Die russischen Eier stammen, wie es der Name verrät, aus Russland und sie werden dort Jaiso po russki genannt. Sie sind eine kalte Vorspeise aus hart gekochten, halbierten Eiern. Das Ursprungsrezept lässt sich mit Hilfe des Internets bis gegen 1830 zurück verfolgen, doch sind damit nur die in einer lateinischen Schrift geschriebenen Rezepte berücksichtigt. Mit guten Russischkenntnissen in Wort und kyrillischer Schrift dürfte man auf noch ältere Quellen stossen. Dies um so mehr, als es für die Zubereitung dieses Gerichts keine moderneren Techniken erfordert. Einzig bei der Verwendung von Mayonnaise gibt es eine Zeitgrenze, welche nicht unterschritten werden kann, denn die Mayonnaise wurde erst am 28.6.1756 erfunden und es dürften noch ein paar Jährchen vergangen sein, ehe sie im weiten Russland bekannt wurde. Wikipedia erwähnt ein frühes Rezept der russischen Eier in Henriette Davidis' Praktischem Kochbuch von 1845.
Viele Varianten nicht nur in Russland
Es gibt die russischen Eier in fast allen heutigen Teilrepubliken Russlands ebenso wie in den ehemalige Republiken der Sowjetunion und sogar in Mitteleuropa waren die Eier bekannt. Doch selbst innerhalb dieser Länder gibt es zahlreiche Varianten und auch in Rumänien ist das Gericht bekannt, wo es als Gefüllte Eier in Mayonnaise sehr beliebt ist, mehr siehe dort! Es ist nicht einmal so sicher, ob die russischen Eier ganz ursprünglich eine russische Herkunft haben, denn die gefüllten Eier deuten an, dass diese (ohne Mayonnaise) wohl von noch weiter östlich als Rumänien, Moldawien und der Ukraine stammen könnten. Wikipedia meint denn auch, dass sie erst als russische Eier bezeichnet wurden, als die Russen sie mit Kaviar zu garnieren begannen. Das galt dann eben als typisch russisch.
Bei den meisten Varianten wird das Eigelb durch ein Sieb gestrichen und mit würzigen Zutaten wie Senf, Mayonnaise, Sardellen (Anchovis), Kapern, Kräutern usw. vermengt und wieder auf das Eiweiss gesetzt. Oftmals wird auch mit Mayonnaise und Kaviar oder anderem Fischrogen gearbeitet, indem man die damit bedeckten Eihälften auf russischen Salat zu setzen pflegte. Diese letztgenannte Idee gelangte in den späten 1950er Jahren auf noch unerforschten Wegen in die Schweiz. Zumindest mit der üblichen Suchmethode findet man im Internet zu den frühen Schweizer Rezepten und ihrer Einführung hierzulande nichts. Doch finden sich zahlreiche Varianten im südlichen Deutschland schon lange, bevor das Rezept in der Schweiz aufkam.
Die Schweizer Variante der 1960er Jahre
Spricht man heute von russischen Eiern, dann werden damit in aller Regel gekochte Eihälften verstanden, bei denen das Eigelb entfernt und mit Zutaten gewürzt, wieder auf die Eihälften gelegt wird.
Die Schweizer Variante der russischen Eier, so wie sie in den 1960er bis Anfang der 1980er Jahren in fast allen Schweizer Restaurants erhältlich waren, war allerdings keine Vorspeise sondern ein vollwertiges kaltes Gericht und die Eihälften wurden auf russischem Salat serviert und reichlich garniert. Dieses Gericht gab es damals auch in Deutschland in ähnlicher Zubereitung, sodass vermutet werden kann, dass es durch wandernde Köche auch in die Schweiz gelangte. Das wurde mir von zwei süddeutschen Lesern bestätigt.
Genau genommen hat man damals und offenbar nur in der Schweiz und in Süddeutschand eigentlich zwei russische Gerichte kombiniert: Russischer Kartoffelsalat und russische Eier. Dabei wurde in der Mitte des Tellers russischer Salat aus der Dose aufgehäuft, welcher mit einer ziemlich dicken Sauce angemacht war, damit im Teller kein Weiher entstehen konnte. Darüber legte man zwei Eihälften, welche mit einer ebenfalls dicken Mayonnaise übergossen und mit Paprikapulver und Peterli garniert wurde. Darum herum wurden Salami-Scheiben gelegt, garniert mit richtigen grasgrünen, sauren Cornichons, die es heute wegen der Grünfärbung in einem speziellen Verfahren nicht mehr gibt (was heute als Cornichons bezeichnet wird, sind nur besondes kleine Essiggurken. Es fehlt ihnen nicht nur die grasgrüne Farbe, sondern meist auch die Säure von damals). Dazu gab es ein Semmeli oder ein paar halbe Scheiben Brot. Bei der Garnitur gab es viele Variationen, je nach Restaurant.
