Eismassengrenze und Leitgestein beim Linth-Rheingletscher
Geologie / Geografie – Eiszeit – historisch
Unter der Eismassengrenze bei Gletschern versteht man die Abgrenzung des Eises eines Gletschers gegenüber einem Seitengletscher im Eisstromtal. Wer schon einmal auf dem Gornergrat war und auf die fünf dort zusammen fliessenden Gletscher hinunter geschaut hat, konnte feststellen, dass die Gletscher sich gegenseitig Platz machen, je nachdem wie viel Eis sie zum Gesamtstrom beisteuern, wie mächtig sie sind und wie schnell sie fliessen. Sie teilen sich also den Platz im Tal auf, ganz im Gegensatz zum Wasser, welches sich bald einmal vermischt. Einmal vereinigt, passen sie auch gegenseitig ihre Fliessgeschwindigkeit an. Damit es beim Eis nicht zu einem Stau kommt, nimmt der ursprünglich schnellere Eisstrom einfach etwas mehr Platz in Anspruch und reduziert entsprechend seine Fliessgeschwindigkeit. Dieser Prozess beginnt bereits bei der Vereinigung und ist nach wenigen hundert Metern abgeschlossen.
Da bei Steinschlag und Felsstürzen immer wieder Gestein auf die Gletscher fällt, welches von den Gletschern meist bis ans Ende ihres Laufs verfrachtet wird, kann man anhand des Gesteins feststellen, welches Eis über eine Ortschaft im Unterland floss. Im Falle von Seebach lag die Sache so, dass es meistens vom Rheingletscher und nur selten vom Linthgletscher überflossen wurde. Die Grenze zwischen diesen Eisströmen lag manchmal bei Örlikon und manchmal bei Opfikon. Das hing nach der oben beschriebenen Beobachtung von der Eismenge der beiden Hauptgletscher ab. Da im Bündnerland, wo das Rheineis her kam, andere Niederschlagsmengen fielen als im Linthtal und sich dieses Verhältnis auch immer wieder änderte, war dies einer der Gründe für das ständige Pendeln der Eismassengrenze. Da also für grosse Teile des vom Eis bedeckten Glatttals die Eismassen mal aus Rhein- und mal aus Lintheis bestanden, spricht man generell vom Linth-Rheingletscher. Mit Eismassengrenze ist im vorliegenden Fall die sich ständig verschiebende Grenze des Eises der beiden Gletscher gemeint.
Gegen Ende der letzten Eiszeit (Spätwürm) lag die Grenze bei Örlikon, d.h. Seebach wurde von Rheineis überflossen, welches durch das Walenseetal kam und sich in der Linthebene mit dem Lintheis vereinigte. Zürich wurde somit von Lintheis überflossen. Das weiss man heute deshalb so gut, weil man als erstes einmal die grösseren Findlinge der Gegend genau unter die Lupe nahm. Findlinge können allerdings nur in jener Zeit in Seebach abgelagert worden sein, als der Gletscher sich im Rückzug und die Gletscherzunge sich in Seebach befand. Während des Kältemaximums reichte die Eiszunge ja bis Otelfingen und die meisten Gesteinsbrocken wurden dort abgelagert. Etwas verschmiert wird diese Schlussfolgerung allerdings durch den Umstand, dass sich während der Wiedererwärmung die Eisdecke verdünnte und die Buhn, die Heu und das Asp wieder als Nunatak aus dem Eis herausragten. Felsbrocken, die ganz am Rande des Gletschers lagen, wurden also schon in Seebach abgelagert, als der Gletscher noch einige hundert Jahre beim Katzensee einen Zwischenhalt einlegte. Deshalb ist es nicht immer sicher, wann genau ein Findling deponiert wurde. Erst beim Überprüfen seiner Lage lässt sich Näheres sagen.
Ein Findling, welcher auf der Buhn gefunden wird, wurde offensichtlich während dem Schlierenstadium (Katzensee-Stadium) abgelagert. Einer welcher am Katzenbach, also genau in der Mitte des Tales gefunden wird, wurde beim Rückzug des Gletschers aus Seebach abgelagert, sein Ablagerungsdatum ist also jünger als einer von der Buhn, da er von der Gletscherzunge abgeladen wurde. Gesteinsblöcke, die beim Vorstoss vor bald 30'000 Jahren in Seebach abgelagert wurde, sind entweder vom Gletscher vor sich her geschoben oder vom nachfolgenden Eis aufgenommen und weiter transportiert worden. Dabei hat es sie entweder zu Steinmehl zerrieben oder sie hatten Glück und landeten genügend tief im Gletscher. Dann liegen sie heute in oder unter den Endmoränen von Otelfingen.
Findlinge, die uns durch ihren Standort verraten, wann sie abgelagert wurden und woher sie stammen, nennt man Leitgestein. Dazu gehören natürlich nicht nur Findlinge, sondern auch kleinere Steine. Allerdings ist da in heutiger Zeit Vorsicht geboten, da man nicht mehr von jedem Gestein sagen kann, ob es seit dem Ende der letzten Eiszeit hier lag oder ob es von Menschenhand umher transportiert wurde.
Quellen: - Eiszeitalter, R. Hantke - Geologie des Kantons Zürich, Thomas Bolliger - Geologie von Zürich, Heinrich Jäckli - OGS-eigene
Diese frühe Skizze der OGS über das Fliessverhalten des Eises zeigt die Eismassengrenze von Linth- und Rheingletscher im Glatttal und über Seebach. Eingezeichnet sind auch die geschätzten Fliessgeschwindigkeiten der Eisströme.