Um die Abflussmengen zu berechnen, unterteilt man den Gletscher in Abschnitte und bezieht sich auf die jeweiligen einzelnen Gletscherlappen mit einem eigenen Abfluss. Am Beispiel des Seebacherlappens des Linth-Rheingletschers berechnet man wie folgt: Abschnitt Schärenmoos bis Ende Schlierenstadium beim Katzensee. Mittlere Breite des Gletschers: 2 km, Länge 6 km, mittlere Dicke des Eises: 30 m. Dies ergibt eine Eiskubatur von 360 Mio. m³. Bei einer Rückzugsgeschwindigkeit von 100 m pro Jahr ergibt das 6 Mio. m³ Eis oder 175 l/s. Diese Menge Wasser ist nun der natürlichen Niederschlagsmenge für das betreffende Einzugsgebiet hinzuzuzählen sowie die Verdunstung wegzuzählen. Somit sind nochmals 12 km² x 1,3 m Regen pro Jahr hinzuzuzählen, was umgerechnet weitere 490 l/s ergibt.
So kommt man auf etwa 680 l/s Abflussmenge bei einem Gletscher in Rückzug auf dem Gebiet Katzenbachtal. Zieht man hier noch die natürliche Verdunstung ab, dann bleiben mit Sicherheit rund 650 l/s, was gegenüber der gesamten heutigen Abflussmenge ein Mehrfaches darstellt. Da damals aber ein Abfliessen des Gletscherwassers auf natürliche Art nicht möglich war, da sowohl das Katzenbachtal als auch das Binzmühlebachtal mit Gletscherschutt erfüllt war und sich das Schmelz- und Meteorwasser hinter der Gletscherstirn staute, entstand dann der Seebachersee*). Er füllte sich solange, bis das Wasser bei den heutigen Katzenseen den höchsten Punkt des Tals erreichte und dann über die Furt entwässerte. Da die Grundmoräne einen natürlichen Stauhorizont bildete, konnte praktisch kein Wasser in den Untergrund entweichen. Die letzen paar hundert Meter des Gletschers schwammen somit während des Schlierenstadiums auf dem Gletscherrandsee, soweit dies die beiden Seebacher Bachtäler betraf.
Beim Oberhausemer Lappen hingegen floss das Gletschereis auf dem Boden, da der Gletscherrandsee dieser Zunge bei Oberglatt lag und ein deutlich tieferes Niveau hatte. Erst als sich auch dieser Lappen in das Gebiet von Oberhausen zurückzog, begann sich ein Gletscherrandsee, der so genannte Oberhausersee*) zu bilden, da im Gebiet von Oberhausen Moränenmaterial lagerte. Da hier primär eine Endmoräne für die Stauung verantwortlich war, war dieser See genau genommen ein Endmoränenstausee.
Die Abflussmengen des gesamten Linth-Rheingletschers bei Beginn des Rückzuges sind etwa folgendermassen zu berechnen: Länge des Gletschers 105 km, mittlere Breite 20 km und mittlere Mächtigkeit des Eises 8oo m. Dies ergibt ein Gesamteisvolumen von 1Â?680 km³. Dieses Volumen schmolz zwischen 21Â?000 und 19Â?500 vor heute vollständig ab (Rückzugsstrecke von Killwangen/Glattfelden bis Sargans). Dies ergibt pro Jahr 1,158 km³ und pro Tag 3,172 Mio. m³ oder 36,7 m³/s, welches die Flüsse Limmat, Glatt, Töss, Surb, Furt und Stadler Bach zusätzlich zur Niederschlagsmenge abzutransportieren hatten. Wie man sofort sieht, war das für die Flüsse keine besonders auffällige Wassermenge. Der von Thomas Bolliger postulierte rasche Rückzug des Linth-Rheingletschers innert nur 1Â?500 Jahren von Killwangen nach Sargans mit anschliessendem Neuvorstoss bis Zürich ist also durchaus realistisch und verursachte keine «Sintflut» im Kanton und ebenso wenig in Seebach.
*) Geologische Lokalbezeichnung, durch die OGS vergeben
Quellen: - Eiszeitalter, R. Hantke - Geologie des Kantons Zürich, Thomas Bolliger - Geologie von Zürich, Heinrich Jäckli - OGS-eigene