen Schweiz soll die Meinung weit verbreitet sein, dass der Friedensschluss im ersten Kappelerkrieg vom 8. Juni 1529 mit der berühmten Kappeler Milchsuppe die eigentliche historische Grundlage für das Fondue sei. Aus dem gleichen Gefäss zu essen, bildete damals das Symbol des guten Einvernehmens. Da die zerstrittenen Parteien Zürcher und Innerschweizer waren, müssten sie also schon 1529 das Wesentliche eines Fondues gekannt haben, auch wenn sie dann nur Milch kochten. Somit wäre die in Sage 1 erwähnte Vermutung, dass das Fondue um 1500 entstanden ist, eher etwas spät angesetzt. Darauf weisen auch die frühesten Hinweise zum verwandten Walliser Raclette oder des Unterwaldner Käsebrätels hin, die auf etwa 1350 bis 1540 zu datieren sind.
6. Die Idee mit der Kappeler Milchsuppe wird aber von den Wallisern nicht so ernst genommen, denn sie sind überzeugt, dass sie das Fondue in ihrer Gegend auf der Grundlage der Sage 1 selber entwickelt haben und meinen, dass die Kappeler Milchsuppe kein Fondue war, sondern nur heisse Milch mit Brotmöcken, daher ja auch die Bezeichnung Milchsuppe. Die Walliser haben aber ebenso wie die Neuenburger mit dafür gesorgt, dass es von einer breiteren Bevölkerungsschicht gegessen wurde, wohl deshalb, weil damals fast alle Walliser noch Bergbauern waren.
7. Die Neuenburger sind ebenfalls der Meinung, dass sie das Fondue erfunden hätten. Das wäre dann allerdings nicht mehr in den Westalpen, sondern wohl im Jura gewesen. Vermutlich war es aber so, dass die Neuenburger ähnlich wie die bereits erwähnten Mönche, das Älpler-Fondue von den Alpweiden zu den wesentlich tiefer liegenden Juraweiden herunter geholt haben. Möglicherweise haben sie dann später, also ab etwa 1800 das Fondue so wie die Savoyer mit Wein und nicht mehr mit Milch, Butter und Eigelb verdünnt, sondern nach und nach auf diese Beigaben verzichtet und es in die Nähe der heutigen Zubereitungsweise gebracht. Damit war vor allem der Wechsel vom reinen Sennengericht zu einem Gericht breiterer Bevölkerungsschichten gemeint.
8. Auch die Freiburger nehmen für sich in Anspruch, das Fondue erfunden zu haben. Sie verweisen mit Recht auf das «Restaurant du Gothard» in der Freiburger Altstadt, wo das Fondue seit 1877 kredenzt wird oder auf das Restaurant «Café du Midi», wo seit 1887 Fondue serviert wird und zwar einigermassen so, wie wir es heute kennen: Eine reine Käseschmelze aus Greyerzer, Vacherin und Weisswein, mit wenig Bindemittel, Gewürzen, Kirsch und Knoblauch zubereitet und mit frischer (!) Baguette ergänzt. Dazu wurde ein Weisswein serviert. In Freiburg hält man daher nicht viel von den heutigen Auswüchsen. Es ist daher berechtigt zu sagen, dass das 'moderne' Fondue in Freiburg seinen Anfang nahm. Es gilt dort: So traditionell wie möglich! Damit gehört neben Neuenburg also auch Freiburg zu jenen Gegenden, welche das moderne Fondue mitgeprägt haben und zwar sehr nachweislich. Freiburg hält sich für eine Hochburg des 'modernen' Käse-Fondues. Wer mit Freiburgern gesprochen hat, welche etwas von Fondue verstehen, glaubt es ihnen.
