Filialleiterin des LVZ im Schönauring war von 1950 bis 1960 Frau Zollinger, eine junge, hübsche, blonde und sehr selbstbewusste Frau. Vom Selbstbewusstsein merkten die Kinder aber nichts. Sie hielten das einfach für Strenge. Und sie war streng, sehr streng sogar. Ihre Brille hat das noch zusätzlich betont. Sie handelte sich bei den Buben allergrössten Respekt ein durch ihr strenges Vorgehen gegen Ladendiebe, denn das war damals bei der neuen Art von Selbstbedienungsladen offenbar die grösste Sorge des Verkaufspersonals.
Daher soll es in dem Laden nur sehr vereinzelt zu Mutproben der Buben gekommen sein, da Frau Zollinger diese gleich nach der Eröffnung der neuen Filiale im Jahr 1950 mit einer äusserst rigiden Methode daran hinderte. Dazu gehörte, dass sie Ohren wie ein Wachhund, Augen wie ein Mäusebussard und eine äusserst schmerzhafte und sehr helle Stimme hatte, die irgendwie an ein scharfes Messer erinnerte, wie es sonst nur Metzger benützen. Auch beim geringsten Verdacht ging sie sofort auf die Lauer und sie schien den Buben förmlich anzusehen, ob sie etwas im Schilde führten oder harmlos waren.
Einmal gelang es mir im noch zarten Alter von 10 Jahren, den guten alten LVZ um einen Apfel zu prellen, wobei der Stolz weniger mir selbst als vielmehr dem Umstand galt, die strenge Frau Zollinger ausgetrickst zu haben. Und das ging so:
Der LVZ hatte vor dem Schaufenster eine Obstauslage, bestehend aus mehreren Kisten voll Ã?pfel, Birnen usw., welche die Filialleiterin dank dem grossen Schaufenster unter bester Kontrolle wähnte. Sie hätte jeden gesehen, der dort einen Apfel geschnappt hätte. Doch ich kroch von der Seite her an die Ã?pfel heran, langte von unten her in den flachen Harass und schnappte mir eine solche Frucht. Danach kroch ich wieder unerkannt weg. Frau Zollinger hätte eh nur den ganz kurzen Augenblick des Schnappens sehen können, und dieser war so unauffällig, dass sie es eben nicht sah.
Nach der genüsslichen Verköstigung des Apfels zusammen mit meinem Bruder fürchtete ich mich aber noch Tage lang vor Frau Zollinger, bis ich sicher war, dass sie ganz offensichtlich nichts bemerkt hatte. Hiermit wäre jetzt endlich auch die unerklärliche Lagerdifferenz, welche beim Inventar der Filiale Ende 1953 aufgefallen sein müsste, aufgeklärt. Wer mir gerne Saures geben möchte, wende sich umgehend an den Vorsitzenden der Geschäftsleitung des Coops und Rechtsnachfolger des LVZs, und verweise auf diesen Eintrag!