Diese Erzählung ist eine Geschichte, von welcher heute nicht mehr gesagt werden kann, ob sie sich bis in alle Details so zugetragen hat. Aber alle Elemente der Erzählung sind der OGS im Laufe der Jahre tatsächlich geschildert worden. Mal so, mal etwas anders. Da die einzelnen Elemente aber für sich alleine keinen gescheiten Beitrag ergaben, weil sie nur bruchstückhaft überliefert sind, habe ich alle mir zugetragenen Katzenbachstaudammgeschichten zu einer einzigen Erzählung zusammen gefasst, damit auch gar nichts davon verloren geht oder der Vergessenheit anheim fällt.
Der Staudamm am Katzenbach
Nicht ganz so ernst zu nehmen waren die Bachstauungen der jungen Buben in den 1950er Jahren, zu denen ich manchmal auch gehörte. Da als Staumaterial nur die Steine im Bachbett zur Verfügung standen, rann die Staumauer, je höher sie wurde, immer mehr und verhinderte so einen grösseren Rückstau. Etwas ältere und mutigere Burschen dichteten die Staumauer mit Grasziegeln und sorgten dafür, dass der Bach nach der Staumauer zum Rinnsal verkam und sich wegen dem Dreck der Grasziegel braun verfärbte. Irgendwann wurde der Wasserdruck dann zu gross und es gab einen Dammbruch, was dann für die zuschauenden Bübchen jeweils ein Heidenspektakel absetzte, speziell, wenn einer der «Architekten» dabei nasse Hosen ab bekam.
Noch in dunkler Erinnerung ist jener Staudamm gegenüber dem Birchstützli, welchen ein paar heldenhafte Buben aus der Siedlung Schwellistrasse bauten. Das war im Jahre 1952/53, als die ersten Neuzuzüger in die bereits fertig gestellten Wohnblöcke einzogen. Das war zu der Zeit, als es noch zahlreiche Erdhaufen um die Häuser herum gab. Und ganz offensichtlich war es zugleich in einer der seltenen Stunden, wo Bauer Jakob Heider seine dortige Wiese offenbar nicht genügend überwachen konnte. So organisierten ein paar der Buben eine Schubkarre, wie sie üblicherweise Bauarbeiter benützen, was den Verdacht nahe legt, dass sie die Schubkarre ganz ungeniert von einer Baustelle requirierten. Mit einer Schaufel, deren Herkunft ebenfalls von einer Baustelle stammte, beluden sie die Schubkarre mehrmals mit Erdschollen, Kies und Steinen und bauten daraus eine Staumauer, die auch ein Fachmann kaum besser hätte hin kriegen können. Zuerst legten sie die Steine in mehreren Lagen in das Bett des Katzenbachs, dann dichteten sie die Mauer Bach aufwärts mit den Erdschollen ab und schon bildete sich eine Stauung, welche immer weiter zurück reichte. Anfänglich standen die Buben teils im gestauten Bachteil, doch bald reichte ihnen das Wasser bis zu den Hosen.
Doch damit nicht genug, holten sie weitere Karren voll mit Baumaterial, bis die Staumauer etwa einen Meter hoch war. Immer mehr Buben und Mädchen blieben beim Vorbeigehen stehen und schauten dem Treiben der Mauerbauern interessiert zu. Besorgte Hausfrauen, welche vom Posten zurück kamen, blieben ebenfalls stehen und warnten die Buben, nicht hinter der Staumauer zu stehen. Der Wasserstand bei der Schwelli erreichte im Katzenbachbogen, wo das Bachbord am wenigsten hoch war, bis auf etwa 30 cm den Am-Katzenbach-Weg! Ein ebenfalls besorgter, älterer Mann mit Bart forderte darauf die Buben auf, die Staumauer nicht mehr höher zu bauen, sonst rufe er die Polizei herbei. Das reichte aus, dass die Buben sich mit dem Erreichten zufrieden gaben, denn immer mehr herbei geeilte Buben erzählten, dass der Rückstau bereits die Köschenrütibrücke erreicht habe und der dortige Wasserfall schon um die Hälfte geschrumpft sei.
Noch immer liess sich Bauer Jakob Heider nicht blicken, was vermuten liess, dass er auswärts war. In seiner Wiese gab es nämlich bereits eine breite Schneise mit zertrampeltem Gras und das war genau das, was er gar nicht ertragen konnte. Wenn er das gesehen hätte, dann hätte es etwas gesetzt. Voller Ã?bermut und weil sie nun durch die verschiedenen Warnungen der Erwachsenen sozusagen zur Tatenlosigkeit verknurrt waren, sannen sie nach Ideen, noch für etwas Klamauk zu sorgen, doch nahm ihnen exakt in diesem Augenblick die Physik das Nachdenken ab, indem nämlich die Staumauer sich zu bewegen begann und mit gewaltigem Getöse Bach abwärts in sich zusammen stürzte.
Unter dem Quietschen der Mädchen und dem Gejohle der Buben ergoss sich nun mit einem gewaltigen Rauschen das gestaute Wasser des Katzenbachs, alle Steine und Erdschollen mit sich reissend, als Schwall in Richtung Hertensteinbrücke. Der vorderste Schwall war hellbraun verfärbt, trug auf den Wellenspitzen einen weissen Schaum und verbreitete ein beträchtliches Rauschen. Es dauerte mehrere Minuten, bis der Sunk abgeschlossen war und sich der Bach wieder mit seinem normalen Wasserstand zeigte. Danach war das ganze Bachbett samt Bord bis zur Bäckerei Raduner mit Steinen und Erdschollen «gepflastert». Als das Spektakel vorbei war, verzogen sich die Buben wieder und brachten Schubkarre und Schaufel auf die Baustelle zurück. Die zuvor so sehr besorgten Hausfrauen mit ihren Einkaufstaschen begaben sich nun miteinander schwatzend auf ihren Heimweg und fragten sich, zu welchen Familien diese ungezogenen Goofen wohl gehörten.
Es geht die Sage um, dass die Katzensteine, eine aus Steinen bestehende Furt an gleicher Stelle, ein Ã?berbleibsel dieses Staudammbruchs gewesen sei. Andere hingegen meinen, es wären die Katzensteine gewesen, welche die Buben zum Bau der Staumauer inspirierten. Dieses kleine Rätsel wird wohl für immer ungelöst bleiben.
Quellen: - OGS-eigene - zahlreiche Hinweise aus dem Publikum