Herrenschneiderei (1950-54, 1970). Schönauring 114. Die Familie von Ernst Tschamper hatte drei Kinder: Rita, René und Beatrice. Die Eltern sprachen offenkundig berndeutsch, die Kinder aber nicht, da sie hier aufwuchsen. Ab und zu lieh sich meine Mutter kurz vor dem Zahltag des Vaters mal ein Ei oder etwas Zucker oder Mehl aus und gelegentlich wählte meine Mutter auch die Familie Tschmper aus. Wenn Frau Tschmper die Wohnungstür öffnet, sagte sie meist: "Tschou Noudi, wa wüusch?" Das Ausleihen solcher kleinen Lebensmittel war damals gang und gäbe und gelegentlich waren auch wir die Leihenden. Da ich mit der Rita zur Schule ging und die Mütter ein wenig befreundet waren, konnte ich ab und zu einen Blick in das Schneideratelier werfen und staunte dabei, mit welcher Geschwindigkeit Ernst Tschamper arbeitete. Seine Nähte waren schnurgerade und so gleichmässig, als wären sie mit der Maschine genäht, nur eben mit dem Unterschied, dass seine Nähte ein Leben lang hielten. Ernst Tschamper war ein Künstler. Besonders stolz war ich auf ein blaues «Hemp», welches aus des Künstlers Hand stammte und das nachher der kleine Bruder noch Jahre lang tragen musste, weil es nie kaputt ging. Nachdem es dem kleinen Bruder nicht mehr passte, hat es meine Mutter verkauft! Wertarbeit galt damals noch etwas!
Rita war 1951 ein kleines aufgewecktes Schulmädchen. Wir gingen zusammen in den Kindergarten und in die 1. bis 3. Primarklasse und sie kam oft bei uns vorbei, um mich zur Schule abzuholen. Sie hatte damals eine Kameradin namens Bethli Ruf, die ebenfalls zu uns in die Schule ging. Bethli hatte noch einen grossen Bruder namens Toni, einen kleinen Bruder namens Albert und eine ganz kleine Schwester namens Theresli. Nach der 3. Klasse sah ich Rita und Bethli kaum mehr. Nur 1970 bin ich Bethli noch einmal begegnet. Da war sie Verkäuferin in einem Motorradzubehörladen in Zürich.
Dieser Eintrag erfolgt aus einer 60-jährigen Erinnerung und kann daher Ungenauigkeiten aufweisen. Die OGS nimmt gerne entsprechende Hinweise entgegen, insbesondere solche, welche noch etwas mehr über den Schneider berichten.