Der Tengelmann, in der Mundart 'de Tängelimaa' genannt, ist ein Beruf, den es heute nicht mehr gibt. Noch bis etwa Mitte des letzten Jahrhunderts, also bis vielleicht 1950 gab es die Tengelmänner noch, wenn auch nicht mehr vollberuflich. Sie hatten die Aufgabe, die Sensen der Bauern und anderweitigen Graslandbesitzern zu tengeln, das heisst, den vorderen etwa 5 mm breiten Schlagrand der Sense mit dem Tengelhammer auf dem Tengelstock so zu schlagen, dass die Sensenklinge sehr dünn wurde. Danach konnte sie wieder mit dem nassen Wetzstein scharf geschliffen werden. Dieses Tengeln wurde bei jeder Sense, aber auch bei jeder Sichel von Zeit zu Zeit nötig und zwar dann, wenn der dünne Tengelrand abgewetzt war. Das Tengeln war weit herum zu hören und früher ein ganz normales Alltagsgeräusch im Dorfleben.
Noch um 1900 gab es in jedem Dorf einen Tengelmann. Die Bauern brachten ihm ihre Sensen und Sicheln und bezahlten dafür das bescheidene Tengelgeld. Hatte der Tengelmann keine Arbeit mehr, ging er auf die Stör, d. h. er besuchte alle Bauern und Landbesitzer im Dorf und der näheren Umgebung und frug, ob es Sensen und Sicheln zu tengeln gäbe. Oftmals reichten die Einnahmen aus dem Tengelgeld nicht, um eine Familie durch zu bringen, sodass der Beruf des Tengelmanns meist nur als Nebenbeschäftigung betrieben werden konnte. Das lag auch daran, dass die sparsamen und schlauen Bauern sich einen eigenen Tengelstock und Tengelhammer zulegten und Sensen und Sicheln selber tengelten.
1952 erzählte uns die Primarlehrerin Nelly Friedrich, dass der letzte Seebacher Tengelmann an der Seebacherstrasse im Dorf irgendwo zwischen der Niklauskapelle und der Abzweigung der Köschenrütistrasse gewohnt habe.
Der Tengelmann ist auch in die 'Musikgeschichte' eingegangen, wenn auch nur in sehr schlichter Ausprägung. Denn noch bis in die 1950er Jahre sangen die Kindergärtner und auch die Erst- und Zweitklässler das damals noch sehr bekannte Lied:
De Tängelimaa
De Tängelimaa, de Tängelimaa, halli hallo, de Tängelimaa, de Tängelimaa.
Wo gaat er hii, wo gaat er hii? halli hallo, wo gaat er hii, wo gaat er hii?
I d'Landwirtschaft, i d'Landwirtschaft, halli hallo, i d'Landwirtschaft, i d'Landwirtschaft.
Was mach er dööt, was macht er dööt? halli hallo, was macht er dööt, was macht er dööt?
Er trink es Bier, er trinkt es Bier, halli hallo, er trinkt es Bier, er trinkt es Bier.
Und was dezue, und was dezue? halli hallo, und was dezue, und was dezue?
Es Schnäfeli Chäs, es Schnäfeli Chäs, halli hallo, es Schnäfeli Chäs, es Schnäfeli Chäs.
Wänn gaat er hei, wänn gaat er hei? halli hallo, wänn gaat er hei, wänn gaat er hei?
Am zwölfi z'Nacht, am zwölfi z'Nacht, halli hallo, am zwölfi z'Nacht, am zwölfi z'Nacht.
Was säit dänn d'Frau, was säit dänn d'Frau? halli hallo, was säit dänn d'Frau, was säit dänn d'Frau?
Sie schmiert es uus, sie schmiert en uus, halli hallo, sie schmiert en uus, sie schmiert en uus!
Text und Melodie waren so einfach, dass die Kinder laufend neue Verse erfanden, um das Lied so lange wie möglich weiter singen zu können. Gingen die Verse aus, so fing man wieder von vorne an. Vor allem bei längeren Spaziergängen mit der ganzen Schulklasse war dieses Lied sehr dankbar, vergass man dabei doch ein wenig, dass der Schuh drückte oder dass man nicht so gerne tippelte.
Nelly Friedrich, unsere Lehrerin, war allerdings nicht sonderlich erbaut, wenn wir dieses Lied sangen, allein schon deshalb, weil es sicher nicht zum obligatorischen Lehrstoff gehörte, den sie zu vermitteln hatte. Solange wir das Lied auf dem Lande sangen, liess sie uns gewähren, doch sobald wir uns wieder den Häusern näherten, tönte sie ein anderes Lied an. Offenbar hat sie sich wegen des schlichten Textes ein wenig geniert und gedacht: "Was denken denn all' die Leute, wenn sie hören, welchen Schmarren die Kinder in der Schule lernen!"