Die Bezeichnung Lichtwerk galt nur für die ersten paar Jahre nach der Einführung. Ab etwa 1907 hiess das Lichtwerk «Elektrizitätswerk Seebach» oder kurz EWS. Dennoch hielt sich die Bezeichnung Lichtwerk noch bis nach 1945, indem damals im hiesigen Volksmund ein Elektrizitätswerk einfach ein Lichtwerk war. Das hatte damit zu tun, dass das elektrische Licht der überragende Fortschritt für den Alltagsbürger darstellte, während der übrige Strombedarf noch nicht so wichtig war. Um etwa 1950 schuf ein Spassvogel für das EW den Übernamen «Eläkezimiramfüdlizitëtswërch», wobei diese Bezeichnung nur ganz örtlich in einzelnen Primarschulklassen, vornehmlich in der 4. - 6. Klasse zu hören war. Die Schüler dieser Altersgruppe konnten sich spitzbübisch darüber freuen, wenn man diese Bezeichnung in Anwesenheit des Lehrers benützte.
Das Lichtwerk befand sich anfänglich an der Binzmühlestrasse 22, wo auch die Wasserversorgung untergebracht war. Es trug die Assek.-Nr. 501. Danach gelangte das Lichtwerk vorübergehend in eine Fabrikhalle der C. Wüest & Cie., Fabrik für elektrische Industrie, im späteren Gaussareal und erst 1907 kam es in den alten Werkhof, auch alte Gerwe genannt, an der Friesstrasse 54. Etwa um 1909 wurde an der Köschenrütistrasse 67 ein Provisorium erstellt, das 1912 abbrannte. Es diente als Unterwerk. Doch schon 1904 wurde von der EKZ ein neues Unterwerk erstellt, welches die älteren Seebacher sicher noch kennen. Das Elektrizitätswerk Seebach besorgte in freier Konkurrenz mit zwei privaten Anbietern auch Elektroinstallationen.
Das Gebäude an der Binzmühlestrasse 22 gleich neben der alten Binzmühle wurde 1895/6 für Fr. 42'000.- erbaut. Es wurde 1896 eingerichtet und nahm seinen Betrieb 1897 voll auf und belieferte 1897 49 und 1899 bereits 77 Kunden mit Strom. Es ist die Rede von 960 Lampen und 10 Bogenlampen die Rede. Damit dürften vermutlich die privaten Lampen gemeint sein, denn Seebach war, wie es Reinhard Ochsner zu sagen pflegte, nachts von ägyptischer Finsternis erfüllt. Eine richtige Strassenbeleuchtung gab es noch nicht, abgesehen von ein paar einzelnen Lampen.
Die Anlage arbeitete nach folgendem Prinzip: Mit Hilfe von Gasgeneratoren erfolgte eine Kohlevergasung. Das gewonnene Gas wurde in einem Gastank gespeichert und in bis zu zehn Gasmotoren verbrannt, die mit grossen Schwungrädern arbeiteten. Ab dieser Welle wurden zwei Dynamos angetrieben, welche einen Gleichstrom erzeugten. Mit diesem Strom wurden «Örlikon-Akkumulatoren» geladen. Diese dienten als Pufferspeicher. Ab diesen Akkumulatoren wurde der Gleichstrom in Wechselstrom umgewandelt und an die Verbraucher geliefert. Um die Lebensdauer der Akkumulatoren nicht unnötig zu verkürzen, floss nur ein Teil des Stromes zu denselben, während der grösste Teil, nämlich die sogenannte Bandenergie, an den Akkus vorbei direkt zum Wechselrichter floss. Sobald alle Akkus wieder voll geladen waren, wurde die Anzahl der laufenden Gasgeneratoren und -motoren dem laufenden Bedarf angepasst. Dazu gab es im Lichtwerk ein grosses Messinstrument. Das Zu- und Abschalten der Generatoren erfolgte von Hand.
