Am 29. Mai 1990, kurz nach der Einführung der Zürcher S-Bahn, berichtete die «Vorstadt», dass es schon 35 Jahre zuvor ein S-Bahn-Projekt gegeben habe, welches auf einem Generalverkehrsplan fusste. Dieser sorgte in Seebach für einigen Wirbel. Dafür verantwortlich war die projektierte durchgehende Birchstrasse als Entlastungsstrasse zur Schaffhauserstrasse mitten durch Wohnquartiere, während der Bau einer S- und einer V-Bahn viel weniger die Gemüter erhitzte. Dieses Projekt wurde dann bei der V-Bahn zur bescheideneren Tiefbahn zurück entwickelt, während auf die S-Bahn ganz verzichtet wurde, da die SBB andere Lösungen bevorzugten. Aus heutiger Sicht mutet der damalige Generalverkehrsplan schon fast utopisch an. Siehe auch unter Birchstrasse und Tiefbahnprojekt 1961!
Hier die Kurzform des «Vorstadt»-Berichtes:
Im Jahre 1952 gab der Stadtrat eine Studie in Auftrag, welche für die kommenden Jahrzehnte die Grundlage für die Verkehrsplanung hätte bilden sollen. Schon nach zwei Jahren lieferten die beiden Experten Ing. Kremer aus Hannover und Prof. Leibbrand von der ETH Zürich ihren Bericht ab. Sie schlugen umfangreiche tangentiale Strassenbauten vom Stadtzentrum an die Peripherie, die Erstellung einer S-Bahn für den Vorortsverkehr und die Verlegung eines Teils des Tramnetzes in Tunneln vor, welche sie V-Bahn nannten.
Die S-Bahn von damals hätte aus zwei Ã?sten bestanden, welche sich unter dem Hauptbahnhof gekreuzt hätten. Der Nord-Süd-Ast hätte von Oberhausen über die Haltestellen Ã?rlikon, Nordheim, Schaffhauserplatz, Hauptbahnhof, Selnau nach Wollishofen geführt und der Ost-West-Ast hätte vom Tiefenbrunnen über die Haltestellen Neumünster, Stadelhofen, Hauptbahnhof, Langstrasse, Hardbrücke nach Altstetten geführt. Wie man daraus rasch erkennt, wäre Seebach an diese S-Bahn nicht direkt angeschlossen gewesen, denn entweder hätten die Seebacher in Oberhausen oder in Ã?rlikon zusteigen müssen, doch hätte es für jene, welche am anderen Ende der Stadt arbeiteten, trotz Umsteigen in Ã?rlikon und allenfalls im Hauptbahnhof pro Fahrt einen zeitlichen Vorteil von rund 20 Minuten gebracht. Leider wurde dieses sehr gut durchdachte S-Bahn-Projekt von den SBB aber nicht verwirklicht, weil diese damals noch überzeugt waren, den Vorortsverkehr durch rein betriebliche Massnahmen rascher und kostengünstiger verwirklichen zu können. Man muss diesem Projekt aber zugute halten, dass es alle späteren S-Bahn-Projekte der SBB weitgehend vorwegnahm, denn sie stimmten in der Linienführung der späteren S-Bahnbauten in den wesentlichen Abschnitten weitgehend überein.
Die V-Bahn kam dann unter dem Ã?bernamen «Unterpflasterbahn» als im Stadtinnern in die Tiefe verlegter Trambetrieb im Jahre 1962 zur Abstimmung und vom Souverän abgelehnt wurde, weil die Zürcher mittlerweile eine richtige U-Bahn begehrten, welche dann 1973 auch wieder bachab geschickt wurde. Dieser Entscheid führte dann zur Erkenntnis, dass es eben doch eine S-Bahn in Verbindung mit einer Leistungssteigerung des Trambetriebs braucht, um Zürichs Verkehrsprobleme optimal zu lösen. Dass heute beides verwirklicht ist, wenn im Details auch etwas anders als 1955 geplant, zeigt dass der alte Generalverkehrsplan nicht grundsätzlich falsch, sondern lediglich seiner Zeit etwas zu weit voraus war.