Wer diese Variante in die Schweiz brachte oder hier aus den beiden Ursprungsgerichten kombinierte, konnte die OGS noch nicht ermitteln, doch wurde das Gericht ein voller Erfolg und nach kurzer Zeit bald in fast allen Restaurants der Schweiz angeboten. Die russischen Eier wurden damals noch häufiger verlangt und waren sogar besser bekannt als der berühmte Riz Casimir. Irgendwann, vermutlich in den ganz frühen 1980er Jahren, verschwand es innert kurzer Zeit aus der Speisekarte praktisch aller Restaurants und ist bis heute in der damals klassischen Schweizer Zubereitungsweise mit Ausnahme von wenigen Nostalgie-Restaurants nirgends mehr erhältlich. Das Gericht verschwand ziemlich schnell, ganz so als ob es jemand verboten hätte.
Trotz intensiver Suche fand die OGS bis heute keinen direkten schriftlichen Hinweis, warum dies geschah. Indirekt vermutet die OGS aber, dass es die etwas abgehobeneren Köche waren, welche nach und nach begannen, die Verwendung von Konserven zu meiden. Auch die immer einheitlichere Ausbildung (nach Pauli) sorgte dafür, ein gewisses Berufsethos zu entwickeln und das lautete, dass ein guter Koch (fast) ohne Konserven auskommt.
Die Hobbyköche nach 1980 nahmen es dann noch strenger und eiferten diesen Köchen nach und sorgten dafür, dass sogar die ganz einfache Hausfrau und allenfalls auch der ebensolche Hausmann begann, die Konserven aus der Küche zu verbannen, weil sie sich für zu gut fanden, Lebensmittel aus Blechdosen zu essen. Mit dazu beigetragen haben dürfte auch ein kleiner Skandal, welcher am Fernsehen breit ausgeschlachtet wurde. Man hat damals in einer im Ausland hergestellten Raviolidose Schlachtabfälle entdeckt, die man nicht hätte verwenden sollen. Damit wurde der gute Ruf der Konserven ein weiteres Mal ruiniert und es begann ein gewisser Niedergang der Blechkonserve. Die inzwischen immer mehr aufkommende Tiefgefriertruhe machte es dann möglich, die Lebensmittel auch auf andere Art zu lagern, wenn auch nicht langfristig und wegen des Stromverbrauchs auch um einiges teurer.
Und so kam es, dass nicht nur Spitzenköche und Hobbyköche, sondern auch ganz normale Restaurantköche auf Konserven zu verzichten begannen und vermehrt frische Ware verwendeten. Dabei merkten sie dann rasch, um wie viel aufwändiger es war, den für die russischen Eier unerlässlichen russischen Salat von Hand herzustellen. Das kostete soviel teure Arbeitszeit, dass die russischen Eier fast unbezahlbar wurden. Doch gerade wegen ihres günstigen Preises waren sie neben der Schmackhaftigkeit damals so beliebt. Der grosse Vorteil, den die Konserven boten, nämlich mit wenig Zeit und ohne viel Geköch ein preisgünstiges Gericht zuzubereiten, war dahin und so verschwanden die russischen Eier in den Restaurants immer mehr von der Speisekarte. Das ist die Vermutung der OGS. Ich selber habe aus eigener Erinnerung im Jahre 1982 ein letztes Mal in einem Restaurant russische Eier bekommen.
Mit der Zeit merkten es auch die meisten Köche, dass es eben einige Konserven gibt, auf welche man nur schwer verzichten kann, da es für sie keinen gleichwertigen Ersatz gibt. Konservendosen brauchen zum Lagern keinen Strom und kein Tiefkühlgerät und verursachen daher viel geringere Lagerkosten. Sie bieten somit auch ihre Vorteile. Wenn dann auch noch die Qualität stimmt, sind sie durchaus eine Alternative. So sind die Konserven dann wenigstens im Haushalt wieder vermehrt anzutreffen. Nur im Restaurant findet man man sie auch heute kaum, weil der Koch sie mit ganz wenigen Ausnahmen aus Berufsstolz nicht mehr verwenden will.
Zuhause hingegen kann man aber die russischen Eier immer noch zubereiten, denn den russischen Salat in Konservendosen gibt es weiterhin und zwar bei allen Grossverteilern in der Schweiz. Ein passendes Rezept dazu findet man in der OGS unter Russische Eier!
Quellen: - OGS-eigene - Wikipedia unter Ravioli-Skandal und russische Eier