OGS Seebach - Beitrag

Runkeln putzen
Landwirtschaft – Ernte – historisch
Runkeln sind die Urform der Zuckerrüben. Man verfütterte sie früher im Winter an die Kühe, sozusagen als feuchte Beigabe zum trockenen Heu. Seit vielen Jahrezehnten wird neben den Runkeln auch der Anbau von Zuckerrüben durch den Bund gefördert, um genügend eigenen Zucker zu produzieren. Die Zuckerrüben sind eine jüngere Kulturform der Runkeln, die besonders viel Zucker enthalten. Die Köschenrütibauern haben allerdings nie sehr viel Runkeln angepflanzt, da der Viehbestand sich in Grenzen hielt. Ob sie auch Zuckerrüben anpflanzten, wäre noch zu klären. Jedenfalls wurden Zuckerrüben in Seebach nur in begrenztem Masse angebaut. Um die Bauern bei der Mehrarbeit anlässlich der Ernte zu entlasten, waren auch die Lehrer mit ihren Schülern gefordert. Zumindest ein paar Klassen mussten jedes Jahr bei der Ernte der Runkeln antraben. Diese Hilfe war nötig, weil auch die Bauern und ihre Knechte Aktivdienst leisten mussten. Da Lehrer Paul Wettstein im Militär einen höheren Rang einnahm, war es für ihn eine Selbstverständlichkeit, dass seine Klasse da mit dabei war und mit half.

Dennoch war die Ernte und der Aktivdienst an sich für die Bauern nicht das zentrale Problem. Ein kräftiger Bauer konnte in einer Stunde gut und gerne ein bis zwei Tonnen Runkeln ausreissen, obwohl das in den 1940er Jahren noch reine Handarbeit war. Der Engpass für den Bauern war nicht die Ernte, sondern das Putzen der Runkeln nach dem Ausreissen. Dazu brauchte er sehr viel Personal, welches er familien- und gesindeseitig nicht besass und folglich auf Hilfskräfte von aussen angewiesen war.

Bei der Ernte der Runkeln gingen die Bauern so vor: Sie oder ihre Knechte rissen die Runkeln aus und warfen die Ackerfrüchte auf einen Haufen. Um diesen Haufen versammelten sich dann die Helfer und befreiten die Runkeln mit Hilfe eines Messers von aller Erde. Erst wenn sie sauber waren, schnitt man noch das Kraut ab, denn dieses diente während dem Putzen dazu, die Frucht ordentlich zu halten. Solchermassen geputzt, warfen sie die Runkeln dann auf einen Wagen. Sobald dieser voll war, unterbrach der Bauer das Runkelnreissen und führte den vollen Wagen mit einem Ross zu seinem Hof, wo er den Wagen leerte und mit dem leeren Fuhrwerk wieder zurück aufs Feld ging, Wagen und Ross abstellte und wieder Runkeln ausriss und so fortlaufend für genügend Arbeit für die Runkelputzer sorgte. Vor dem Hof stapelten sich die geputzten Runkeln zu grossen Haufen, welche dann in den Speicher befördert wurden.

Bei einer der Runkelnernten setzte Lehrer Paul Wettstein auch einmal seine ganze Klasse ein. Das hatte er mit dem betreffenden Bauern so ausgemacht, sodass dieser die ganze Arbeit den Kindern überliess, also auch das Aussreissen. Ob es Albert Kläusli oder Werner Schnellmann war, muss noch geklärt werden. Für die Kinder war das sicher nicht nur eine strenge Arbeit, sondern auch sehr lehrreich, lernten sie doch, dass nicht nur sie in der Schule hart arbeiten mussten, sondern auch die Bauern. Dabei hatten die Schüler aber den Vorteil, dass ihre Arbeit etwas weniger erdig war.

