Auswanderung auf die Krim, nach Odessa, Zürichtal u.a.
Ereignisse – Auswanderung – historisch
Das Thema findet hier Erwähnung, weil unter den bekannten Auswanderern auch drei Seebacher Familien dabei waren, welche letztlich in Zürichtal landeten. Ein erster Auswanderungsschub von Schweizer Bauern nach Russland erfolgte nach einem Aufruf der russischen Zarin Kathrina II (im Amt von 1762-1796). In der Folge wanderten um 1765 mehrere hundert Schweizer Bauern nach Russland aus, wo sie von der russischen Regierung Land an der Wolga erhielten. Nordöstlich von Saratow existierten bis 1941 mehrere Bauerndörfer namens Zürich (heute Sorkino, in der Oblast Saratow), Glarus, Basel, Schaffhausen, Unterwalden usw. Mehr dazu siehe unter Zürich in Russland!
Um Missverständnissen vorzubeugen, sei aber darauf hingewiesen, dass bei der Gründung zahlreiche Orte durch den Lokator Baron de Beauregard zu ihren Namen kamen und nicht durch die Einwanderer selber. Baron de Beauregard soll die Orte selber so genannt haben und zwar meist ohne Bezug zur Herkunft der Neusiedler. So ist etwa Unterwalden, heute Podlesnoje, im Jahre 1767 von 40 Familien aus Darmstadt und Dillenburg besiedelt worden und keinesfalls durch Leute aus dem Kanton Unterwalden.
Diese Bauern nahmen zumeist die russische Staatsbürgerschaft an und waren daher nicht mehr alle in den Schweizer Konsulaten gemeldet. Bei der russischen Revolution von 1917 soll nur eine kleine Minderheit in die Schweiz zurück gekehrt sein. Bei der Aufhebung der deutschen Wolgarepublik im Jahre 1941 als Folge des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion, sollen Deutsche wie Schweizer nach Mittelasien oder nach Sibirien deportiert worden sein, wo sie weit verstreut neu angesiedelt wurden, sofern sie den Transport überlebten. Der Name des Dorfes Zürich deutet indirekt an, dass es zumindest möglich gewesen sein dürfte, dass unter diesen Bauern auch einer oder mehrere aus Seebach stammten. Wegen fehlender Namenslisten lässt sich das heute nicht mehr rekonstruieren.
Nach der Deportation erhielten mit wenigen Ausnahmen alle deutschen und Schweizer Dörfer neue Namen, wobei in einem Fall auffällt, dass der neue Ortsname eine Übersetzung ins Russische war. Es braucht nicht viel Fantasie, um daraus Schluss zu folgern, dass kaum ein Russe auf die Idee käme, den Ortsnamen zu slawisieren, da die Russen in jener Gegend und zu jener Zeit wohl kaum über Fremdsprachenkenntnisse verfügten. Ergo könnte es durchaus sein, dass ein bereits assimilierter Schweizer, welcher noch beide Sprachen kannte, aber wegen seiner vollzogenen Assimilation nicht deportiert wurde, diese Namensänderung vollzogen hat. Dieses zeigt, dass im Falle der Schweizer Siedler an der Wolga, einige Sippen mit Sicherheit überlebt haben dürften, jedoch keine Ahnung mehr haben von ihrem «Glück». Überlebt haben wohl auch viele Schweizerinnen und deren Nachkommen, welche einen Russen heirateten und so ihre Schweizer Spuren im Namen verloren gingen.
Ein weiterer Auswanderungsschub von Schweizern nach Russland erfolgte, nach den Kriegswirren von 1798/1801 zwischen Russen und Österreichern gegen die Franzosen, die auch in unserer Gegend Spuren der Verwüstung hinterliessen und Armut über viele Familien brachten. Auch hier wanderten zahlreiche Bauernfamilien nach Russland aus, wobei sie bis Bayern mit der Kutsche und ab dort per Schiff auf der Donau hauptsächlich in die Gegend rund um die Krim gebracht wurden, wo insbesondere ein Ort namens Zürichtal, fast ausschliesslich von Familien aus dem Kanton Zürich sowie ein weiterer namens Neu-Zürichtal gegründet wurde. Daneben gab es aber auch solche, welche in zahlreiche andere deutschsprachigen Orte um Odessa zogen. Darunter waren Familiennamen wie Kuhn, Benz, Näf, Ott aus Wallisellen.
