Als Schnauzenbusse wurden die Saurer V9 (1927), Saurer 4 PBO (1930) und BLD (1934) mit der grossen Motorhaube und dem chromglänzenden Kühler genannt. Von diesem Bustyp beschafften die StStZ ab 1927 bis spätestens 1947 45 Exemplare beschafft. Die Motoren hatten um 8 Liter Hubraum und rund 100 PS. Von diesem Bustyp besass die StStZ schätzungsweise 50 Stück in drei verschiedenen Ausführungen, welche seit dem 8.8.1927 nach und nach beschafft wurden. Kraftwagen statt Bus werden sie in diesem Beitrag deshalb genannt, weil das die historische und offizielle Bezeichnung dieses Bustyps bei der StStZ war. Schnauzenbus war eher die volkstümliche Bezeichnung. Der Name kam in Zürich erst so richtig auf, als Saurer den ersten modern geformten Autobus 1948 in Verkehr brachte, der die Bezeichnung Frontlenker erhielt.
Der Begriff Schnauzenbus war in Deutschland schon viel früher gebräuchlich. Der alte Kraftwagen kam in Seebach seit 1931 auf der Linie C (?) Seebach-Glattbrugg mit späterer Verlängerung zum Flughafen Kloten zum Einsatz und wurde ab etwa 1952 durch den Frontlenker nach und nach abgelöst. Später sah man den Kraftwagen noch bei Sondereinsätzen wie etwa den Schülertransporten vom Schulhaus Buhnrain zum Schwimmunterricht ins Allenmoos. Diese Schüler nannten ihn um 1960 herum auch Sarg. Nach 1960 wurde er nur noch selten eingesetzt. Heute besitzt die VBZ noch zwei Fahrzeuge dieses Typs, welche als historische Fahrzeuge gelegentlich zum Einsatz kommen. Man muss die Fahrzeug heute mit Verstand einsetzen, denn sie sind über 80 Jahre alt. Die alten Busse tragen wieder den Original-Anstrich von ganz früher und die Fahrgäste fühlen sich wie in Grossmutters guter Stube mit viel Leder und richtigem Holz.
Diese Kraftwagen erhielten im Laufe des Betriebes verschiedene Verbesserungen, wobei die neue «Klimaanlage» das auffälligste Merkmal war: Drei und später vier Savonius-Rotoren auf dem Dach, welche durch den Fahrtwind angetrieben, dem Fahrgast frische Luft zufächelten. Es gab einen Schieber, mit welchem der Kondukteur die Dosis Frischluft von Hand regeln konnte und zwar vollmechanisch über ein Synchrongestänge mit schwarzen Knäufen, sofern ich das damals richtig beobachtet habe. Im Sommer stand der Schieber stets offen, im Winter fast geschlossen. Ansonsten wurde er nach Bedarf geregelt. Die Savonius-Rotoren liefen so leicht, dass sie nach dem Anhalten noch minutenlang weiter drehten und auch weiter kühlten oder für Frischluft sorgten. Geheizt wurde mit den Abgasen des Motors, indem diese in einem Heizrohr durch den Fahrgastraum geleitet wurden.
Eine weitere Möglichkeit, den Fahrgästen im Sommer den Aufenthalt im heissen Kraftwagen so angenehm wie möglich zu machen, war das Offenlassen (!) der vorderen Fahrgasttüre, welche dann vor jeder Abfahrt mit einem dicken Lederriemen so pro forma gesichert wurde. Die Busse hatten übrigens noch keine Haltestangen für stehende Fahrgäste, sondern lederne Haltegriffe, welche frei hängend an der Wagendecke montiert waren. Wurden sie nicht gerade benutzt, so baumelten sie während der Fahrt mehr oder weniger im Takt, was dem Businneren eine ganz eigenwillige Atmosphäre verlieh. Dazu gehörten auch die längs angeordneten Sitzbänke. Der Komfort im Bus war erstaunlich, besass er doch ausschliesslich dunkelbraune Ledersitze!
Ein besonderes Merkmal war das Geräusch des Motors. Es ist recht schwierig zu beschreiben. Man kommt der Sache aber sicher am nächsten, wenn man sagt, dass der Kraftwagen dem Fahrgast auf unmissverständliche Art vermittelte, dass er 100 PS leistete. Für die damalige Zeit galt das als recht viel. Das Gefühl des Kraftüberschusses entstand vor allem einmal im Ohr des Fahrgastes. Begleitet war das Geräusch von einem zarten, aber doch gut riechbaren Geruch nach heissem Motorenöl, welches ebenfalls von der Antriebseinheit verströmt wurde. Untermauert wurde das ganze noch durch Erschütterungen des gesamten, teilweise hölzernen Wagenkastens, einerseits durch die Auf- und Abwärtsbewegungen der zahlreichen Kolben in den Zylindern des Motors ebenso wie durch die in dieser Zeit noch etwas urzeitlich arbeitenden Dämpfungselemente der gefederten Radaufhängungen.
