Die reformierte Kirchenpflege von Seebach beantragte 1875 die Anstellung einer Leichenbitterin für die Gemeinde. Die Leichenbitterin hat im Auftrag der Angehörigen Verwandte und Freunde der verstorbenen Person zum Begräbnis einzuladen. Für ihre Dienstleistung sollte sie einen Lohn von 2 Franken erhalten. Zuerst wird vorgeschlagen, die Gebühr je zur Hälfte den Angehörigen und dem Kirchengut zu belasten. Aus Rücksicht auf die vielen armen Familien in der Gemeinde verzichtete man schliesslich darauf, den Hinterbliebenen Kosten für die Leichenbitterin aufzubürden.
In der hiesigen Mundart hiess die Leichenbitterin Liichsägeri. So nannte man um 1900 jene Person im Dorf, welche im Auftrag der Kirchgemeinde für ein sehr bescheidenes Entgelt von Haus zu Haus gehen musste, um die bevorstehenden Beerdigungen anzukündigen. Das war um 1900 eine schon ziemlich betagte Frau, deren Name leider in Vergessenheit geriet, welche trotz Beschwerden mit den Beinen die beschwerliche Aufgabe meisterte. Darüber berichtete Emma Schulthess-Meier in ihren Memoiren, welche sie in Briefform an Ernst Benninger und Kurt Wirth richtete, wobei sie noch ganz altmodisch Lychsägeri mit einem Ypsilon schrieb.
In offizieller Sprachregelung von 1875 nannte sich dieses Amt aber Leichenbitterin. Kurt Mäder vom Verein Ortsmuseum Seebach hat dazu im Stadtarchiv Zürich zufällig die Pflichtordnung gefunden, welche die Tätigkeit der Liichsägeri regelte. Sie wird anschliessend an diesem Beitrag angehängt.
Beerdigungen fanden damals meistens an einem Sonntag statt. Diese Person war nötig, weil es sich in jener Zeit nur wenige Leute leisten konnten, eine Zeitung zu kaufen, um auf dem Laufenden zu sein. Verträgerinnen gab es nicht. Wer das «Echo vom Zürichberg» erwerben wollte, musste es bei der Expedition gegenüber dem Restaurant «Bahnhof» in Ã?rlikon persönlich abholen! Mit Liich war damals nicht eine Leiche gemeint, sondern deren Beerdigung. Modern würde sie heute Bestattungsanzeigerin oder so ähnlich heissen.
Pflichtordnung für die Leichenbitterin der Gemeinde Seebach angenommen vom Gemeinderath 16. Dezember 1875
1. Die Leichenbitterin hat vor jedem Begräbnis, spätestens am Tage vorher, jeder Haushaltung in der Gemeinde Anzeige zu machen.
2. Für diese Anzeigen wird ihr, um Taktlosigkeiten möglichst zu verhüten, ein einfaches Formular zugestellt.
3. Die Leichenbitterin soll während der Ausübung ihres Amtes schwarz gekleidet sein.
4. Zur Teilnahme am Leichenbegängnis selber ist sie nicht verpflichtet.
5. Ist sie durch zwingende Gründe einmal verhindert, ihren Obliegenheiten nachzukommen, so hat sie auf ihre eigenen Kosten für eine geeignete Stellvertreterin zu sorgen.
6. Auch wenn mehrere Leichenbegängnisse zu gleicher Zeit stattfinden, bezieht sie doch für jede einzelne Leiche die Entschädigung von 2 Franken.
7. Verlangen Hinterlassene, dass auch in Nachbargemeinden zum Leichenbegängnis geladen werde, so hat die Leichenbitterin zwar diesfällige Aufträge auszuführen, ist aber dafür von den Auftraggebern extra zu entschädigen.
8. Die Amtsdauer der Leichenbitterin beträgt 1 Jahr.
Also beschlossen von dem Gemeinderath,
Der Präsident: (Name schwer leserlich)
Der Schreiber: (vermutlich Hotz)
Seebach, 16. Dez. 1875
Quellen: - Emma Schulthess-Meier 18.2.1987 - Stadtarchiv Zürich, VI.SB.D.5.b) - Heinz Eppenberger in «125 Jahre TVS», 1998, Seite 6