Auch aus Seebach sollen 3 Familien dorthin weggezogen sein. Eine der Familien konnte die OGS dank den Hinweisen von Ernst Benninger ausfindig machen und zwar in der Liste der Auslandschweizer in Russland. Die Liste ist für jedermann einsehbar unter folgender Adresse: www.hist.uzh/oeg/RSAkomplett.txt . Die betreffende Familie aus Seebach hiess Sieber und war in Fluntern heimatberechtigt. Die Namen der Eltern konnte die OGS noch nicht ausfindig machen, hingegen ein Sohn namens Johannes, welcher 1791 noch in der Schweiz geboren wurde. Bei seiner Auswanderung war er erst 14 Jahre alt. Er war Chemiker und hat demzufolge in Russland studiert. In der Liste der Auslandschweizer in Russland ist er vermerkt unter der Nr. 7098. Seinen Sohn findet man gleich anschliessend unter der Nr. 7099. Noch etwas mehr Details wusste Ernst Benninger, welcher im Besitze eines Auszuges aus einem Russischen Biografischen Lexikon von 1931 ist, wo ein Enkelkind der ursprünglichen Auswandererfamilie namens Nikolai Iwanowitsch Siber alias Niclaus Sieber erwähnt wird, welches am 10.3.1844 in Sudak/Krim geboren wurde und am 10.5.1888 in geistiger Umnachtung in Jalta/Krim verstarb. Niclaus Sieber war von Beruf Ökonom.
Die OGS erhielt 2011 auch den Hinweis, dass in jenem Trupp, welcher die Krim im Jahre 1804 erreichte und aus 228 Personen bestand, die Familie Rüde mit dabei war. Es waren dies Johann Rüde, geboren 1765 und Elisabeth Rüde-Tumin, geboren 1769 zusammen mit 5 Kindern. Sie sollen aus Davos stammen. Sie werden als Bewohner von Neu-Zürichtal genannt. Da Neu-Zürichtal aber erst 1860 gegründet worden sein soll, dürfte wohl eher Zürichtal gemeint sein. Diese werden von einer anderen Informantin allerdings als Rüdi aus Davos bezeichent. Ob die beiden Familien identisch sind, ist noch offen. Genau wie im weiter oben erwähnten Fall von Johannes und Niclaus Sieber fehlen sie in der Liste der Auslandschweizer in Russland. Von den 4 Auswandererfamilien aus Wallisellen findet man nur die Kuhns, währen die anderen 3 fehlen. Die Ursache für das Fehlen ist noch nicht gesichert.
Leider konnte die OGS die Namen der beiden anderen Familien noch nicht eruieren. Diese Angaben beziehen sich auf die Auswanderung speziell auf die Krim. Vereinzelt gab es aber aus Schweizer Bauern, welche in die Region Budschak zogen. Die weiteren Orte, wo diese siedelten waren Liebenthal, Lustdorf, Strassburg, Sofienthal, Hoffnungsthal, Friedensfeld, Lichtenthal, Friedensthal (heute Tregrady), Neudorf, Nesselrode, Marienheim (heute Perekrestowo), Gildendorf, Seebach, Gnadenfeld, Paris, Katzbach (heute Luschanka), Kronenthal, Schabo, Neusatz und Leiptzig (das tz ist kein Schreibfehler!). Dass diese Orte von über 90'000 Deutschen bewohnt wurden, störte die paar Dutzend Schweizer nicht, denn für die damalige Zeit waren diese Orte derart weit von der Heimat entfernt, dass es den Auswanderern egal war, ob einer Deutscher, Österreicher oder Schweizer war. Das Einende war, dass man irgend ein Deutsch sprach. Da sich im einzigen, ursprünglich rein schweizerischen Zürichtal auch viele Schwaben niederliessen, hatte dies zur Folge, dass die Kinder eine Mischsprache sprachen und nicht mehr reinen Zürcher Dialekt. Das Siedlungsgebiet der deutschsprachigen Auswanderer umfasste somit die Gegend westlich von Odessa sowie die Krim.