Von der Führerkanzel kamen zudem weitere rätschende und knackende Geräusche, wenn der Wagenführer die Motorbremse am Steuerrad vor schob oder den Gang wechselte. Das Steuerrad konnte sich sehen lassen. Anstelle einer Servolenkung war es damals einfach recht gross bemessen und besass einen Durchmesser von fast einem Meter! Hochinteressant anzuschauen war auch, welche schüttelnden und rüttelnden Bewegungen der grosse, schwarze Schaltknauf bei der Fahrt vollführte. Bei laufendem Motor hatte er eine Amplitude von mehreren Zentimetern und das mit einer Frequenz von etwa 10 Schwingungen pro Sekunde. Ungewöhnlich war auch, dass das Gaspedal zwischen Kupplungs- und Bremspedal angeordnet war.
Ein lustiges Spiel der etwas frecheren Buben war es, die auf den vorderen Kotflügeln angebrachten Manöverierhilfen aus Hartgummi zu umfassen. Beim Halt rüttelten sie mit hoher Frequenz so stark, dass man davon taube oder heisse Hände bekam. Es gab damals Wagenführer, die beherrschten den Bus so virtuos, dass vor allem junge Buben sich immer wieder den vordersten Stehplatz direkt hinter dem Führer streitig machten, um nichts von der rhythmischen Gymnastik des Führers zu verpassen. Auch ein zur Kugelgestalt neigender Wagenführer hätte bei dieser Schwerstarbeit binnen weniger Monate ein asketisches Aussehen angenommen.
All dies vermag vielleicht ansatzweise zu erklären, warum die Söhne von solchen Kraftwagenführern ohne eigenes Dazutun in der Schule einfach einen höheren Stellenwert hatten. Sie waren wer, weil der Vater eben wer war. Ein Wagenführer der StStZ genoss damals ein hohes Ansehen, ähnlich wie heute ein Flugzeugführer. Während des 2. Weltkrieges wurden einige der Schnauzenbusse mit einem Holzvergaser ausgestattet, welcher als einrädiger Anhänger mitgeführt wurde. Während des Krieges wurden zahlreiche Schnauzenbusse der Stadt Zürich für Personentransporte durch das Militär requiriert.
Alle diese Schilderungen entstammen meinen kindlichen Erinnerung und mögen da und dort etwas überspitzt erscheinen oder vielleicht sogar falsch sein. Ich fuhr in meiner frühesten Jugend in den späten 1940er Jahren in diesem alten Bus oft auf dem Streckenabschnitt Hirschenplatz Schwamendingen - Sternen Örlikon, wenn meine Mutter mich zum Einkauf in Örlikon mit nahm. Die Buslinie hiess damals noch nicht 62, sondern D.
Als lustige Ergänzung sei noch angemerkt, dass es zu jener Zeit aufkam, den Mechaniker als Füger zu bezeichnen. Diese interessante Bezeichnung wurde um 1930 als Neuerung in Deutschland erdacht, fand aber ihren Weg in die Schweiz nicht mehr so recht, da man in einem mehrsprachigen Land keinen so dringenden Grund sah, alles zu verdeutschen. Die Garagen, Verzeihung, die «Kraftställe» der Kraftwagen befanden sich anfänglich im Depot, Verzeihung im «Kraftwagenbetriebswerk» Elisabethenstrasse nahe der Zweierstrasse.
Zuletzt noch dies, doch deshalb nicht minder ergötzlich: Über dem Fenster des Wagenführers hing damals ein Schild, auf welchem Stand: Das Sprechen mit dem Führer ist während der Fahrt verboten, oder so ähnlich. Die sehr ans Hochdeutsche erinnernde Bezeichnung «Kraftwagenbetrieb der Städtischen Strassenbahn Zürich» wurde in den 1930 Jahren abgeändert in die hierzulande sich immer mehr durchsetzende Form «Autobusbetrieb der Stadt Zürich».
Quellen: - Verein Trammuseum - OGS-eigene (Fahrerlebnisse, Erinnerungen) - VBZ-Homepage: www.vbz.ch unter Busgeschichte - Jahreskalender des Ortsgeschichtlichen Vereins Örlikon (OVO) - Ulrich Schmidhauser (Übername Sarg um 1960)