Als ich im Oktober 1957 bei einem Bauern, mit grosser Sicherheit war es Hans Strehler, in der Hohenstiglen ebenfalls eine Woche lang Runkeln putzte, gab es Fr. 4.-- Tageslohn, zum Znüni und zum Zvieri Süssmost, mittags Bauernschüblig und Brot und am Freitagabend als Belohnung zum mit nach Hause nehmen eine Schachtel Eier und geräucherte Würste. Ob das während des 2. Weltkrieges auch so war, dürfte eher bezweifelt werden, sonst hätte Emil Staub das sicher fotografisch festgehalten. Vom Bauernhaus dieses Bauern besitzt die OGS noch eine Foto aus dem Jahre 1978, siehe nebenan!

Bei der Zuckerrübenenernte gingen die Bauern genau gleich vor, nur wurden diese dann bloss vorübergehend neben dem Hof gelagert und später zum nächsten Bahnhof gebracht und in Hochbordgüterwagen umgeladen. Dies geschah erst auf Anordnung der Zuckerfabrik, welche die Produktion auf eine längere Zeit verteilen musste. Jene Haufen, welche noch länger warten mussten, haben die Bauern mit Planen zugedeckt. Die Bahn brachte die Zuckerrüben dann zur nächst gelegenen Zuckerfabrik.

Quellen:
- OGS-eigene (1 Woche Runkeln putzen im Oktober 1957)
- René Peter (1 Tag Runkeln putzen mit der Klasse Wettstein)
- Emil Staub (Fotos)
- Franklin Fehr (Unterschied zwischen Runkeln und Zuckerrüben)

Runkeln putzen (1945)

Schülerinnen der Klasse Wettstein in der Köschenrüti.

Runkeln putzen (1945)

Einer der Schüler von Paul Wettstein mit einem Kaninchen, welches er wohl von einem der Bauern in der Köschenrüti «ausgeliehen» hat.

Runkeln putzen (1945)

Nochmals die Dreiergruppe, welche Lehrer Staub zeigte, wie das Runkeln putzen abläuft.

Runkeln putzen (1945)

Hier eine Mädchengruppe, die etwas weniger straff geordnet ihre Arbeit verrichtet.

Runkeln putzen (1945)

Dies müssten die Mädchen der Klasse Wettstein sein, das verrät die militärisch strenge Ordnung beim Arbeiten.

Runkeln putzen (1945)

Wie man sieht, haben die Mädchen eine eigene Arbeitsgruppe gebildet.

Runkeln putzen (1945)

Hier sieht man links oben einen Stommasten der Überlandleitung, anhand welchem die Lage des Runkelackers etwa 250 Meter hinter dem Hof des Albert Kläusli gelegen haben muss. Ob er den Kläuslis oder den Schnellmanns gehörte, ist nicht bekannt.

Runkeln putzen (1945)

Aufgrund des Sonnenstandes und der Jahreszeit (Oktober) erkennt man, dass es erst etwa 9.30 Uhr ist. Die Lage des Runkelfeldes war im Westen des Bauernhofes auf der südlichen Seite der Käshaldenstrasse.

Runkeln putzen (1945)

Alle Buben in Arbeitsschürzen. Man erkennt auch, dass die Runkelsorte von 1945 noch nicht so gross war, wie die heutigen Sorten.

Runkeln putzen (1945)

Im Hintergrund die Käshalden. Hier sieht man, warum man das Kraut erst zuletzt abschnitt. Es diente dazu, die Runkeln gut halten zu können. Im Vordergrund bildet sich der erste Runkelhaufen.

Runkeln putzen (1945)

Zwei Schüler machen es den Mädchen gleich und lassen sich beim Runkeln putzen durch Lehrer Emil Staub fotografieren.

Runkeln putzen (1945)

Zwei Schülerinnen zeigen Lehrer Staub, wie man Runkeln mit dem Messer von der Erde befreit.

Runkeln putzen (1957)

In diesem Gehöft auf der Hohenstiglen wohnte der Bauer, bei welchem ich 1957 Runkeln putzte. Damals gab es um die Häuser noch einen Baumgarten. Hier eine Aufnahme von 1978 anlässlich des Autobahnbaus. Später musste der Hof einer Neubausiedlung weichen.

Themengebiete