9. Nicht haltbar ist die irrige Meinung, dass erst die Einführung des Fondues im Schweizer Militär dafür gesorgt habe, dass das Fondue allgemeine Verbreitung gefunden habe. Das gilt bestenfalls, wenn überhaupt, für die deutsche Schweiz. Dann wäre die Schweizerische Käse-Union daran nicht ganz unschuldig gewesen, welche im Militär einen dringend gesuchten Grossabnehmer für ihren Käse gesucht hat. Da die Schweizerische Käseunion aber erst 1948 gegründet wurde, kann sie nicht gemeint sein. Richtig ist viel mehr, dass die Einführung des Fondues im Militär bereits um 1900 (!) dazu geführt hat, dass die Männer nun gegenüber den damaligen Hausfrauen einen Wissensvorsprung hatten und den in der Fondue-Zubereitung noch unerfahrenen Hausfrauen die Arbeit abnahmen.
Von da kommt wohl die erst relativ junge Tradition, dass Männer beim Fondue zubereiten die Oberhand haben. Hier hat der Schöpfer dieser Sage die Fähigkeiten der erfahrenen und klugen Frauen allerdings völlig unterschätzt. Diese wissen nämlich seit Jahrtausenden sehr genau, dass man den Männern in geeigneten Momenten die Oberhand überlassen soll. So eben auch beim Fondue zubereiten. Dass der Mann hier oft am Herd steht, könnte aber auch ein winterlicher Ersatz für seine andere Vorherrschaft, dem Grillieren und früher dem Braten am Spiess sein, also eine alte Tradition, welche noch aus der Steinzeit stammt. Ein weiterer Grund, warum die Männer hier so gerne die Oberhand haben, ist der Umstand, dass man für die Zubereitung des Fondues eine Flasche Weisswein öffnen muss und auch die Kirschflasche, welche man ebenfalls früh bereit stellen musste, dürften zusammen eine magische Anziehungskraft auf das männliche Geschlecht ausgeübt haben.
10. Gerne wird auch kolportiert, dass die Firma Zingg AG 1955 mit ihrem ersten Fertigfondue der eigentliche Fondue-Erfinder sei. Das ist natürlich als reine Werbefinte zu verstehen und viel zu weit gegriffen. Richtig ist aber, dass die breite Masse erst mit dem Fertig-Fondue auf den Fondue-Zug aufgesprungen ist. Nach dem Zingg-Fondue folgte dann das Gerber-Fondue. Den beiden Firmen gebührt also auch ein wenig, dass sie das Fondue auf die Stufe eines Nationalgerichts gehievt haben.
11. Mit der Aktion FIGUGEGL (Fondue isch guet und git e gueti Luune, 1953 und fast bis heute) sowie mit dem gleichzeitigen Angebot bei den Käseläden, gegen eine kleine Gebühr ein komplettes Fondue-Set mieten zu können (1953-1970), hat dann die Schweizerische Käse-Union ebenfalls noch mit dafür gesorgt, dass das Fondue ein echtes Nationalgericht wurde. Ganz so unschuldig war sie also doch nicht. Der Slogan stammte übrigens von der Werbeagentur Gisler & Gisler in Meilen ZH.
12. Es gibt auch noch die Petra-Foede-Sage, publiziert in ihrem Buch «Wie Bismarck auf den Hering kam», Kein & Aber-Verlag, 2009, wo sie ab Seite 71 versucht, die Sagenwelt des Schweizer Fondues zu entmystifizieren. Dabei kam sie zur Erkenntnis, dass das Fondue, so wie wir es heute kennen, erst in den 1930er Jahren aufkam. Zuvor wäre es eher ein Rührei mit Käse gewesen. Dem widerspricht aber klar, dass es erstens zumindest die Savoyer, die Neuenburger und die Freiburger schon erheblich früher in der heutigen Form zubereitet haben. Auch beim Schweizer Militär findet man für die Küchen-Chefs zurück bis um 1900 Fondue-Rezepte. Dies bestätigte Michael Iff von der Eidgenössischen Militärbibliothek dem «Beobachter» im Jahre 2007. Und zweitens ist ihre Annahme falsch, dass das Waadtländer Rezept eine Art Rührei mit Käse gewesen sei. Sie zog unschuldigerweise den falschen Schluss, weil Jean Brillat-Savarin bei seiner Beschreibung des Waadtländer Fondue-Rezepts der bereits erwähnte kleine Lapsus passierte, als er schrieb, man benütze dazu Eier. Richtig wären Eidotter gewesen. Wer je ein solches Fondue gegessen hat, wird keinen Augenblick auf die Idee kommen, es wäre Rührei mit Käse!
