Vor meiner Ausbildung zum Zivilschutz-Küchenchef in Andelfingen im Jahre 1989 wurde ich in der Stadt Dietikon zuerst in einen 4-tägigen Kurs mit eigener Küche als Küchengehilfe zugeteilt, wo ich dem Küchenchef meine Küchentauglichkeit unter Beweis stellen musste. Dieser Küchenchef hiess Heinz Gasser, war Koch in einem Restaurant in Dietikon und wusste, worauf er zu achten hatte. So gab er mir seine Instruktionen durch und beobachtete meine Arbeit, gab zahlreiche Tipps und griff nur ein, wenn ich Fehler machte oder wenn es etwas zu holen, zu suchen oder einzukaufen gab.
Am ersten Tag eines Kurses gab es bei ihm immer Spaghetti mit Sugo alla bolognese. Dieses Gericht hatte den Vorteil, dass es keine Rolle spielte, ob ein paar Mann mehr oder weniger einrückten. Mit einer Hackfleischsauce war man flexibel. Das Gericht war zudem ganz auf das Budget des Zivilschutzes ausgerichtet, welches 1988, Irrtum vorbehalten, um Fr. 5.-- oder ein bisschen mehr pro Mann und Mittagessen betrug. Dementsprechend galt es, kostengünstig einzukaufen und auf unnötigen Luxus zu verzichten. Gleichwohl sollte das Essen aber so schmackhaft sein, als wäre der Koch keinsterlei Einschränkungen unterworfen. Heinz Gasser sagte damals: So richtig gut und schmackhaft kochen lernt man am besten mit ganz wenig Geld.
In jenem Restaurant, wo Heinz Gasser in Dietikon kochte, benützte er übrigens das gleiche Rezept! Damit wollte er zeigen, dass es die Ehre eines Kochs nicht zulässt, bei knappem Budget anders (also schlechter) zu kochen. Ein Koch holt im Rahmen seiner Möglichkeiten immer das Maximum aus dem verfügbaren Geld und aus den eingekauften Zutaten heraus. Eher legt er aus seiner privaten Schatulle ein paar Franken hinzu, damit er so kochen kann, wie er es gewohnt ist und wie es seine berufliche Ehre verlangt.
So nahm er z.B. den Kochwein von zu Hause mit, weil er ihn nicht nur zum Ablöschen nach dem Anbraten benötigte, sondern auch zum gelegentlichen Netzen der Kehle, ganz nach der Logik:
Kochwein ist Wein für den Koch, darum heisst er ja so!
Diese Gewohnheit habe ich übernommen und bis heute beibehalten. Manch' einer meiner Gäste schmunzelt auch heute noch, wenn er neben meinem Herd den 'Kochwein' sieht. Ganz besonders meine Kinder fanden die Geschichte mit dem 'Kochwein' immer wieder lustig.
Wenn sie bei mir zum Essen eingeladen sind, bringen sie daher meist eine Flasche 'Kochwein' mit und zwar stets einen besonders guten Tropfen. Es gibt den bekannten Rat: Beim 'Kochwein' soll man nicht sparen! Jetzt wissen Sie endlich auch warum!
Im November 2015 sagte ein Koch am Schweizer Fernsehen: "Ich koche gerne mit Wein. Manchmal gebe ich ihn auch ins Essen". Ganz offensichtlich hat Heinz Gassers Einstellung zum Kochwein schon in der ganzen Schweiz die Runde gemacht und ich helfe gerne mit, dass dies weiterhin geschieht.
Wie gut das ankommt bewies mir später ein kantonales Amt für Zivilschutz als ich von einem Beamten, welcher meine Küchenabrechnungen kontrollierte, einen Telefonanruf bekam mit der verwunderten Frage, warum ich in dem 2-tägigen Kurs 5 Liter Kochwein verrechnen liess. Ich gab ihm getreu dem Motto von Heinz Gasser zur Antwort: Der Kochwein diente auch ein wenig dem Koch zur Netzung der Kehle, darum heisst er ja Kochwein. Danach war es ein paar Sekunden still am Hörer, doch als der Beamte nach meiner Antwort fertig überrascht war, musste er ganz vernehmlich lachen und gab sich zufrieden.
Und nun zur Ehrenrettung von Heinz Gasser: Er liebte zwar den Geschmack des Weins und auch seine seelische Ermunterung, die er auslöste, nicht aber den Alkohol an sich, der war ihm als Nicht-Chemiker ziemlich egal. Es brauchte aber etwas Menschenkenntnis, um dies zu bemerken. Ich gehörte zu den Glücklichen, die von den verschiedenen Ideen des Heinz Gassers zum Kochen, Essen und Geniessen seit inzwischen über 33 Jahren sehr stark profitieren konnte und ich danke es ihm für immer. Heinz Gasser ist leider am 19. November 2020 im Alter von 90 Jahren verstorben.