Die Sandsteingrube an der oberen Rümlangstrasse, bereits auf Rümlanger Boden liegend, von der Seebacher Jugend meist nur kurz «die Felsen» genannt, war ein beliebter Kinderspielplatz für die grösseren Buben und die forscheren Mädchen bis in die 1950er Jahre hinein. Die Buben gruben dabei mit spitzen Hölzern Fusstritte in die fast senkrecht abfallenden Felswände, welche etwa sechs Meter hoch waren. An gewissen Stellen gab es drei solcher Trittwege übereinander, die für eine Begehung unterschiedliche Schwierigkeitsgrade aufwiesen. Als 10-Jähriger wurde ich von Mitschülern und Spielkameraden in die Klettertechnik an diesen Felsen eingewiesen. Stets warnte man mich, vorsichtig zu sein, um nicht abzustürzen, da schon zwei Mal unvorsichtige Buben bei Abstürzen sich Beine oder Arme gebrochen hätten.
Nachdem ich einen ersten Kletterpfad beherrschte, wagte ich mich alleine kurz nach dem Mittagessen und noch vor dem Schulbesuch auf einen anderen Kletterweg. Dabei kam, was kommen musste. Plötzlich ging es weder vorwärts noch rückwärts, da meine Arme und Beine hierzu noch zu kurz waren. Den augenblicklichen Standort erreichte ich mit einem kleinen Sprung. Zurückspringen war aber nicht möglich. So blieb ich gefangen in den Felsen. Angelehnt an die Felswand harrte ich mit bald tauben Fingern über zwei Stunden in der ungemütlichen Lage und verpasste die Schule.
Endlich tauchten kurz nach 16 Uhr die ersten Schüler nach der Schule auf, um wieder ihrem Sport zu frönen. Glücklicherweise waren es grosse Buben und sie bemerkten bald meine ungemütliche Lage und zeigten mir einen einfachen Trick. Es gab nämlich gar kein Weiterkommen an dieser Stelle. Man musste absteigen! Das hatte ich vor lauter Angst völlig übersehen. Ohne Probleme befreite ich mich aus der ungemütlichen Lage. Zu Hause erzählte ich nichts, doch am nächsten Tag musste ich der Lehrerin Hedwig Wipf erklären, warum ich gestern Nachmittag die Schule schwänzte. Sie ermahnte mich dringend, nur harmlose Wege zu erklettern und vor allem niemals alleine. Damit ich das auch kapiere, musste ich es zehn Mal auf ein Blatt Papier schreiben, während die anderen Schüler zeichnen durften.
Dieses Erlebnis hat mit geholfen, dass ich später auf meinen Bergtouren stets die nötige Besonnenheit an den Tag legte, keine unnötigen Risiken einging und nicht selten Kehrt machte, als es noch möglich war.