Die Akkumulatoren-Anlage wurde aber nur zum Decken von Verbrauchsspitzen oder bei Ausfall eines Generators benützt. Für den Grundbedarf, eben die sogenannte Bandenergie, wurde der Strom der Generatoren stets direkt in Wechselstrom umgeformt. Parallel dazu bezog das Lichtwerk aber von Anfang an auch Strom direkt von einem Flusskraftwerk in Bremgarten und ab 1899 auch vom EWZ Letten an der Limmat. Nachdem die Stromlieferungen vom Letten und von Bremgarten stabil waren, dienten sie in erster Linie zur Abdeckung des Grundbedarfs, die Generatoren wurden nur noch bei Verbrauchsspitzen zugeschaltet und die Akkumulatoren dienten zum Schluss gar nur noch für den Notfall. Über die Details des technischen Aufbaues, insbesondere über den Einsatz der Gasmotoren und der Akkumulatoren, liess sich in der Literatur nichts finden, sodass der fachlich Interessierte sich auf die obigen, allgemein gehaltenen Aussagen stützen muss, welche aus zahlreichen Einzelinformationen von der OGS rekonstruiert wurden.
Es liess sich lediglich noch folgendes feststellen: Zeitweise reichten die Stromlieferungen der beiden Flusskraftwerke nicht aus, um den Bedarf zu decken. Das lag aber nicht an den Kraftwerken, sondern am aus Kostengründen von der Gemeinde ganz bewusst niedrig angesetzten Liefervertrag. Die Stromproduktion mit Kohle war aber wenig effizient, daher wurde sie nach einer gewissen Zeit wieder aufgegeben. Der Leistungsbedarf der Seebacher Bezüger wurde für das Jahr 1900 mit rund 100 PS angegeben. Das Lichtwerk wurde, wie weiter oben schon erwähnt, von etwa 1904 bis 1907 aus Platzgründen aus dem Pumpenhaus ausgegliedert und im Fabrikgebäude von Gemeindepräsident Caspar Wüst neu eingerichtet. Ab 1907 kam es dann in die Gerwe, auch Werkhof genannt. 1911 bekam der Gemeinderat den Auftrag, die Stromproduktion im Lichtwerk, jetzt EWS genannt, zu prüfen, da der Betrieb mit Umformung und Akkumulatoren nicht rentabel sei. Im gleichen Jahr stimmte der Gemeinderat einem Kredit von Fr 42'000.-- zum Umbau des EWS zu.
Dass hier erneut genau 42'000.-- genannt werden, ist irritierend, denn das waren 1895/6 die Kosten für den Bau des ganzen Kraftwerks an der Binzmühlestrasse 22! Ob da eine Verwechslung vorliegt? Um 1909 beschäftigte die Gemeinde Seebach im EWS 5 Personen. Nach 1912 bezog Seebach dann den Strom dauernd vom EKZ, wozu dieses nach dem Brand des Provisoriums in der Köschenrüti im Jahre 1904 ein grösseres Unterwerk an der Köschenrütistrasse 173 erstellte. Die OGS kann noch einige wenige ehemalige Mitarbeiter des EWS nennen:
- Bräm, Friedrich, Werkselektriker, ca. 1930-1940, nach Unfall Einzüger - Kleinpeter, Heinrich*), Elektriker, 1913, Gerwe, Zürichstrasse 547 - Meier-Spengler, Albert, Chef EWS, lebte von 1872-1953, Stoffelstrasse 10 - Pletscher-Kägi, Wilhelm, Monteur, wohnhaft in der Gerwe um 1931 - Schneebeli-Wintsch, Johann*), Werkselektriker, Gerwe, 1931 bis nach 1950
Datum der letzten Nachführung der Liste: 31.12.2012
*) Diese Mitarbeiter wohnten in der Gerwe. Das war damals beabsichtigt, weil das EWS auf diese Weise immer schnell Fachleute verfügbar hatte, wenn es im Werk eine Störung gab. Auch beim Unterwerk Köschenrüti des EKZ gab es eine Einliegerwohnung. Das EWS wurde mit der Eingemeindung Seebachs per 1.1.1934 in das EWZ integriert. Das Unterwerk der EKZ an der Köschenrütistrasse 173 wurde 1984 abgetragen.
Quellen: - Ernst Schmid - div. Berichte - OGS-eigene - Dr. phil. II Alfred Meier (Hinweise zu Albert Meier-Spengler)