Guido Husi besuchte 1957 mit mir zusammen die Primarschulklasse der Oberstufe und es hätte nicht den geringsten Grund gegeben, ihn allein deshalb in diese Sammlung der OGS aufzunehmen. Es soll ja möglichst niemand bevorzugt behandelt werden. Der wirkliche Grund war der, dass Guido damals vermutlich nach Ernst Hirzel erst der zweite Schüler Seebachs war, der schon zur Schulzeit ein richtiges Motorrad besass. Und einmal hatte er sogar den Mut, damit zur Schule zu kommen und den «Chlapf» ganz ungeniert beim Veloständer neben den Lehrerparkplätzen abzustellen!!!
Das war ein eklatanter Verstoss gegen alle Schulvorschriften und galt damals als eine unerhörte Kühnheit. Man stelle sich das einmal vor! Und er wurde nicht einmal erwischt, weil wohl kein Lehrer, keine Pausenaufsicht sich vorstellen konnte, dass es hier einen Schüler gäbe, der so etwas wagte. Nun, es gab diesen unerschrockenen Schüler in Form des Guido Husis. Dabei war Guido alles andere als ein frecher Kerl. Er war stets korrekt, aber eben auch unerschrocken und gegenüber obrigkeitlichem Gehabe ziemlich unbeeindruckt.
Während der letzten Schulpause erzählte er es den Buben und natürlich auch den Mädchen der ganzen Klasse von Lehrer Herbert Hartmann, dass er heute seinen Töff dabei habe und so begleitete ihn die halbe Klasse nach Schulschluss zum Parkplatz. Er stieg auf sein rotes Motorrad, kickte den Motor an und dann stand er ein paar Minuten mit laufendem Motor am Strassenrand und genoss sichtlich das Bad in der stets grösser werdenden Menge. Vor allem die Mädchen drängten sich vor und bewunderten den Töff mitsamt ihm, dass es manche Buben vor Neid kaum mehr ertrugen.
Ich war stets eher technisch interessiert und betrachtete den Töff und nahm das Motorengeräusch in mir auf, während Guido sich mehr dem Klamauk mit den quietschenden Mädchen widmete. Neid auf den vergötterten Guido hatte ich auch keinen, dafür umso mehr darauf, dass er einen Töff hatte. Es hat dann noch 5 Jährchen gedauert, ehe es bei mir wenigstens zu einem Mofa reichte. Guido Husi aber erzählte es jedem, der es hören wollte, dass sein «Ofen» 80 heisse Sachen mache, was den Buben so vor kam, als wäre er schneller als der Schall oder gar als das Licht. Zum Schluss setzten sich nacheinander ein paar Mädchen auf den Soziussitz und nahmen sozusagen Mass, was Guido natürlich schamlos genoss. Zu guter Letzt fuhr er dann mit einem der Mädchen davon, mit wehendem «Schüpp» desselben. Es ist noch anzumerken, dass dieser Töff, es war ziemlich sicher ein Motom SS, einen Soziussitz hatte, welcher sehr knapp bemessen war. Die Mädchen waren also gezwungen, sich wie kleine Äffchen sehr eng an den Guido zu klammern. Trotz meinem Desinteresse an den fraglichen Mädchen ist es mir aber schon aufgefallen.
Der Töff gehörte zur Klasse Moped oder wie es im Amtsjargon damals hiess: Fahrrad mit Hilfsmotor. Man musste eine etwa 20-minütige Theorieprüfung ablegen und bekam dann die weisse Nummer. Das Moped war mit einer Ansaugschikane ausgestattet, welche man mit wenig Mechanikerkenntnissen selber entfernen konnte und dann lief das Ding tatsächlich fast 80 Sachen und war damit praktisch eben so schnell wie das Kreidler Florett. Damit die Pedalstellung der Fussrasten nicht nach einem Velo aussah, gab es die Möglichkeit, die Pedalen in die gleiche Richtung zu verdrehen, sodass dann der Eindruck eines richtigen Töffs vollständig war.
Ich sehe heute noch den blitzblank geputzten, roten Motom SS mit den glänzenden Chromteilen und dem irren Tacho mit der zitternden roten Nadel vor meinem geistigen Auge. Auch höre ich heute noch das Knattern des Motors in meinem geistigen Ohre und ich rieche heute noch den Duft des verbrannten Motorenöls in meiner geistigen Nase, um meine damaligen Sinneseindrücke zu beschreiben. Ich sehe aber auch mein damals gähnend leeres Portemonnaie. Dies war wohl eines der Urerlebnisse, welches später dazu führte, dass auch ich ein Motorrad kaufte, wenn auch erst viel, viel später und auch dann erst 'nur' eine Vespa.
Quellen: - OGS-eigene - Hansruedi Gasser (erinnerte sich noch an Details zum Motom SS)