Ein kleines Radio- und Fernsehgeschäft an der Schaffhauserstrasse nahe der Örliker Grenze wurde an einem einzigen Tag weit herum bekannt, als es am Montagabend, den 22. November 1976 einen Lastwagen aus Westdeutschland kurzerhand auf dem Tramgleis der Linie 7 und 14 entladen liess. Das tat es allerdings nicht zu Werbezwecken, sondern aus purer Verzweiflung und aus Ärger über eine Baustelle vor dem Geschäft, welche den Laden und seine Nachbargeschäfte seit über einem Jahr behinderte. Diese beklagten sich seit langem, dass wegen der Baustelle ihre Umsätze teils erheblich zurück gingen, weil die motorisierte Kundschaft die Parkplätze vor dem Geschäft nicht mehr benützen konnte. Da man einen Fernseher nicht einfach unter den Arm nehmen kann, waren diese Parkplätze für das Geschäft lebensnotwendig.
Die Trams konnten wegen dem auf der Strasse parkierten Lastwagen in beiden Richtungen nicht mehr verkehren und waren zwischen 17.35 und 18.25 Uhr blockiert. Die VBZ setzte Ersatzbusse ein und liess die Tramzüge in Örlikon wenden. Die Polizei erschien erst nach etwa 30 Minuten und forderte den Ladeninhaber auf, den Lastwagen sofort von den Gleisen entfernen zu lassen, doch dieser meinte, er habe jetzt keine Zeit und müsse zuerst die Fernseher entladen. Der Chauffeur sei irgendwo etwas Essen gegangen und er wisse nicht wo. In der Zwischenzeit versammelten sich einige Hundert Passanten, Schaulustige sowie die Fahrgäste der beiden blockierten Tramzüge und diskutierten die Sorgen der dortigen Geschäftsinhaber. Der Radioverkäufer gab dem Restaurant Talgarten den Auftrag, kleine Sandwiches an die Trampassagiere zu verteilen, da diese wohl erst mit einstündiger Verspätung nach Hause gelangen würden.
Im Publikum war grossmehrheitlich zu hören, dass man Verständnis für den Radioverkäufer habe, nur wäre es etwas unglücklich, dass nun die Fahrgäste der VBZ den Schaden tragen müssten. Die Polizei ging inzwischen auf die Suche nach dem Chauffeur und fand ihn im Restaurant Talgarten. Dieser kam dann der Aufforderung nach, den Lastwagen von den Gleisen zu entfernen, denn mittlerweilen war dieser entleert. Der Radioverkäzfer wandte sich kurz an die Leute und erklärte ihnen seine Sorgen und wies auch darauf hin, dass man seitens des Tiefbauamtes den Geschäftsinhabern versprochen habe, darauf zu achten, den Güterumschlag nicht zu behindern. Danach nahm ihn die Polizei mit auf den Posten Örlikon, wo er einvernommen wurde. Man machte ihm klar, dass er mit einer Verzeigung zu rechnen habe.
Über das Ereignis berichteten mehrere Tageszeitungen, u. a. auch der Tages-Anzeiger in der Ausgabe vom 23.11.1976. Was dann mit den Radioverkäufer in gerichtlicher Hinsicht geschah, las die OGS erst in der Ausgabe vom 30.1.1981. Die VBZ reichte bei der Bezirksanwaltschaft Strafklage ein wegen Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 239 des StGB) und der Beklagte wurde unverhältnissmässig hart bestraft, vor allem wenn man es mit den lächerlichen Strafen für weit schlimmere Delikte vergleicht. Glücklicherweise war der Radioverkäufer Mitglied bei der Gewerbegruppe Seebach und an der folgenden GV wurde seitens der Gewerbler aus Solidarität mit dem Betroffenen spontan Geld gesammelt. Vom Verein wurde der Betrag noch nach oben aufgerundet. Dennoch reichte dies nicht, um seine Kosten zu decken, aber immerhin, um sie zu mildern.
Die spontane Sympathiekundgebung zugunsten des Vereinsmitgliedes erfolgte nicht aus Missachtung der Rechtsordnung, sondern weil man sich gemeinsam einig war: Ein Gewerbler muss in aller Regel hart arbeiten um zu überleben. Umso ärgerlicher ist es, wenn solche Leute von ahnungslosen Beamten des Tiebbauamtes noch schikaniert werden, bis sie die Nerven verlieren. Stossend war auch das harte Urteil des Richters, welches auf die Sorgen und Nöte des Gewerbetreibenden nicht einging. Eigentlich hätte man den für die ewige Baustelle verantwortlichen Beamten ebenfalls büssen müssen. Besonders störend war, dass die Baustelle nach Vollendung nochmals aufgerissen wurde, weil man eine Leitung vergessen hatte!
Auch wenn die Sympathien der OGS ganz klar auf Seiten des genervten Kleingewerblers lagen, war sein Vorgehen kein Beispiel für andere Gewerbetreibende, sondern vielmehr ein solches für die verantwortlichen Beamten des Tiefbauamtes. Diese haben nach und nach ihre Lektion auch gelernt und zwar oho. Heute informiert das Tiefbauamt im Voraus über ihre geplanten Baustellen, sodass man sich auch rechtzeitig einrichten kann. Sogar mit Hilfe von Google Earth versucht das Amt alles zu tun, was im Voraus möglich ist. Ein grosses Bravo!
Der Inhaber des Discounthauses hat per 1. Februar 1984 sein Geschäft einem Nachfolger weiterverkauft.