In den frühen 1950er Jahren besuchte jährlich einmal ein Mann mit einem grossen Handwagen den Schönauring. Dabei stellte er den Wagen an den Strassenrand und besuchte jeden Wohnblock und jede Häuserzeile einzeln und rief mit lauter Stimme «Schäääreschliiifer». In der einen Hand schwenkte er ein gutes Dutzend Scheren, die er alle über seine Finger und den Daumen gestülpt hatte. Zeigte sich auf sein Rufen hin keine Hausfrau, dann läutete er an jeder Tür. Ã?ffnete ihm jemand, dann begann er sein Verslein herunter zu leiern und zeigte auf das Dutzend Scheren an seiner Hand und meinte voller Stolz: "So viele Scheren hab ich alleine in dieser Häuserzeile zum Schleifen bekommen." Obwohl das gar nicht stimmte, fiel die gute Frau auf den Trick herein, holte auch eine Schere und übergab sie dem Scherenschleifer zum Wetzen.
Bekam er eine Schere, dann begab er sich sofort zu seinem Wagen und trat auf die Stampfe, welche über eine Kurbel den im Wasser drehenden Schleifstein in Drehung versetzte. Er schliff die vier Seiten der Schere und begab sich zurück zur Hausfrau. Meist war er von kleinen Kindern begleitet, welche ihm bei der Arbeit zuschauten. In Erinnerung geblieben ist das betroffene Gesicht der Hausfrauen, wenn der Scherenschleifer seinen Preis nannte. Offenbar musste er sehr viel Geld für seine Arbeit verlangt haben. Einmal hat sich eine Frau geweigert, den verlangten Preis zu zahlen, worauf der Scherenschleifer die Schere kurzerhand einbehielt. Vermutlich hat er in einem anderen Stadtteil die requirierten Scheren weiter verkauft und auf diese Art in jedem Falle ausreichend verdient. Seine Arbeitsweise hat sich aber bald einmal herum gesprochen und noch viel mehr seine Preisgestaltung. Nach wenigen Jahren kannten ihn alle Hausfrauen und fielen auf seinen Trick nicht mehr herein.
Der Störscherenschleifer hat mit Sicherheit dem einheimischen Messerschleifer Hermann Nussbaumer, welcher im Schönauring wohnte und an der oberen Köschenrütistrasse eine kleine Werkstatt betrieb, das Geschäft ganz gründlich verhagelt.