Und da selbst im alpenfernen Zürich-Seebach mit seiner noch bäuerlich geprägten Einwohnerschaft bereits in den 1940er Jahren das Fondue ebenso zubereitet wurde wie im Freiburger «Café du Midi» oder im «Restaurant du Gothard», kann man davon ausgehen, dass sich Petra Foede vermutlich um mehr als 50 Jahre verschätzt hat, als sie schrieb, das Fondue sei erst in den 1930er Jahren aufgekommen. Das Fondue, so wie wir es heute kennen ist im Jahre 2010 nämlich mindestens an die 150 Jahre alt, jedoch mit der Einschränkung, dass es anfänglich einfach noch wenig verbreitet war. In den echten Fondue-Hochburgen der Schweiz kannte man das Fondue in der modernen Form aber schon viel früher.
Neben diesem heutigen Fondue gab es parallel auch weiterhin das alte Älpler-Fondue in der Art von Sage 1 und Sage 2. Mit der zunehmenden Verbreitung des modernen Fondues verschwand das Älpler-Fondue jedoch immer mehr aus der Schweizer Küche. Die Bezeichnung «Älpler Fondue» wird heute für ein modernes Fondue benützt, welches mit dem alten Älpler-Fondue kaum mehr etwas zu tun hat. Meist meint man damit ein Fondue, welches dem Glarner Fondue nahe kommt.
13. Dann gibt es noch die SPAR-Sage: In einer seiner hervorragend aufgemachten SPAR-Magazine berichtete eine Ausgabe um 2009 über das Appenzeller Fondue. Dabei wurde in diesem Artikel erwähnt, dass der Weisswein erst um 1911 und der Kirsch sogar erst 1923 den Weg zum Fondue gefunden hätten. Der ansonsten gut recherchierte Bericht litt vermutlich daran, dass man dem guten Berichterstatter nicht die Zeit gab, ein paar Monate lang in den Fondue-Annalen zu forschen. Auch den weiter oben zitierten Betty Bossi-Hinweis auf das Rezept von 1699, wo Wein zum Fondue gegeben wurde hat er deshalb übersehen. Immerhin hat er aber doch ein paar für die Ostschweizer Fonduegeschichte relevanten Informationen geliefert.
Es ist kaum anzunehmen, dass die alten Älpler die ganze Zeit von 1794 bis 1911 zwar Wein zum Fondue getrunken, ihn aber nie zum Fondue gegossen haben. Was den Kirsch betrifft, ist 1923 lediglich ein urkundlich belegtes Datum, aber deswegen noch lange nicht das tatsächliche erste Anwendungsjahr. Der Kirsch wird in der Schweiz seit mindestens 1650 bis 1700 gebrannt und seit 1800 ist er für jedermann erhältlich, welcher ihn sich leisten kann. Es wäre vermessen zu glauben, dass ganz speziell die früher recht trinkfesten Männer über 200 Jahre lang nicht auf die Idee gekommen wären, ihn zum Fondue zu schütten und einfach im Schnapsschrank stehen liessen. So etwas von den Schweizer Männern zu vermuten, war dann doch etwas gar fromm.
14. Der italienische Buchautor Pellegrino Artusi berichtet in seiner «Küchengeschichte» von einer urkundlichen Überlieferung eines Rezeptes der Fonduta piemontese aus dem Jahre 1854 eines Kochs namens Giovanni Vialardi, publiziert in «Trattato di cucina». Giovanni Vialardi war der Koch des italienischen Königs Karl Albert Viktor Emanuel der II. Daraus kann man schliessen, dass auch der damalige italienische König ein Fondue-Geniesser war und zwar schon zu einer Zeit, als das moderne Fondue noch im Entstehen begriffen war.
