Nachdem der KVZ sein Lebensmittelgeschäft an der Schwellistrasse 6 um etwa 1963 schloss, wurde das Lokal vorübergehend als Kinderhort der Stadt Zürich eingerichtet. Im unteren Teil der Liegenschaft war auch eine Sprachschule eingerichtet, welche von Kindern besucht werden musste, welche beim Sprechen die für ABC-Schützen schwierigeren Laute wie etwa das «sch» nicht richtig aussprechen konnten. Sie sagten «Snee» oder «Suule» statt Schnee und Schule. In Erinnerung eines Seebachers geblieben ist noch, dass zu diesem Zweck eine Wattekugel und eine bestimmte Atemtechnik eingesetzt wurde. Der Unterricht für das «sch» erfolgte jeweils an einem schulfreien Mittwochnachmittag. So waren die Kinder offenbar selber interessiert, die Schule nicht allzu lange besuchen zu müssen.
Zu den Sprachfehlern, welche eine Einteilung in diese Schule bewirkten, zählten um 1963 und etwas danach auch noch das Lispeln, nicht mehr aber das Lorggen, welches schon früher als reine Eigenheit eines Dialektes anerkannt wurde, allerdings eher, weil Lorggen als praktisch unheilbar galt. Unter Lorggen verstand man um 1950 herum die Aussprache des "r" im Halszäpfchen statt an der Zungenspitze, wie das im alten Zürichdeutsch üblich war. Die "Unheilbarkeit" des Lorggens kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Gelorggt wurde und wird heute noch vor allem in der Ostschweiz und ich habe bis heute noch keinen Ostschweizer kennen gelernt, welcher nach der Auswanderung nach Zürich vom Halszäpfchen-"r" zum Zungenspitzen-"r" umgestellt hat. Es scheint irgendwie angeboren zu sein. Eher wahrscheinlich ist aber, dass die Abrichtung des Kindes auf eine der beiden "r"-Varianten schon im Wickelkindalter beginnt. Für einen Zungenspitzen-"r"-Sprecher scheint es aber leichter zu sein, sich zu einem Halszäpfchen-"r"-Sprecher zu wandeln als umgekehrt.
Das Problem mit dem Lorggen ist keinesfalls auf die Deutschschweizer Mundarten beschränkt. Man trifft es auch in den lombardischen Mundarten an, wie etwa im Tessin, aber auch in den verschiedenen rätoromanischen Mundarten. Die Krönung dieser sprachlichen Eigenart ist aber das Portugiesische, wo man beide Varianten des "r" nebeneinander kennt!
Als Lorggen in Zürich noch als echter Sprachfehler angesehen wurde, gab es noch keine solchen Sprachschulen. Andere Sprachfehler waren die nasale Aussprache oder das als «h» ausgesprochene «k», welche beide in Seebach aber selten vorkamen. Die OGS erinnert sich noch an einen Buben im Schönauring, welcher näselte und der von den Mitschülern deshalb gehänselt wurde, indem man sagte, dass er «elektrisch» spreche, weil seine Aussprache ein wenig an einen brummenden Trafo erinnerte. Ein anderer Fall war jenes Mädchen, welches immer wieder «Hees» statt «Chääs» sagte. Beide mussten nicht in die Sprachschule. Der «Elektriker» spricht heute noch nasal, wurde also nicht geheilt, während das Mädchen offenbar zu Hause das richtige «k» bei den Eltern lernte.
Sprachfehler waren keine Seltenheit, sondern traten durchaus im Dutzendbereich pro Jahr und Quartier auf. Auch ich erinnere mich an solche Kinder, welche beim «sch» irgendwie eine falsche Zungenstellung hatten. Meist konnte man dies dank dieser Sprachschule beheben. Je früher man den «Fehler» bei den Kindern behandelte, desto grösser waren die Erfolge. Die Sprachschule an der Schwellistrasse 6 wurde parallel zum Hortbetrieb geführt.
Nachfolger in diesem Lokal wurde dann ein Malergeschäft.