Es sind auch Schweizer aus dem Welschland (Waadt) hierher ausgewandert und haben im damaligen Bessarabien 1823 den Ort Schabo gegründet. Schabo liegt heute in der Ukraine am Dnjestrowskij Liman, einem Haff, knapp 50 km südwestlich von Odessa in einem Weinanbaugebiet. Es ist von allen Schweizer Ortsgründungen in der Umgebung von Odessa diejenige, welche bis heute am besten gediehen ist und immer noch gleich heisst. Während der Zugehörigkeit zu Rumänien (1920-1940 und 1941-44) hiess es Sabo-Targ, auch Saba-Targ. 1944 wurde der Süden von Bessarabien zur Ukraine geschlagen, während das restliche Land zur Sowjetrepublik Moldawien wurde. Alle weiter oben genannten Orte mit Ausnahme von Zürichtal, Neu-Zürichtal und Schabo waren deutsche Gründungen, wobei es da neben Deutschen, Österreichern und Schweizern auch Deutschsprachige aus weiteren Ländern gab, wie Tschechien, Frankreich, Polen, Ungarn, Rumänien usw., allerdings nur in geringer Zahl. Die Waadtländer Winzer, welche Schabo gründeten, bevorzugten dieses Gebiet, weil hier unter anderem eine Sprache gesprochen wurde, welche ihrem Französisch sehr viel näher lag: Moldawisch, eine Variante des Rumänischen. Da die Waadländer Nachfahren französische Namen trugen und längst assimiliert waren, standen sie nicht unter dem Generalverdacht, Deutsche zu sein und entgingen so der Zwangsumsiedlung nach Danzig und Posen, welche die damalige deutsche Regierung 1940 mit der Sowjetunion vereinbarte. Wieso die Waadtländer ihren Ort Schabo nannten, ist nicht bekannt. Vielleicht bedeutet es etwas in ihrem alten Waadtländer Dialekt. In russischen, ukrainischen und rumänischen Wörterbüchern sucht man umsonst.
Die meisten der weiter oben genannten Orte handelten sich damals eine gewisse politische und finanzielle Freiheit aus, zahlten in den ersten Jahren keine Steuern oder bekamen das Holz für den Bau ihrer Häuser gratis, doch konnte sich keiner der genannten Orte so entwickeln, wie sich die Auswanderer das vorstellten, da die politischen Verhältnisse unsicher waren und die von den Bauern gelieferten Produkte oftmals nie bezahlt wurden. Ausserdem wurden sie immer wieder von Seuchen befallen und die Reibereien zwischen den slawischen, türkischen, rumänischen und tatarischen Volksgruppen behinderten die Entwicklung der neuen Orte ebenfalls. Mit anderen Worten: Die Einwanderer verarmten und viele kehrten dem Ort den Rücken, wanderten weiter oder kehrten in ihre alte Heimat zurück.
Zahlreiche der Ortsgründungen haben bis heute überlebt, doch tragen mit Ausnahme von Seebach und ganz wenigen anderen alle inzwischen einen ukrainischen oder moldawischen Namen und die wenigen Schweizer, die überlebt haben, sind inzwischen assimiliert und tragen wohl auch keine Schweizer Namen mehr oder haben ihn slawisiert. Was mit den Zürichtalern geschah siehe unter Zürichtal.
Kuriosum: Von Katzbach ist bekannt, dass es 1803 zu Russland gehörte, dann ab 1918/20 zu Rumänien, 1940-41 zu Russland, 1941-43 wieder zu Rumänien und ab 1944 erneut zu Russland und seit 1991 zur Ukraine. Es wurde von einem Deutschen, vermutlich von einem Schlesier, gegründet und hat mit dem Seebacher Katzenbach nichts zu tun. Das obenerwähnte Seebach wurde mit grosser Wahrscheinlichkeit ebenfalls von Deutschen gegründet, vermutlich von Thüringern, die aus dem dortigen Seebach stammten.
Quellen: - Tages-Anzeiger-Magazin: Artikel über Zürichtal 20.5.1978 - Neujahrsblatt Zürich 11/12 Nr.18, 1975, S. 18 - Walliseller Chronik - QVS-Jahresbericht 2005, 2 - Ernst Benninger - Wikipedia (Anzahl deutscher Siedler im Budschak) - OGS-eigene