15. Es gibt auch noch die Coop-Sage, wo kurz und bündig in einem Blatt ihrer Heftserie zu Lebensmitteln um 2004/5 geschrieben steht: "Die Ursprünge des Fondues liegen in den Savoyer Alpen, von wo es in die Westschweiz gelangte". Das kommt der Sache schon ziemlich nahe. Leider findet sich auch hier kein Jahreshinweis. Immerhin erwähnte das Heft dann, dass die Kappeler Milchsuppe das wohlige Gefühl, welches sich nach dem Verzehr aus einer gemeinsamen Schüssel ergäbe, auch zerstrittene Parteien zu guten Freunden werden liesse. Die Coop-Sage definiert damit immerhin genauer, was denn das Besondere an der Kappeler Milchsuppe war. Die Kappeler Milchsuppe war zwar kein Fondue, aber sie hat einen ganz wichtigen Aspekt des Fondues hervorgehoben. Wenn Coop schreibt, dass das Fondue in den Savoyer Alpen seinen Ursprung habe, dann liegt Coop damit völlig richtig.
Fazit aus allen diesen Sagen: Es steckt vermutlich in jeder ein Körnchen Wahrheit. Wie viel jede einzelne Sage aber tatsächlich zur Entstehung des heutigen Fondues als Nationalgericht in der Schweiz beigetragen hat, ist beim genauen Lesen durchaus heraus zu spüren, aber nicht wirklich fassbar. Daher soll die Frage offen bleiben. Es wäre ja jammerschade, wenn der neckische Streit um die Entstehung des heutigen Fondues, welcher auch über die Landesgrenzen hinaus geht, plötzlich zu Ende wäre. Sicher ist aber eines: Das Fondue wurde nicht erfunden, sondern es hat sich im Laufe der Jahrhunderte schrittweise zu dem entwickelt, was wir heute Fondue nennen.
Die grosse Lücke in der Fondue-Geschichte
Homer hat bekanntlich keine Märchen geschrieben, sondern Geschichte, nur war seine Datenbasis zeitbedingt unsicher und ungenau. Im Jahre 700 v. Chr. ist das nicht weiter verwunderlich. Seine Beschreibung eines fondueähnlichen Käsegerichtes in der Ilias gilt aber ohne Zweifel als die älteste Erwähnung des Fondues. Es ist heute bekannt und auch recht gut gesichert, dass die Griechen, speziell jene die an der Küste lebten, Schifffahrt betrieben und unter anderem auch Italien erreichten.
Besonders intensiv waren die Kontakte zwischen der griechischen Inselwelt und Etrurien (heute Toscana), wo die Etrusker lebten, von denen man sagt dass sie aus der Ägäis stammten und sich mit den Einheimischen der heute Toscana genannten Provinz vermischten. Die Etrusker lebten ungefähr zu jener Zeit, als Homer die Ilias schrieb. Sie könnten also auch die Gewohnheit des Käsekochens von Griechenland nach Italien gebracht haben.
Eine andere Möglichkeit wäre, dass das griechische Fondue von den Griechen nach Marseille (damals Massalia) gebracht wurde und von dort den Weg nach Savoyen gefunden haben könnte. Wie es dann speziell von der dortigen Bergbevölkerung übernommen wurde, ist nicht bekannt. Vorerst ist der Weg des homer'schen Fondues von Griechenland nach Italien oder Frankreich noch reine Spekulation. Eben so gut ist es möglich, dass das Fondue zweimal 'erfunden' wurde.
Fondue-Varianten aus den Schweizer Kantonen:
Es gibt heute für die meisten Kantone mehr als ein Rezept und diese ändern sich am laufenden Band, da das Fondue inzwischen viele individuelle Ausprägungen entwickelt hat. Mein Versuch, für jeden Kanton der Schweiz ein gültiges Rezept kurz zu beschreiben, war daher im Vornherein zum Scheitern verurteilt. Es schieden sich die Geister allzustark. Aus diesem Grunde habe ich diese Kurzbeschreibungen wieder entfernt.
Was gehört zum oder ins Fondue?
Als Grundwürze für fast alle Fondues verwendet man Kirsch, Muskatnuss, Pfeffer, Knoblauch, Maizena und eine Messerspitze Natron, manchmal auch noch Paprika. Auch der Wein gehört als Würze dazu. Personen, welche alkoholhaltige Getränke lieber meiden, benützen dann gerne Süssmost anstelle von Weisswein oder dann Bouillon mit einem Schuss Zitronensaft. Zu einem ganz normalen Fondue trinkt man üblicherweise einen gut gekühlten trockenen Weisswein, vorzugsweise einen Neuenburger, einen Fendant, einen Epesses oder einen St. Saphorin oder eben Tee, Most usw. Als Brot verwendet man in der Regel am häufigsten weisses, mindestens einen Tag altes Brot oder Baguette, jedenfalls eines mit möglichst viel Rinde, welches nicht zum Brösmeln neigt.
Es gibt aber auch vereinzelt Leute, welche lieber ein Ruchbrot oder gar ein Roggenbrot nehmen. Bei der Verwendung von Baguettes ist es üblich, dass man das Brot bricht, bei Verwendung von Brotlaiben wird es aus praktischen Gründen eher geschnitten. Vorteilhaft ist es auch, das Brot einen Tag ruhen zu lassen. Die Verwendung von Kilo-Broten hat den Nachteil, dass dann viele Brotwürfel keine Rinde haben. Besser ist es, zwei Pfunderli zu benützen. Solche Details liegen ganz im persönlichen Ermessen. Daraus eine Glaubensfrage zu machen, ist nicht zweckmässig, denn das Fondue ist ein Essen, wo man sich freuen, Uneinigkeit überwinden und ein gutes Einvernehmen pflegen sollte. Da passen Grabenkriege nicht dazu!
Das Fondue ist an sich ein perfektes Gericht, welches es eigentlich nicht nötig hätte, verändert zu werden. Doch gibt es inzwischen so viele Varianten, dass man nicht mehr von massvollem Experimentieren sprechen kann. Doch was soll's? Die OGS beschränkt sich daher auf die klassische Zubereitungsweise, denn sie ist ja eine historische Sammlung.
Quellen: - Holzkorporation Seebach, Max Steiner (Hinweise zu Lina Gossweiler und Chäs-Egge) - Willy Meyer (seine Fondue-Mischung) - Schweizerische Käse-Union (Vertrieb des Käses an das Militär) - OGS-eigene - Hanns U. Christen, «Das Kochbuch aus der Schweiz», 1987, Seite 12 - Jacques Montandon, Käse aus der Schweiz, 1981, Seite 111 (Urrezept) - Chäs-Chuchi Ausgabe Oktober 1986 - P. A. Sarasin, Rund um den Schweizer Käse, 1979 - Petra Foede, «Wie Bismarck auf den Hering kam», Kein & Aber-Verlag, 2009 - Coop-Zeitung, Schneiden oder Brechen?, Nov. 2010 - Coop-Zeitung, Rührend, da schmilzt nicht nur der Käse, Sept. 2017 - Beobachter, 23/2007, Wahrheitssuche im Caquelon - Armin Lötscher, Restaurant St. Moritz, London (Ruchbrot nebst Weissbrot) - SPAR-Magazin 2009, Appenzeller Fondue (Beitrag) - SPAR-Magazin 2009, Schwyzer Fondue (Inserat) - Alfred G. Roth, Der Sbrinz, 1993 - http://lebensmittelindustrie.com unter Schabziger (Dr. Dietmar Stutzer) - www.bettybossi.ch/de/schwerpunkt/3089_iwb_spkt_tdsu.aspx (ältestes Rezept in deutscher Sprache)